Reformen in Bosnien chancenlos

claus-juergen

Globaler Moderator
Mitarbeiter
Registriert seit
8. Apr. 2008
Beiträge
20.153
Punkte
113
Ort
Landkreis Augsburg und Liznjan/Istrien
wie die augsburger allgemeine berichtet, ist anscheinend keine lösung im dauerstreit zwischen den volksgruppen in bosnien-herzegowina in sicht.

Reformen in Bosnien chancenlos
11.10.2009 12:40 Uhr

Belgrad (AZ) - Die von der Europäischen Union (EU) und den USA in Bosnien-Herzegowina angestrebten Reformen zum Ende der Selbstblockade sind chancenlos. Das machte der Regierungschef des serbischen Landesteils, Milorad Dodik, nach übereinstimmenden Zeitungsberichten in Belgrad deutlich.


DPA
«Wir sind nicht interessiert an Verfassungsänderungen», schmetterte Dodik die Bemühungen Brüssels und Washingtons ab. Den Spitzenpolitikern des Landes war am Freitag eine Frist bis zum 20. Oktober gesetzt worden, sich über die Änderung der Verfassung zu einigen.

Mit diesen Reformen soll das seit dem Bürgerkrieg (1992-1995) unregierbare Land wieder fit gemacht werden. Dafür sollen die beiden Landesteile, die von den Serben einerseits und den Muslimen und Kroaten auf der anderen Seite regiert werden, Macht an die Bundesebene abgeben. Das kommt nach Darstellung von Dodik für die Serben nicht in Frage.

Er glaube nicht an den Bestand des Staates, sagte Dodik nach diesen Berichten weiter. Bosnien werde nur durch die internationale Hilfe am Leben erhalten: «Bosnien-Herzegowina hat sich als unhaltbares Land gezeigt». Ein Krisentreffen hoher US-Diplomaten sowie des schwedischen Außenministers Carl Bildt und des EU- Erweiterungskommissars Olli Rehn mit allen Spitzenpolitikern des Landes war am Freitag in Sarajevo gescheitert.

Die Hälfte der gut vier Millionen Einwohner wird von den Muslimen gestellt, die einen einheitlichen Staat errichten wollen. Ein Drittel machen die Serben aus, die die Hälfte des Landes kontrollieren und mit ihrer Abspaltung und Angliederung an die «Mutterrepublik» Serbien drohen. 15 Prozent stellen die Kroaten, die sich ebenfalls an ihr «Heimatland» Kroatien anschließen wollen.

grüsse

jürgen
 
F

Frank1

Guest
AW: Reformen in Bosnien chancenlos

Endlich mal wieder ein bißchen sachliche Politik hier im Forum:D
Danke erstmal dafür, Jürgen.

Ja ich bin auch sehr gespannt, wie es mit diesem Staat weitergeht.
Habe einen guten Kumpel aus Bosnien, der hier arbeitet-den wollte ich eh mal wieder anrufen und ihn fragen wie es ihm geht. Der Mann erzählt immer recht viel interessantes.
Momentan ist er bestimmt im Fußballfieber und ist sehr gespannt, gegen wen sein Land in der WM-Quali-Relegation antreten muß. Sollte ihnen tatsächlich die WM-Teilnahme gelingen, hätte das Land die Möglichkeit, sich auf einer internationalen Bühne zu präsentieren. Und vielleicht wird dadurch doch noch ein gewisser Zusammenhalt der einzelnen Volksgruppen geschaffen. Der Sport hat solche Dinge schon geschafft.

LG Frank
 

claus-juergen

Globaler Moderator
Mitarbeiter
Registriert seit
8. Apr. 2008
Beiträge
20.153
Punkte
113
Ort
Landkreis Augsburg und Liznjan/Istrien
AW: Reformen in Bosnien chancenlos

hallo frank,

ich bin skeptisch, was die zukunft dieses landes anbelangt. ich kenne eine frau, die stammt aus dem serbischen teil von bih. sie lebt und arbeitet in istrien. deren "arme verwandtschaft", eine familie mit kindern kommt seit jahren mehrere male im jahr mit dem bus, pkw besitzt die familie keinen, nach istrien auf besuch.

dieser aufenthalt dient nicht der erholung sondern im gegenteil dem broterwerb. vor allem der ehemann nützt die zeit für gelegenheitsjobs auf dem bau und verdient dabei natürlich wesentlich weniger als ein kroate.

