Wahlen in Kroatien und Slowenien -Zwei Länder, zwei Machtwechsel?

Christl

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Wahlkrimi bei zwei europäischen Nachbarn: In Kroatien stehen die regierenden Konservativen wohl vor der Ablösung, vor allem wegen der Korruptionsaffäre vom Ex-Premier Sanader. Nebenan in Slowenien wird dem konservativen Ex-Premier Janza ein Comeback zugetraut.

Von Andreas Meyer-Feist, ARD-Hörfunkstudio Südosteuropa, zzt. Ljubljana

Wahlplakat mit Kroatiens konservativer Regierungschefin Jadranka Kosor (Foto: dapd) Großansicht des Bildes Jadranka Kosor leidet unter dem ruinierten Ruf ihrer Partei, ... Nur eines scheint die inzwischen recht unterschiedlichen Nachbarn Kroatien und Slowenien zu einen: Die "Wahlkampfruhe" 24 Stunden vor Öffnung der Wahllokale in beiden Ländern. In dieser Zeit durften weder die Zeitungen über die Äußerungen der Kandidaten und ihre Programme informieren noch war für die Politiker ein "Stimmenfang bis zur letzten Minute" möglich. Der Tag vor der Wahl war innenpolitisch praktisch ein politikfreier Tag.

Natürlich haben die Zeitungen Schlupflöcher gefunden: So berichtete die slowenische Presse ausführlich über den harten Kampf der Spitzenkandidaten in Kroatien - und umgekehrt. Der Blick über die Grenze ist natürlich erlaubt.

Im Internet wird weitergekämpft

Die amtlich verordnete "Wahlkampf-Ruhe" ist inzwischen höchst umstritten: Das Internet lässt sich so leicht nicht kontrollieren. Hier tobte der Schlagabtausch vor der Wahl vor allem in Kroatien ganz ungezwungen und inoffiziell.

Ivo Sanader (Archiv) (Foto: dpa) Großansicht des Bildes Ex-Ministerpräsident Sanader sitzt wegen Korruptionsvorwürfen in U-Haft. Hacker stellten Videos der kroatischen Staatsanwaltschaft ins Netz: Auf YouTube war zeitweise die Vernehmung des ehemaligen Premierministers und Parteichefs der immer noch regierenden "Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft" HDZ, Ivo Sanader, zu sehen, der wegen schwerer Korruptionsvorwürfe in U-Haft sitzt. Der Prozess hat bereits begonnen. Inzwischen ist das Video wieder verschwunden. Wie es ins Netz kam, ist unklar.

Auf jeden Fall schadet die Hacker-Aktion der Sanader-Nachfolgerin Jadranka Kosor. Sie hatte zwar dafür gesorgt, dass gegen ihn Anklage erhoben wird. Doch ihr Image als Sauberfrau reicht anscheinend doch nicht aus, um den angeschlagenen Ruf der HDZ zu retten, glaubt man den Vorwahl-Umfragen: Einem Parteienbündnis unter Führung der Sozialdemokraten mit dem Spitzenkandidaten Zoran Milanovic werden beste Chancen prognostiziert, Kosor abzulösen und sogar eine absolute Stimmenmehrheit im Parlament zu erreichen.
Profitiert Kosor vom möglichen EU-Beitritt?

Überraschungen sind aber nicht ganz ausgeschlossen: Noch hofft eine knappe Mehrheit der Kroaten trotz EU-Krise auf den geplanten EU-Beitritt am 1. Juli 2013 und verspricht sich davon große Vorteile. Kosor hatte Kroatien mit seinen rund 4,3 Milionen Einwohnern nicht zuletzt durch ein hartes Reform- und Anti-Korruptionsprogramm erfolgreich auf EU-Linie gebracht. Ihr unerschrockener Modernisierungskurs gegen manche Widerstände auch in der eigenen Partei könnte sie am Ende besser abschneiden lassen als von ihren Anhängern befürchtet - und von ihrem Widersacher erhofft.

