Der Hirtenjunge kommt wie in Zeitlupe auf uns zu, Schritt für Schritt, unaufhaltsam, und man schaut in seine großen Augen und schaut ihn an und schaut weg und kann nicht wegschauen und weiß nicht so recht, was tun, und irgendwann schaut man auf seine Füße. Der rechte Schuh ist noch halbwegs vorhanden, der linke nicht, da behilft er sich mit irgendwelchen Lumpen um den Fuß gewickelt, mit Seil verschnürt. Er hütet die Schafe wie so viele hier und springt den ganzen Tag über die Almen, an denen wir heute immer mal verzweifelt sind. Wir sind bei ca. km 30 und haben in dem Glauben, gleich am Ziel zu sein, gerade festgestellt, dass wir völlig falsch sind. Und jetzt noch dieser Junge. Die Überlegung, hier irgendwo das Zelt aufzuschlagen, hat sich endgültig erledigt. Die Atmosphäre gefiel uns sowieso nicht, es ist eindeutig Weidezone, Arbeitszone, harte Arbeit. Und jetzt steht da noch dieser Junge, abgerissener als alle anderen zuvor. Dobre dan, und dann verstehen wir nicht mehr viel, wobei er gar nicht viel fragt, er wundert sich wohl über die Rucksäcke und was wir hier vorhaben. Die Kinder, wir treffen wenige, fragen unbeirrt, was oder wer wir eigentlich sind. Vermutlich. Wir verstehen sie ja leider nicht. Petr war auch so einer, glänzende Augen. Hello kann er schon, eifrig stürmte er voran und zeigte den idealen Zeltplatz, er weiß Bescheid. Flink und behände hüpfen sie über die Hänge, wo wir mit unseren riesigen Rucksäcken eher entlang keuchen.
Wir gehen also doch wieder rauf. Oben sind wir abgebogen, wären wir mal geradeaus weitergegangen. Die Gegend – ohne in der Mongolei gewesen zu sein kommen Mongoleigefühle auf. Passenderweise kommt auch noch einer angeritten, heute haben wir schon öfters die Spezialsättel auf diversen zähen Pferden bewundert.
Jeder Hirte hat seine eigene Methode, den Schafen den Weg zu weisen oder zu signalisieren, wo er ist. Sie singen, rufen, die Lieder hören sich fast unheimlich an zumindest, wenn ein ca. 10-Jähriger so eindringlich-fast klagende Strophen singt, sehr laut, durchdringend, und man versteht nicht, was besungen wird. Sie reden und rufen gegen die Stille an, hier ist nichts los. Wenn sie uns sehen, werden gerne Länder aufgezählt. Russija, Espanol, Serbia – wo kommt ihr her, Germania ist nie dabei. Man freut sich über Russen in den Bergen. An der Küste, Strand, je südlicher man kommt, desto mehr Deutsch wird gesprochen. Die stets unglaublich zuvorkommenden, sympathischen Kellner erinnern sich und holen ihre immer noch guten Deutschkenntnisse wieder raus. Damals, vor dem Krieg oder noch zwei Jahrzehnte davor, war alles voller deutscher Touristen. Die Schilder hängen noch da, Tui-Club. Wer kennt Ulcinj? Es müssen mal viele gewesen sein.
Allgemein ist Montenegro ein einfach zu bereisendes Land. Alle sind freundlich, wir erleben nur eine Ausnahme im unerwarteten Touristenkaff, Virpazar. Freundlich wird gerne mal der völlig überzogene Preis genannt, aber teils erwartet man wohl auch, dass gehandelt wird, und schon kostet es auf einmal fast nur noch die Hälfte. Mir ist das ab und an unangenehm, aber die 10 Euro Touristenpreis für Flughafen – Podgorica Innenstadt mit dem Taxi mach ich auch nicht mit. Kostet eigentlich 5, im Internet 6, rundet man den Fünfer auf bei der Rückfahrt, erntet man ein Lächeln. Man nehme die Taxis mit Tel.nr. 19xxxx, die Fahrer können dann kein Englisch, aber haben einen schwungvollen Fahrstil und immer Musik – die allerdings kommt uns in ganz Montenegro immer sehr gewöhnungsbedürftig vor.