meines wissens lebt die familie von einer geringen rente der großmutter in bih und versucht einfach, sich durchzuwursteln. feste jobs gibt es scheinbar im serbischen teil von bih kaum. hinzu kommt die unvorstellbare korruption.

nachdem dies schon seit jahren so geht, bin ich skeptisch, was die zukunft dieses landes anbelangt. vielleicht wäre es doch besser, man würde diesen staat auflösen. ich hoffe, mit dieser meinung eines aussenstehenden nicht irgendwelche gefühle von jemand verletzt zu haben, aber knapp 15 jahre nach dem abkommen von dayton sehe ich ausser einer florierenden stadt sarajevo und einer wieder aufgebauten brücke in mostar keine fortschritte in diesem land.

grüsse

jürgen
 
E

ELMA

Guest
AW: Reformen in Bosnien chancenlos

Hallo Jürgen, hallo Frank!

Ich teile Eure Einschätzung -
Zum ersten Mal habe ich in diesem Jahr eine längere Reise durch Ostbosnien ( Republik Sprska )und die Föderation ( Sarajewo, Mostar) gemacht.( Ich habe ja hier teilweise darüber berichtet
http://www.adriaforum.com/kroatien/bosnien-der-bruecke-ueber-die-drina-visegrad-t59221/

Noch nie hatte ich auf einer Reise so zwiespältige Eindrücke.

Wir haben wunderbare Menschen kennengelernt- ( z.B. eine Familie, wo der Vater als "Gastarbeiter" (!) in Montenegro (!) arbeitet um über Runden zu kommen ( Arbeitslosigkeit in der Region Visegrad 40%)
Gastfreundschaft in Bosnien - Forum Schoener-Reisen - Sehen, erleben und berichten
Aber wir haben immer wieder Signale erkannt, die darauf hinweisen, dass die gegenseitigen Provokationen nicht aufhören, sondern sogar zunehmen.

Vor allem bei meinem Besuch von Mostar war dieses Gefühl besonders zwiespältig - wenn man von den Hauptattraktionen ( Brücke, Kujundžiluk) etwas weggeht und die Nebenstraßen betritt, dann kann man vieles erkennen, was nachenklich stimmt.
Ein Beispiel: Allem voran dieses überdimensionale weiße Kreuz auf dem Berg auf der westlichen Seite der Neretva, das weithin sichtbar ist. Es steht anscheinend dort, von wo die Stadt 1993 beschossen wurde.
Warum steht es dort so riesengroß?

Dann an den Straßenrändern: Straßenschilder in kyrillischer und lateinischer Schrift ( In Ostbosnien sind sie nur kyrillisch, obwohl die lateinische Schrift in Restaurants, Werbeplakaten durchaus üblich ist ) - in der Herzegowina ist die kyrillische Schrift konsequent auf nahezu allen Schildern am Straßenrand mit Farbe übersprüht... nur Lausbubensteiche? Ich glaube nicht.

Ich denke, es sind kleine Nadelstiche, Provokationen, die ganz deutlich darauf hinweisen, was Du, Jürgen, wohl auch so skeptisch siehst: wird es je gelingen, aus diesem Land, das eher einem Puzzle gleicht, einen einzigen , handlungsfähigen Staat mit einer eigenen Identität zu machen ?

Es ist so ein schönes Land- und es gibt dort so wunderbare Menschen... ich würde ihnen ein Leben in Frieden und Wohlstand wünschen.

Gruß,
ELMA
 
W

wolli.k

Guest
AW: Reformen in Bosnien chancenlos

Hallo,

die Beiträge von Jürgen und ELMA zeigen einmal mehr, dass es nur in den wenigsten Fällen sinnvoll ist regionale Konflikte durch Eingriffe von außen zu lösen. Militärische Einsätze sind dazu das bei weitem ungeeignetste Mittel.

Zitat von ELMA:
"Dann an den Straßenrändern: Straßenschilder in kyrillischer und lateinischer Schrift ( In Ostbosnien sind sie nur kyrillisch, obwohl die lateinische Schrift in Restaurants, Werbeplakaten durchaus üblich ist ) - in der Herzegowina ist die kyrillische Schrift konsequent auf nahezu allen Schildern am Straßenrand mit Farbe übersprüht... nur Lausbubensteiche? Ich glaube nicht."

