Fakt ist: Die verfeindeten Gruppen aus Split und Zagreb zum Beispiel eint aus unterschiedlichen Gründen der Hass auf die Spitze des kroatischen Fußballverbandes, die sie zu Fall bringen wollen. Die Ultras aus Split, die wiederum eine Art "Freundschaft" mit den Ultras aus Saint-Étienne, pflegen, glauben, dass die Vorherrschaft von Serienmeister Dinamo erkauft und auf dem Rücken ihres Klubs zementiert wurde. Der ehemalige kroatische Nationaltrainer und jetzige Coach von West Ham United, Slaven Bilic, erklärte als Experte des englischen TV-Senders ITV nach den Vorfällen am Freitag: "Es ist ein Konflikt Norden gegen Süden, zwischen Dinamo und Hajduk, ohne ins Detail gehen zu wollen. Diejenigen, die das tun, sind auf einer Art Mission." Bilic ist in Split geboren. Die BBB aus Zagreb boykottieren seit Jahren die Heimspiele ihres Klubs Dinamo, weil sie dem langjährigen Präsidenten Zdravko Mamic und seinem Clan vorwerfen, sich durch Spielertransfers zu bereichern und den Klub auszubeuten.
Verbandsboss Davor Suker gilt nicht nur diesen Ultragruppen als Marionette von Zdravko Mamic. Mamic ist Vize-Präsident im Fußballverband, er steht unter Anklage, in der Vergangenheit mindestens 15,5 Millionen Euro bei Transfers von Dinamo-Profis ins Ausland an der Steuer vorbei gelenkt zu haben. Auch Verbandssekretär Damir Vrbanovic steht in diesem Verfahren unter Verdacht, er war viele Jahre mit Mamic bei Dinamo tätig. Beide streiten die Vorwürfe ab. Der übel beleumundete Mamic ist zwar von seinen Ämtern bei Dinamo zurückgetreten, gilt aber noch immer als mächtigster Strippenzieher. Vor ein paar Wochen ist er aus der Untersuchungshaft entlassen worden.
Trainer Cacic, der in der Endphase der Qualifikation Niko Kovac abgelöst hatte, wiederum ist ein Mann ohne Meriten, aber mit Dinamo-Vergangenheit. In Kroatien heißt es, er sei der Trainer von Mamics Gnaden. Am Freitag saßen Mamic und Vrbanovic neben Suker im Stadion von Saint-Étienne.
Suker und Mamic machten noch am Freitag die kroatische Politik für die Zustände verantwortlich. Man werde seit Jahren mit dem Problem alleine gelassen, jammerte Suker. Erst vor zwei Tagen ist die Regierung in Kroatien abgewählt worden. Das Dilemma im Fußball ist: Die Gräben wirken unüberbrückbar. Der Vereinsfußball im Land findet wegen der bizarren Verhältnisse schon fast ohne Zuschauer statt. "Familien und Kinder trauen sich nicht mehr ins Stadion", klagt Bilic, der nach dem Debakel in Saint-Étienne fürchte: "Ich denke, das war nicht das letzte Mal, dass so etwas passiert ist."
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