Podgorica ist unser Ausgangspunkt, der Flieger, Fokker, ist zu einem Drittel gefüllt, alles sehr übersichtlich und beschaulich hier nach Landung in der Hauptstadt. Der bestellte Taxifahrer steht nicht da, aber ich bin mir sicher, er wird irgendwo sein. Kaum stehen wir draußen und wimmeln andere Taxifahrer ab, kommt auch schon ein Redline-Taxi. I didn’t find you in the hall. Klar, da war ja auch so viel los. Just in time nennt man das wohl. Erste Lektion während der Fahrt: Man muss gezielt deutlich sagen, was man will, und das am besten dann, wenn man abbiegen muss – nein, wir wollen nicht irgendwie ins Zentrum, wir wollen genau zum Busbahnhof. Dort wissen die Damen am Schalter erstmal nichts und schicken uns raus. Draußen weiß auch keiner was, wir fragen also noch mal die Dame am Schalter. Ich nehme meinen Vokabelzettel und versuche mich an der Frage, wo und wann der Bus nach Veruša geht. Das bricht das Eis, nun wird sich bemüht und wir verlassen den Bhf. mit einer Notiz. Bus von Pejović, draußen um die Ecke morgens um 7 oder 15.45 Uhr. Das klingt nun vertrauenswürdig.
Geplant ist, den CT-1 zu wandern. Die Route ist irgendwie in Vergessenheit geraten. Im Laufe des Urlaubs landen wir für einen halben Tag in Herceg Novi. Dort in der vergleichsweise sortierten Buchhandlung (in Podgorica nur uninteressante Touristenkarten, die Touristen-Info finden wir irgendwie nicht, sie soll am Hauptplatz sein) entdecken wir das montenegrinische Standardwerk für Wanderer, extra ins Deutsche übersetzt und von klugen jugoslawischen Bergfexen verfasst, Zitat aus der Einführung: „Eine allgemeine und wohlwollende Bemerkung: Enthalten Sie sich der marktüblichen Psychose und kaufen Sie keine modischen und anderen Kleinigkeiten, welche das Leben im Gebirge nicht erleichtern werden. Es ist besser, das Geld für die nächsten Bergwanderungen zu behalten.“
Darin steht auch, in den 80ern eingeführt wanderte man den CT-1 einst entlang 22 Stationen ab, hatte ein Stempelbuch, alles hochoffiziell und organisiert und vermutlich eine beliebte Route, klingt wie deutscher Wandertag mit Wandernadel. Inzwischen – ist auch wieder neu markiert, in Teilen, aber dieser Markierungen, die für alle Routen gleich sind (rot und weiß, mal Kringel, mal Strich, gilt alles, aber eben auch für den Abzweig auf den nächsten Kraxelgipfel), führen bei uns doch ab und an zu Verwirrung, Irrwegen und manchmal sind sie dann eben weg. Der Ausgangsplan ist also grob und wir machen ja Urlaub, die Neugierde siegt über den Ehrgeiz, wir wollen bisschen Balkan schnuppern und am Ende haben wir vielleicht die Hälfte gemütlich gemacht. Bis auf den 30-km-Tag, der am Ende wohl 35 km hatte. Das Buch selbst hilft leider auch nicht wirklich, die gemalten Karten sind eher klein und beschrieben ist wenig, letztendlich geht es uns vor allem um die Wasserstellen.
Am nächsten Morgen klappt der Start (am Abend gab es doppelte Forelle – Fisch steht hier mit Kilopreis auf der Karte und vielleicht muss man manchmal sagen, dass einer genügt. Sie schmeckt umwerfend, somit sind auch zwei kein Problem. In Montenegro schwimmen nur glückliche, sportliche Forellen in glasklaren Gewässern, spätere Forellen anderswo sind genauso gut, Meerfische manchmal doch teurer und nicht immer ganz so geschmackvoll, oft aber doch. Das erste Restaurant bleibt unser Lieblingsrestaurant, Pod Volat in Podgorica - und so hässlich, wie man immer liest, finden wir Podgorica nicht, da sind wenigstens mal Einwohner, das Innenstadtquadrat ist ab 17 Uhr autofrei, da ist dann Bücherflohmarkt, es wird flaniert und eine lässige privilegierte Alternativszene scheint es auch zu geben, Festival FIAT).