Schon in Belgien kann man ähnliche Stichelein zwischen Flamen und Wallonen beobachten. Auch da werden Straßenschilder übersprüht.

Dass da solche Dinge dann in Ex-Jugoslawien passieren, verwundert mich nicht.

Zitat von ELMA:
"Es ist so ein schönes Land- und es gibt dort so wunderbare Menschen... ich würde ihnen ein Leben in Frieden und Wohlstand wünschen."

Wunderbare Menschen gibt es überall. Leider gibt es aber auch Menschen, die zum Erhalt ihrer Weltvormachtstellung andere nicht in Frieden leben lassen.
Einen sehr schönen, traurigen und nachdenkenswerten Bericht über eine andere Ecke der Welt findet man hier:
Manal kämpft und träumt - mz-web.de

Ich denke schon, dass es da Parallelen gibt.
Es ist halt immer das Gleiche.

L.G.
Wolli
 
F

Frank1

Guest
AW: Reformen in Bosnien chancenlos

Lieber Wolli,

ich sehe hier schon Unterschiede.
In Bosnien haben sich Volksgruppen gegenseitig bekämpft und UN-Truppen haben sich dazwischengestellt. Punktuell, wie in Srebrenica haben sie total versagt, aber seit dem Abkommen von Dayton herrscht zumindest Frieden im Land und es fallen keine Schüsse.
Im Irak dagegen hat ein nicht von der UN unterstützter Militäreinsatz der USA mit ein paar Verbündeten einen Diktator aus dem Amt getrieben und im Endeffekt ein noch größeres Chaos im Land hinterlassen und von Frieden kann schon gar nicht die Rede sein.
Grundsätzlich würde ich die Option Militäreinsatz immer nur als allerletztes ziehen. Und sie sollte schon sehr wohl bedacht sein (anders als im Fall Irak). Aber völlig ausschließen sollte man sie auch nicht. Die Welt ist nun mal so, daß es ohne Druck und Gewalt manchmal nicht geht.
Man denke nur daran, daß die Alliierten im 2.Weltkrieg schon in Deutschland einmarschieren mußten, um Hitler bzw. seine Nachfolger zur Kapitulation zu zwingen.
Und dem Despoten Milosevic konnte man seine Eroberungspläne leider auch nicht mit Worten ausreden, um wieder auf Ex-Jugoslawien zurückzukommen.
Wie es jetzt mit Bosnien-Herzegowina weitergeht, ist nun die Frage, die hier im strang diskutiert wird.
Letzten Sonntag kam auf National Geografic (digitaler Fernsehkanal) ein Bericht eines Franzosen der heuer durch Bosnien und auch im Kosovo herumgefahren ist.
Ich denke wir wissen vieles gar nicht, worum es in Bosnien so geht. Es war in dem Bericht die Rede von Erdölvorkommen, von denen ich vorher noch nie etwas gehört habe.
Es war auch die Rede davon daß die serbischen Eroberungstruppen keine geografischen sondern geologische Karten dabei hatten und sehr wohl darauf bedacht waren, möglichst viel Terrain mit Feldern mit Erdölfunden zu erobern.
Da ist noch vieles im Dunkeln.
Aber immerhin kann man sichs anschaun und hinfahren. Soviel ich weiß, reicht der Personalausweis seit kurzem völlig aus.

LG Frank
 

HÜGünni

Mitglied
Registriert seit
30. Juli 2008
Beiträge
54
Punkte
8
AW: Reformen in Bosnien chancenlos

Hallo liebe ELMA!
Zur Ergänzung Deiner Erfahrungen kann ich dir die Reisebeschreibung "Die Stille ist ein Geräusch" von Juli Zeh empfehlen - falls Du das Buch nicht schon kennst, was ich fast glaube.
Ich wünsche Dir einen ljeb dan
HÜGünni
 
E

ELMA

Guest
AW: Reformen in Bosnien chancenlos

Hallo liebe ELMA!
Zur Ergänzung Deiner Erfahrungen kann ich dir die Reisebeschreibung "Die Stille ist ein Geräusch" von Juli Zeh empfehlen - falls Du das Buch nicht schon kennst, was ich fast glaube.
Ich wünsche Dir einen ljeb dan
HÜGünni

Danke, dass Du mich wieder an dieses Buch erinnerst!
Ich denke, das ist die Art der Begegnung mit einem Land, so wie sie mir auch liegt.
Ich werde das Buch sofort bestellen.

