Zu diesem Thema eine interessante Darstellung von zwei Verfassern.
Kroaten sorgen sich um Beitritt zur EU
Von Montag an ist das Adria-Land Mitglied der Europäischen Union. Wirtschaftlich ist das nicht unbedingt ein Vorteil. Kanzlerin Merkel sagt Feier ab.
Zagreb,Kata Secic interessiert sich nicht für die Festlichkeiten anlässlich des EU-Beitritts – die 53 Jahre alte Kroatin hat andere Sorgen: Ihr Arbeitgeber, ein Wäschefabrikant, hat pleitegemacht, und sie hat seit Monaten kein Geld mehr bekommen. Dass ihr Land von Montag an Mitglied der Europäischen Union sein wird, bereitet ihr mehr Angst als Freude.
So wie Secic geht es vielen in dem von einer Wirtschaftskrise erschütterten Land. Zwar befürwortet die Mehrheit der Kroaten Umfragen zufolge den Beitritt. Aber nur knapp die Hälfte erwartet, dass das Land auch davon profitieren wird. Die durchschnittliche Arbeitslosigkeit beträgt 20 Prozent, bei den Jugendlichen sogar 37 Prozent.
Kritiker des EU-Beitritts warnen bereits: Die Union hole sich das nächste Sorgenkind ins Haus.
"Die EU-Mitgliedschaft bedeutet für uns Arbeiter nichts Gutes", sagt Secic. "Es kann nur schlimmer werden, vor allem für die Textilindustrie." Diese wird künftig nicht nur mit Billigproduktionen aus China konkurrieren müssen, sondern auch mit denen aus anderen EU-Staaten. Secics Arbeitgeber war einst einer der größten Textilfabrikanten auf dem Balkan, als Folge einer missglückten Privatisierung hat er im vergangenen Jahr Insolvenz anmelden müssen und befindet sich derzeit in der Abwicklung. Das Schicksal teilen eine Reihe ehemals staatlicher Unternehmen: Um den EU-Standards zu entsprechen, wurden sie privatisiert, was für viele das Ende bedeutete.
Seit nunmehr fünf Jahren steckt die kroatische Wirtschaft in der Rezession. Der Wert der Währung ist gesunken, die Arbeitslosenquote liegt inzwischen bei 20 Prozent. Viele Kroaten konnten ihren Lebensstandard nicht aufrechterhalten und haben Angst vor der Zukunft. Dass sich auch viele EU-Staaten in einer wirtschaftlichen Krise befinden, verstärkt die Unruhe. "Kroatien tritt der EU zu einem Zeitpunkt bei, an dem es der Union nicht gut geht", sagt der Experte Davor Gjenero. "Dies trägt zum mangelnden Optimismus bei."
Rund 60 Prozent der kroatischen Exporte gehen in EU-Länder. Der Preisverfall im Zusammenhang mit der Finanzkrise hat zur Rezession beigetragen. Nach dem EU-Beitritt werden die Zölle für Ausfuhren in Nicht-EU-Länder steigen. Das ist ein Problem vor allem für die Unternehmen, die in benachbarte Balkanländer exportieren. Einige haben einen Teil ihrer Produktion – und damit auch Arbeitsplätze – bereits nach Serbien oder Bosnien ausgelagert, um Kosten zu sparen.
Eine Hilfe können sicher die 13 Milliarden Euro sein, die die EU schon für die Förderung Kroatiens im Haushaltsrahmen für die kommenden sieben Jahre reserviert hat: allein zehn Milliarden aus Struktur- und Regionalfördermitteln, an Agrarsubventionen und Sondertöpfen, mit denen das Land halbwegs sicher rechnen kann. Nur: Die Mittel müssen auch abgerufen werden, und dazu braucht es neben einem bis auf regionale und lokale Ebene guten Umgang mit den Brüsseler Förderregeln – und ein Geschäftsmodell.
Als größtes Problem der kroatischen Wirtschaft gilt die Korruption. Transparency International, das sich dem Kampf gegen Bestechlichkeit widmet, stufte das Land in ihrem Korruptionsindex 2012 hinter Ruanda, Jordanien und Kuba ein. Der frühere kroatische Ministerpräsident Ivo Sanader beispielsweise, der bei den EU-Beitrittsverhandlungen eine wichtige Rolle spielte, sitzt im Gefängnis, weil er sich von ausländischen Unternehmen mit einem mehrstelligen Millionenbetrag hatte bestechen lassen.
"Die Korruption hat alle Teile unserer Gesellschaft erreicht", sagt Neven Luketa, ein Investmentberater auf der Halbinsel Istrien. Erschwerend komme hinzu, dass die bürokratischen Hürden für ausländische Investoren in Kroatien sehr hoch seien. Luketa hofft jedoch, dass die EU-Mitgliedschaft daran etwas ändern wird.
Auch andere Europa-Befürworter erwarten, dass der Beitritt ausländische Investoren anzieht oder dass Kroaten bessere Möglichkeiten haben werden, Arbeitsplätze im europäischen Ausland zu finden. Allerdings sind selbst EU-Funktionäre davon überzeugt, dass das Land nur langfristig von der Mitgliedschaft in der EU profitieren wird. "Wir erwarten keine dramatischen Veränderungen über Nacht", sagt EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle. "Kroatien wird am 1. Juli kein anderes Land sein als am 30. Juni."
Für die EU gehe es bei der Aufnahme zunächst einmal darum, politische Stabilität in einer Region zu erreichen, in der es vor nicht allzu langer Zeit große Konflikte gegeben habe, sagt Füle in Anspielung auf die Balkankriege in den 90er-Jahren. Außerdem vergrößere sich der europäische Binnenmarkt, was Vorteile für Unternehmer und Verbraucher bedeute. "Kurzfristig wird es keine größeren Veränderungen geben", erklärt auch der Gouverneur der kroatischen Nationalbank, Boris Vujcic. "Aber in drei bis fünf Jahren wird Kroatien die Vorteile der EU-Mitgliedschaft spüren."
Auch wenn sich Menschen wie Kata Secic nicht sonderlich dafür interessieren – im kroatischen Staatsfernsehen und an vielen anderen Orten im Land tickt trotzdem die Countdown-Uhr, die die verbleibende Zeit bis zum EU-Beitritt Kroatiens und zur großen Staatsfeier anzeigt. Die Feier wird seit Wochen vorbereitet. Umso mehr bedauern die Medien nun die Absage von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Während die Zeitungen und Politiker von einer "Ohrfeige" für das Land sprachen, hatte die Kanzlerin ihrem kroatischen Amtskollegen Zoran Milanovic in Brüssel versichert, ausschließlich Termin Engpässe seien dafür verantwortlich.
Zwar veröffentlichten kroatische Zeitungen einen Terminkalender Merkels, in dem es für Sonntag keine Einträge gibt. Doch starten die Feiern erst am späten Abend und dauern bis nach Mitternacht, sodass Merkels Montags Termine teilweise geplatzt wären.
Womöglich lernt die deutsche Bundeskanzlerin also die kroatischen EU-Politiker erst in Brüssel und Straßburg kennen. Dort reden künftig zwölf kroatische Europaabgeordnete mit. Und auch auf sie wartet keine leichte Aufgabe: Die Beteiligung an den Wahlen in Kroatien für die Europa-Kandidaten war jedenfalls gering.
Darko Bandic und Dusan Stojanovic,Hamburger Abendblatt
Es wäre schön wenn man bei dem Thema bleiben könnte,wer seine Antipathie gegen Amerika ausdrücken möchte,sollte es in einem neuen Thread tun.