Pejović fährt vor im Kleinbus mit zerrupften zersessenen Sitzen. Allgemein bewegen wir uns mit dem Bus, da sind alle Modelle dabei vom klimatisierten Mercedes-Kleinbus mit rein deutscher Beschriftung bis zum Jugoslawienmodell von ca. 1980, klimatisiert mittels offener Tür während der Fahrt. Busfahrer sind immer sehr beschäftigt, Handy bedienen, Zigarette anzünden, in die Kurve fahren, mit der Dame in der ersten Reihe schäkern. Multitasking und wenn man die Kippe loswerden möchte, fährt man eben kurz 10 m von der Zapfsäule weg, wo man sie zu Ende geraucht hat. Rauchen tut jeder und überall, einzige Ausnahme: Flughafen, da müssen sie raus und machen das brav. Da fällt einem am Schluss noch mal auf, was Fortschritt ist.
Mir ist das sympathisch, Merksatz für Montenegro: einfach mal die Fünfe gerade sein lassen. Wie überhaupt quasi alle freundlich und hilfsbereit sind und es geht äußerst entspannt zu mit der einen Ausnahme in Virpazar. Bäckereifachverkäuferinnen sind allgemein ziemlich energisch, streng und ungeduldig. Dafür hab ich mir irgendwie sofort gemerkt Bäcker=Pekara. Der macht auch morgens eine Pizza und bietet sie über den Tag stückweise an. Junge verantwortliche Damen in diesen Kleinläden für das Nötigste sind gewöhnlich nicht erfreut, wenn wir das Bier in Flaschen kaufen. Aber wir haben sie doch richtig verstanden: man möge die Flasche bitte zurückbringen. Das funktioniert in Montenegro anscheinend ohne Pfand zumindest im kleinen Ort. 1x knöpft man uns noch mal den Bierpreis (70 ct) ab mit ausführlich bekritzeltem Beleg, auf den wir gut aufpassen. Am nächsten Tag gibt es dann das Touristenpfand zurück.
Die Preise sind verblüffend manchmal in beide Richtungen oder einfach das, was man vor 10 Jahren in D bezahlt hat. Kaffee am Bhf. in Bar: 70 ct und megalecker aufgekocht mit Kaffeesatz. Am Flughafen: 3 Euro aufwärts aus der Supermaschine, auch gut, aber ... Snickers 2,70, manchmal fehlen doch die Relationen.
Wer durch Kotor schlendert, findet auch zufällig den Laden, wo das Bier 1,20 kostet und nicht 2,50. Das ist aber an der Küste die Ausnahme. Die wird schon verscherbelt, an Hotels, ein paar Nischen bleiben und insofern stört mich auch der Plastikkram an Strandabschnitten nicht sonderlich.
Die Montenegriner haben bisher Glück. Wenig Menschen, wenig mobil, frische Berge und Gewässer. Da ist es leicht, sich zum Ökostaat zu erklären. An sich merkt man davon im Alltag nicht viel. Man nennt sich mal Eko-Katun, aber das funktioniert wohl nur mangels Nachfrage bisher. Wohin mit dem Müll, den Fäkalien, was tun mit dem Wasserbedarf, dem Strom etc. Geteert ist meist ordentlich, die Küste wird zugebaut und die Küstenstraße ist auch nicht gerade innovativ. Als Wanderer kommt man an einigen Autoreifen und sonstigen Mülltüten vorbei.
Die Müllcontainer stehen irgendwie immer offen aufgeklappt und leer in der Gegend. Aber man sollte nicht zu viel klagen. Was Wanderer im Durmitor so hinterlassen:
Und es sind nicht nur russische Caviar-Dosen oder frz. Supermarkttüten, auch Leibniz-Butterkeks und dt. Trekker finden es wohl besonders originell, ihre Spezialnahrungstüte aus dem üblichen Laden prominent an einem Lagerfeuerhaufen zu platzieren:
Der Schafmann hier immerhin profitiert evtl. und bietet schon Cola und Bier an.
Die Wandertour: Es wimmelt von herzigen Hunden, eigentlich hat jeder Hund den gleichen lieben Blick nur an mancher Katun bellt einer etwas schärfer an der Leine und Schäferhunde verbringen ihr Leben an der Kette, sind aber auch gewöhnlich freundlich und still. Der eine oder andere tut dann sofort so, als gehörte er dazu. Der herzigste, Geri, 3 Monate, hat uns völlig adoptiert, ohne dass wir ihn besonders eingeladen hätten.