Ich habe mir nochmals "Die Brücke über die Drina" von Ivo Andric vorgenommen und lese das Buch jetzt ganz anders als vor meiner Reise.
Wer versuchen will, die Hintergründe des Lebens im Bosniens zu erfassen, der muss das Buch lesen.

Gruß,
ELMA
 
M

Marius

Guest
AW: Reformen in Bosnien chancenlos

die Beiträge von Jürgen und ELMA zeigen einmal mehr, dass es nur in den wenigsten Fällen sinnvoll ist regionale Konflikte durch Eingriffe von außen zu lösen. Militärische Einsätze sind dazu das bei weitem ungeeignetste Mittel.

Lieber Wolli,
das nehme ich dir jetzt ein bisschen übel, dass du zwei sehr treffende und einfühlsame Betrachtungen über Bosnien, nämlich von Jürgen und Elma, einfach so missbrauchst um zu diesem haarsträubenden Schluss zu kommen, der vor Ahnungslosigkeit nur so strotzt. Regionale Konflikte sollen also so lange geführt werden bis einer gewinnt oder alle tot sind, oder was willst du damit sagen? Ja, klar, man hätte noch jahrelang weiterverhandeln können (so wie man es anfangs auch viel zu lange versuchte), bis die Serben ihre Ziele erreicht und alle vor vollendete Tatsachen gestellt hätten. Dummerweise wären dabei noch sehr viel Menschen mehr gestorben. Genau das war nämlich die Alternative. Ich werfe der Weltgemeinschaft eher vor, viel zu spät eingegriffen zu haben!

Mein Onkel und der Mann meiner Cousine wurden im Bosnienkrieg erschossen, beide durch einen Kopfschuss von einem Snajper, wie man dort Scharfschützen, die aus weit entfernten, unsichtbaren Stellungen schießen. Immerhin hat es die NATO und dann die UNO geschafft, dass dort keine Menschen mehr getötet werden und keine Massengräber mehr angelegt werden. Wolli, bist du immer noch der Meinung, dass ein militärischer Eingriff "das bei Weiten schlechteste Mittel" ist, oder denkst du, es hätten ruhig noch ein paar meiner Verwandten mehr sterben können?

Merke: Nahezu jedes Mittel ist recht, um einen Krieg zu beenden. Selbstverständlich auch ein Angriff auf den Aggressor.

Aber kommen wir zurück zur heutigen Situation: ich kann aus Uskopje (hieß vor dem Krieg Gornji Vakuf) berichten, dass diese Stadt immer noch in zwei Hälften geteilt ist. Im Norden sind die bosnischen Kroaten, im Süden die bosnischen Moslems. Wenn man nicht muss, geht man nicht in den jeweils anderen Stadtteil. Man hat seine eigenen Läden und seine eigenen Bars. Eine sehr, sehr traurige Angelegenheit ist das und ich sitze kopfschüttelnd vor den Erzählern, wenn ich sie mal bei einer Hochzeit in Zagreb treffe. Man hat sich dort an die Situation gewöhnt, wie es weitergehen soll, weiß eigentlich auch keiner so recht. Die Leute, die dort Geld haben, verdienen es wo anders. Wer dort fix lebt, ist mehr oder weniger im A.....

Meine persönliche Einschätzung ist, dass Bosnien in spätestens 10 Jahren nicht mehr in dieser Form existieren wird. Ich sehe da wirklich schwarz, dunkelschwarz! Schwarzschwarz! Mit Fewa-Color gewaschenes Schwarz!
Ich persönlich finde Bosnien auch nciht schön, mich würde das alles deprimieren, deshalb fahre ich auch schon seit den ersten Wahlen (Anfang der 90-er oder so) nciht mehr hin. Keine 10 Pferde bekommen mich nochmals da hin.
 
M

Marius

Guest
AW: Reformen in Bosnien chancenlos

Mannmannmann, ich kann's immer noch nciht fassen, Zigtausende Tote, Massengräber und Gefangenenlager, und der stellt sich da hin und faselt was von "regionalem Konflikt"

kopfschüttelnd ab

Was rede ich von Zigtausenden Toten, schau mal hier und das NUR in Bosnien!
 