Zoran Milanovic (Foto: dpa) Großansicht des Bildes Oppositionskandidat Milanovic "Die Roten kommen - Gott steh' uns bei!" titelte Kroatiens größte Tageszeitung "Vecernji list". Am Ende könnte der "rote" Kosor-Herausforderer Milanovic an den Stimmen der Katholiken im tiefgläubigen Kroatien wenn nicht scheitern, so doch zu Knabbern haben. Bisher hatte die einflussreiche katholische Kirche zu den "Gottlosen" Distanz gehalten: In der Spitze der kroatischen Sozialdemokraten sind vor allem erklärte Atheisten und Agnostiker vertreten. Das großzügige Zugeständnis der Kirche, die "Roten" seien trotzdem wählbar, hat an dieser Distanz nur wenig geändert.
Audio: Wahlen in Kroatien und Slowenien: Machtwechsel werden erwartet
AudioAndreas Meyer-Feist, ARD-Hörfunkstudio Wien 03.12.2011 17:19 | 2'40

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In Slowenien müssen die "Roten" um die Macht bangen

Ganz anders sieht es im noch kleineren Nachbarland Slowenien mit seinen 2,1 Millionen Einwohnern aus: Hier sind die "Roten" noch an der Macht, müssen aber eine herbe Niederlage zu Gunsten der Demokratischen Partei SDS von Janez Jansa befürchten. Jansa gilt als erfahrener, konservativer Regierungsprofi, der zuletzt von 2004 bis 2008 an der Macht war. Zwar ist er durch eine Korruptionsaffäre belastet, und seine Kritiker warnen vor einem eklatanten Rechtsruck hin zu einem schwärmerischen Nationalismus nach ungarischem Vorbild.

Doch nach dem Scheitern des Sozialdemokraten Borut Pahor und seiner Mitte-Links-Koalition am Streit um Sparprogramme halten ihn viele Slowenen für das kleinere Übel. "Wenn Jansa hier absolute Mehrheiten gewinnt, wird er hier regieren wie Victor Orban in Ungarn", warnt Darko Strajn, Philosophieprofessor an der Universität von Ljubljana gegenüber der ARD.
Janez Jansa (Foto: REUTERS) Großansicht des Bildes Janez Jansa regierte Slowenien schon von 2004 bis 2008. Jetzt darf er auf eine erneute Amtszeit hoffen.

Von der politischen Unentschlossenheit im Land könnten Zoran Jankovic, der Bürgermeister von Ljubljana, und der Janas-Weggefährte Gregor Virant profitieren, die mit eigenen Listen antreten. Wie am Ende eine Regierung - und vor allem mit welchen Parteien - aussehen wird, erscheint in Slowenien noch unwägbarer als in Kroatien, wo sich relativ klare Fronten und Alternativen abzeichnen. Stabile Machtverhältnisse sind aber in beiden Ländern notwendig, um die Staatshaushalte zu sanieren. Für Kroatien ist das genauso wichtig wie für das EU- und Eurozonen-Mitglied Slowenien.
Wer auch immer gewinnt - Renten und Banken sind ein Problem

In beiden Ländern zögerte man bisher noch bei der Heraufsetzung des vergleichsweise niedrigen Renteneintrittalters zumindest auf 65 Jahre. Die Renten sind aber zu einer enormen Belastung für die Staatskassen geworden. Egal, wer in Kroatien und Slowenien regieren wird: Statt neuer Wohltaten wird es wohl Einschnitte im Sozialstaat geben müssen, um zahlungsfähig zu bleiben.

Auch, wenn die Ursache des Übels zumindest in der aktuellen Finanzkrise ganz woanders liegt: "Nicht die Bürger sind überschuldet, sondern die Banken", sagt er ehemalige slowenische Finanzminister und Wirtschaftswissenschaftler Joze Menzinger der ARD. In den guten Zeiten sei zu viel Geld im Ausland geborgt worden, weil zu wenig Sparrücklagen vorhanden waren - das rächt sich jetzt

Quelle: ARD http://www.tagesschau.de/ausland/wahlkroatienslowenien100.html
 
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