Wir flüchteten vor einem Gewitter gegen 13.30 Uhr ins Zelt nahe seines Zuhauses, Katun Širokar, gegen 16 Uhr ist es vorbei und wir schlendern auf den grünen Hängen flankiert von Geri, der stets folgt und sich des nachts am Kopfende in der Ecke am Zelt außen einrollt. Bis die vier Kühe kommen. Sie sind nur neugierig, aber doch etwas zu dicht und schleckig. Ich verjage sie knapp 3 m weiter und Geri will helfen, was das schwarze Modell doch etwas in Angriffsstellung bringt. Geri ist immer still, aber jetzt knurrt er tatsächlich, Habachtstellung geduckt auf allen Vieren. Wir haben einen fast todesmutigen Verteidiger zu fast allem bereit. Aufhalten kann man ihn schlecht - Hunde tragen selten Halsband in Montenegro. Kompliziert hier, mit den Nutztieren. Letztendlich rumsen sie sich hin, Hinterteil zum Zelt und die restliche Nacht wird untermalt von Kuhgeräuschen … Geri ist ein sehr kluger Hund und versteht immer, worum es geht. Befolgen tut er es ungefähr nach der vierten Aufforderung, in ganz seltenen Fällen nicht. Er wechselt die Zeltecke, aber doch lieber an der Kopfseite. Am Morgen setzt er sich dann durch und scheucht die gehörnten Damen Richtung Katun, aber die kennen sich auch aus und waren wohl sowieso schon auf dem Weg, da wird dann eine gemolken.
Wir müssen uns dann quasi wegschleichen, Geri zu seinem Frühstück locken, denn er stemmt seine Pfoten hinter meinem gepackten Rucksack fest in die Erde und sagt: ich gehe nicht weg, ich komme mit. Dabei habe ich ihn gar nicht gestreichelt, er hüpfte sofort begeistert hoch und alles an ihm wollte spielen. Insgesamt war er sehr folgsam und gehörte dem letzten alten Paar an der Katun, andere waren schon verlassen dort Ende August.
Offizieller Start ist der Bukumirsko Jezero, den kann man laufend von Veruša aus erreichen. Dann geht es zu Geris Katun, wenn man nicht versehentlich zur Bergtour aufbricht … die Aussicht dort ist toll, je nach Licht erinnert es kurz an Porsmörk in Island, wenngleich nicht so grün. Ein Tal wie eine Märklin-Anordnung, keine Züge, die obligatorischen Golfs oder Ladas schleichen im ersten Gang die Piste entlang.
Am nächsten Tag dann über den Maglić und weiter bis Carine, eine aufgegebene Almsiedlung, ein Haus noch in Betrieb. Hier überrascht uns sogar eine rauschende Quelle. Zuvor, bei Bela Voda, ist man eher uninteressiert, der Hütehund wird an die Leine genommen, der Weg zur Quelle kurz angedeutet, dann sind alle Leute weg, beschäftigt. Man weiß noch nicht so recht, was anfangen mit diesen komischen Touristen.
Hinter dem Maglić beginnt bald das Beerenparadies – Blaubeeren, Walderdbeeren, Himbeeren – die Hänge sind vor allem voll mit Blaubeersträuchern.
Weiter Richtung Komovi, Ziel Katun Štavna.
Dort ein freundlicher Mickchizwieauchimmer, wir kaufen vier Bier, er parkt, wie man hier auf den Almen wohl parkt: immer hart über der Kante ohne Grund und wenn man Pech hat, kommt man dann nicht mehr weg und muss sich rausziehen lassen, aber die Kumpels mit dem alten Russen-LKW waren ja zuvor vorbeigefahren und telefoniert wird hier auch viel, gewöhnlich genügt es, eine Handynr. anzugeben, keine Adressen, die Wege sind ja nie wirklich weit und dann kann man alles telefonisch abmachen. Nachdem der Audi wieder rollt, parkt er ihn rechts da am Erdhang, wo der dritte Mann steht - erst so schräg, dass er fast gleich zur Seite kippt. Man ist rücksichtsvoll in Montenegro, er will eben Platz machen für die Fahrzeuge und ursprünglich sind die Wege ja nicht für den ganzen Verkehr gemacht, während der Aktion wartet schon ein Kleinbus und will durch.
Im Komovi tauchen die ersten anderen Wanderer auf, zwei geführte Gruppen, zwei natürlich deutsche Trekker. Und das Gewitter holt uns wieder ein. Es umkreist uns einen halben Tag, es schüttet. Dann reißen die Wolken wieder auf, aber wir machen nur noch einen kurzen Wandertag bis Lisa.