M

Marius

Guest
AW: Reformen in Bosnien chancenlos

Kosovo? Wolli, wovon sprichst du???
Hast du nicht mitbekommen, was in den 90-er Jahren in Bosnien geschehen ist?
 
E

ELMA

Guest
AW: Reformen in Bosnien chancenlos

Meine persönliche Einschätzung ist, dass Bosnien in spätestens 10 Jahren nicht mehr in dieser Form existieren wird.

Es ist zwar nicht meine Einschätzung, sondern eher ein Gefühl, nach allem , was ich gesehen habe und auch jetzt lese über die Akzeptanz von Beschlüssen ( Dayton, z.B. Thema Brcko oder die Kompetenzen der Parlamente auf den verschiedenen Ebenen) - aber ich sehe das genauso wie Du.

Ich persönlich finde Bosnien auch nciht schön,
Bosnien ist schön!! Du persönlich findest das nicht- ok ( vielleicht hast Du es auch anders gemeint) - aber ich habe sehr schöne Landschaften gesehen- auch Sarajevo ist eine schöne Stadt)

mich würde das alles deprimieren, deshalb fahre ich auch schon seit den ersten Wahlen (Anfang der 90-er oder so) nciht mehr hin. Keine 10 Pferde bekommen mich nochmals da hin.

Ich finde es sehr wichtig, dass Touristen/ Fremde sich für Bosnien interessieren und dorthin reisen. Man muss versuchen, dort möglichst viele verschiedene Menschen zu treffen - bei uns waren es persönliche Kontakte zu einer serbischen Familie in Visegrad ( Hab darüber berichtet , s. Link oben) und zu einem bosniakischen ( moslemischen ) Professor der Uni Sarajevo.
( Mit bosnischen Kroaten haben wir nicht gesprochen)
Sie alle wollen nur eines : Frieden, miteinander auskommen und Verbesserung ihrer wirtschaflichen Lage.
Und ich behaupte, das ist die Mehrzahl der Bevölkerung.

Aber kommen wir zurück zur heutigen Situation: ich kann aus Uskopje (hieß vor dem Krieg Gornji Vakuf) berichten, dass diese Stadt immer noch in zwei Hälften geteilt ist. Im Norden sind die bosnischen Kroaten, im Süden die bosnischen Moslems. Wenn man nicht muss, geht man nicht in den jeweils anderen Stadtteil. Man hat seine eigenen Läden und seine eigenen Bars.
Lies mal das Buch von Ivo Andric "Die Brücke über die Drina" - Zwar "nur " ein Roman - aber Du wirst das genau so beschrieben finden vor 200, 300 Jahren...da lebten in Visegrad die Moslem für sich, die Christen....jeder in seinem eigenen sozialen Umfeld. Machmal respektierten sie sich, manchmal gingen sie sich gegenseitig an den Kragen..

Mein Bild von Bosnien hat sich durch meine Reise stark verändert ( ich habe allerdings auch nicht jene schweren familiären Schicksale erlebt wie Du) - mein Interesse für alles, was ich von dort erfahre, ist stark gestiegen und ich traue mir jetzt zu, die Berichterstattung ( egal von welcher Seite) zunächst mal sketisch zu betrachten.

Ich sehe jetzt, wie einseitig teilweise Reiseführer ( aber auch ein Bildband, den ich in Bosnien gekauft habe) die Lage ( und die Geschichte) beschreiben und ich erinnere mich, wie wir während der Kriegsjahre von den Medien doch sehr tendenziös "informiert" wurden.

Bei aller Sympathie für das Land Bosnien: Verstehen tue ich das alles immer noch nicht.
Und welche Lösung es geben könnte? Ich weiß es nicht.

ELMA
 
W

wolli.k

Guest
AW: Reformen in Bosnien chancenlos

Hallo Marius,
hab Dir eine PN geschrieben.
Gruß
Wolli
 
M

Marius

Guest
AW: Reformen in Bosnien chancenlos

Elma, ich verstehe es genauso wenig.
Als Atheist habe ich grundsätzlich sehr wenig Verständnis für Menschen, die zwar selbst (!) gläubig sind oder es immerzu behaupten, und trotzdem oder wahrscheinlich gerade deshalb Andersgläubige gering achten. So etwas geht in einen Atheistenkopf nicht rein.