Erneut Katun-Szenen, die einen 100 Jahre zurückversetzen. Frau Wäsche in Emailleschüsseln waschend. Schweine, Schafe, Pferde, Kuh, wacklige Bretterbuden, Spitzdächer, im Winter gibt es offensichtlich viel Schnee. Gerümpel, was sich so ansammelt, Zäune schief. Der zweite Feuersalamander taucht auf und das hier ist doch wohl ein Wolf gewesen:
Der weitere Weg führt über diverse Katuns, aus dem Nebelwald raus in die grünen Hänge. Mongoleigefühle.
Hier nun verfransen wir uns oder nehmen einen nicht ganz so spannenden Weg, man kann wohl auch über den Berg bzw. oben den Bergrücken entlang – zu anstrengend, markiert ist unten eben – auch. Ein steifer Wind weht. Wir folgen dem GPS und übersehen dabei, dass wir ja eigentlich woanders hin wollten. So landen wir dann erstmal beim falschen See und gehen von da noch ein bisschen falscher.
Ich mach es kurz, wir sind zurück und abgestiegen zum Biogradska Gora, die Serpentinen wollten kein Ende nehmen. Hier haben die Katun-Leute schon angefangen, Touristen etwas anzubieten, Getränke, ich kaufe den ersten und einzigen Käse, das Kilo 5 Euro. Biogradska Gora ist ein hübscher See, aber eher mal wieder so ein Sonntagsausflugsziel (wie Lovćen, wo sie gerade am bombastischen Treppenaufgang für ihr bombastisches Mausoleum werkeln, und vermutlich auch Orjen). Und Campen auf feuchtem Waldboden ist nicht so prickelnd, die Hüttchen alle besetzt, die Musik (montenegrinischer Musikgeschmack ist gewöhnungsbedürftig und hängt auch irgendwo in den 80ern fest) laut, Partypeople. Aber auch wieder ein Schmusehund.
Am nächsten Tag laufen wir zur Straße und nehmen ein Taxi nach Žabljak, Durmitor. (Die bunte Flasche gehört jetzt dem geschäftstüchtigen Taxifahrer, der uns nach Žabljak gefahren hat. Der hat alles im Griff, es kommt mir vor, als würde er jeden Wanderer zwischen Kolašin und Žabljak aufsammeln und insofern ist er auch geübt, Wanderer zu überzeugen, wo sie jetzt eigentlich hin wollen und etwas zu erzählen, auch wenn jeder andere Sprachen kann. 23 Jahre Italien, jetzt im altersschwachen Nissan irgendwie Taxitouren in Montenegro, vermutlich, um die Restfamilie noch zu unterstützen. Er führt einen Zettel mit seinen Einnahmen. An sich ist Taxifahren nicht so teuer, wir zahlen 35 Euro für über 70 kurvige km inkl. Sightseeing und der Benzinpreis bewegt sich in Montenegro bei erstaunlichen 1,40 Euro. Allerdings tankt er auch mal kurz und das geht so schnell und er steckt dem Tankwart fix was zu - ich hab den Verdacht, die 1,40 sind für die, die nicht Bescheid wissen und sich an Schilder halten). Den Schnaps seines Freundes am Aussichtspunkt haben wir leider nicht gekauft, zum Autokamp seines weiteren Freundes wollten wir auch nicht, wir haben die Tara-Brücke besichtigt und an der Flasche war er sehr interessiert. Wir handelten 5 Euro Rabatt aus für die Fahrt (ich will sowieso auf Edelstahl umdisponieren), somit 30 Euro und er wird sicher das Beulchen, das die Flasche hatte, noch ausbessern. Für die Rückfahrt hätten wir ihn nur so ca. einen Tag vorher anrufen müssen.)
Durmitor: Wieder neue Szenerie, die rauen Bergzinnen. Wir sind müde, wir machen nicht so viel wie geplant. Man kann sich ja was aufheben. Auch der Tara-Canyon fällt aus. Zwei Polinnen sagten schon zuvor: so spannend ist es nicht. Im Sommer ist das kein Raften, eher dümpeln. Man sollte ein eigenes Boot haben, finde ich. Vertagt. Wir fahren dann noch an die Küste und erleben dies und das. Das Wasser in den Buchten ist toll, der Zugang zum Wasser nicht immer gegeben zumindest vom Land aus und manchmal ist alles voller Liegen, dann ist der Strand sozusagen verboten. Ausverkauf. Viel Platz ist noch Richtung Süden, wir wandern den Strand ab bis Ada Bojana.