Das Ganze ist so traurig, dass es weh tut. Das ist so tief in mir drinnen, dass ich Menschen, die andere Menschen aufgrund ihrer Andersartigkeit hassen, verachte. Ich erkenne Xenophobe mittlerweile kilometerweit gegen den Wind, ich kenne sie, ich weiß, wie sie denken und wie sie argumentieren. Auswendig. Bosnien ist voll von solchen Menschen. Zu einem gastfreundlichen Serben oder Kroaten könnte man ja mal einen moslemischen Freund mitnehmen, da würde einem einiges klar. Oder vice versa.
Natürlich wollen die alle in Frieden leben, aber daran knüpfen die allermeisten schon ihre Bedingungen. Das ist auch in Teilen von Kroatien immer noch so, in Serbien natürlich auch.
Vielleicht gefällt mir deshalb nicht einmal das Land Bosnien an sich. Und vielleicht fahre ich alleine deshalb nciht mehr hin. Das kann schon sein.

Dass du einseitige Berichte immer auch skeptisch betrachtest ehrt dich, ein gesunder Skeptizismus ist aber m. E. ohnehin in allen Lebenslagen angebracht, und zwar ganz besonders, wenn es um Glaubensfragen, Esotherik und ähnliche Weltbilder geht. Und Bosnien ist voll von Gläubigen, alle glauben an ihren Gott und würden dem anderen am liebsten den Schädel einschlagen. :-(
 
F

Franto

Guest
AW: Reformen in Bosnien chancenlos

Lieber Wolli,

Letzten Sonntag kam auf National Geografic (digitaler Fernsehkanal) ein Bericht eines Franzosen der heuer durch Bosnien und auch im Kosovo herumgefahren ist.
Ich denke wir wissen vieles gar nicht, worum es in Bosnien so geht. Es war in dem Bericht die Rede von Erdölvorkommen, von denen ich vorher noch nie etwas gehört habe.
Es war auch die Rede davon daß die serbischen Eroberungstruppen keine geografischen sondern geologische Karten dabei hatten und sehr wohl darauf bedacht waren, möglichst viel Terrain mit Feldern mit Erdölfunden zu erobern.
LG Frank
Wenn das tatsächlich National Geographic verzapft hat, das mit den "Erdölfeldern" um die es bei dem Bürgerkrieg in BiH gegangen sein sollte, ist das ein aufgelegter Blödsinn! Bisher kannte ich diesen Unsinn nur von irgend welchen balkanesischen Verschwörungsphantasten u.A. in serbischen Emigrantenkreisen in den USA; Ähnliches wurde auch betreffend Albanien schon einmal phantasiert. Bosnien hat eine ganz brauchbare Kohle und einige NE-Erze - aber das war's schon.
Beim jugoslawischen Zerfallskrieg ging es grundsätzlich darum, dass eben der von den "Masters of Versailles" zusammen mit den Groß-Serben zusammen geschusterte Homunkulus "Jugoslawien" aus dem Zerfall Ö-U als "Bollwerk" gegen eine deutsche Expansion nach Südosteuropa (das ewige Trauma von Downing Street und dem Quai d' Orsay schon vor dem WK I) nach dem Wegfall von Titos eiserner Faust einer kommunistischen Gewaltherrschaft und einem wirtschaftlichen Kollaps auseinander strebte und zusammen brach.
Die Brutalität des Krieges entsprach durchaus dem, was man zynisch als der landesüblichen Folklore entsprechend, qualifizieren kann.
 
W

wolli.k

Guest
AW: Reformen in Bosnien chancenlos

Hallo Marius,

Deine persönliche Erfahrung war mir bis jetzt nicht bekannt und ist natürlich bedauerlich.
Ich werde Deine Zeilen zum Anlass nehmen und mich in nächster Zeit noch einmal intnsiv mit der Gesamtproblematik beschäftigen.
Ich lerne gern dazu.

Deinen Beitrag von Seite 1 habe ich zu spät gesehen und obige Zeilen sind die eigentliche Antwort darauf.

L.G.
Wolli
 
M

Marius

Guest
AW: Reformen in Bosnien chancenlos

Wolli, es geht ja nicht um meine persönliche Erfahrung, die ist meine Sache,
es ging nur darum, dass du vollkommen neben dem Thema warst (Kosovo 1999 - tztztz).

Danke aber, dass du dich jetzt nochmals informieren möchtest. :)
 
Top Bottom