Kurzfazit: Es ist wirklich so, auf kleinstem Raum große Vielfalt. Die weiten Gras-Heidehänge haben bei uns Mongoleigefühle geweckt, schöne Buchenwälder, Nebelwälder, Seen, und dann Komovi oder Durmitor mit grauen schroffen Gipfeln noch dazu. Subsistenzwirtschaft auf den Katuns, teils auch aufgegebene Almen. Man wird kurz 100 Jahre zurückgebeamt. Sonst befindet man sich stylisch und musikalisch ungefähr in den 1980er-Jahren. Neon und Pink sind beliebt, Pamela-Anderson-Look auch und es wimmelt von falschen Blondinen. So viel zur Landschaft ;-) Es lohnt auch, an die Küste zu fahren, letztendlich sind wir sie ziemlich komplett abgefahren und haben den letzten langen Strand vor Albanien abgelaufen, von der Hotelzone in die Müllzone in die Fischrestaurantzone und an der Grenze ist FKK. Dazu noch der Skutari-See.
Da war noch was, Valdanos: eine äußerst hübsche Bucht 6 km von Ulcinj entfernt.
An der Straße ein großes Campingschild, in der Montenegro-Karte ein Campingsymbol, die Dame in der Touristen-Info nickt auch, achja, Valdanos! Und in meiner rudimentären Campingliste steht es ebenfalls, geöffnet bis 30.9. Straßenlaufen, aber an vielen hübschen alten Olivenbäumen vorbei. Es gibt ein Wächterhäuschen, wir laufen durch und müssen nichts zahlen. Unten am Strand einige Leute, die Promenade ist kaputt und die offensichtliche Zufahrt zum Camping ist versperrt auf montenegrinisch:
Kommt uns etwas komisch vor, aber kann doch nicht sein … ist aber so: alles zugewachsen, geschlossen, halb kaputt, an der Bucht rechts ein paar Gebäude, war wohl mal die Disko und ein Restaurant, Baldachine wehen – man sieht, wie weitläufig-schick es mal war, genau so, wie wir uns das eigentlich vorgestellt hatten. Nur: irgendwie nicht in Betrieb.
Der Weg war weit in der Hitze und auch bergig – wir gehen erstmal baden und - bleiben.
Verziehen uns aber eher unauffällig. Gehen sowieso früh schlafen. Ich bring ein paar Reste von Arbacia lixula im Fußballen mit nach Hause, so klar ist das Wasser.
Frühmorgens dann schießt die schwarze Limousine an uns vorbei. Oben, am Wächterhäuschen, ein nervöser Mann, Security, wo wir denn herkämen, aber er kann nur Serbisch und wir nicht. Der Nachbar ein paar Meter weiter kann Deutsch. Wir entscheiden uns für die ehrliche Variante. Keiner hat uns gesehen, insofern ist es die beste Lösung, uns einfach gehen zu lassen und wir bestätigen, dass wir heute aus der Gegend verschwinden. Der nette Nachbar klärt uns auf: oben rechts auf dem Hügel stand die größte Radarstation Jugoslawiens, bombadiert von der Nato 1999 und seitdem ist der Campground wohl geschlossen. Man hofft nun auf Investoren, sie werden auch diese Bucht verschandeln mit einem Hotel, eventuell-vielleicht in ein paar Jahren. Wieso man so ein Campingschild an der Straße nicht abmontiert? Seien Sie nicht so kompliziert. Man weiß eben Bescheid oder so. Entlang der Alternativroute zur Bucht stehen ein paar Schilder, wo man nicht abbiegen soll als Ausländer. Montenegro ist nicht nur vielfältig, man kann auch besichtigen, wie schnell etwas zerstört wird und der Wiederaufbau aus Ruinen ist nicht leicht.
PS: ich ergänze das evtl. noch mit ein paar Bildchen, den Fleck im Sucher zu eliminieren bin ich aber zu faul.
Pps: und jetzt war ich im Buchladen und hab zwei Reiseführer, 2013, durchgeblättert. In einem zu Ulcinj und Umgebung: Camping Valdanos, mit Post u.a.m.