Teil 18:
Tag 10 – Sonnenuntergang in Vrsar
Montag, der 28.09.2020:
Die neue Woche begann, obwohl ich natürlich dazu sagen muss, dass ich im Urlaub weitestgehend das Gefühl für die jeweiligen Wochentage verliere, was ich als herrlichen Luxus empfinde. Man verliert ein wenig das Gefühl für die Zeit, hat keine Termine oder Verpflichtungen und macht einfach jeden Tag das, was man gern möchte. Das ist Urlaub und Abschalten. Der Himmel über Rovinj hatte auch am heutigen Morgen nicht die allerbeste Laune, aber die Wettervorhersage versprach Besserung. Für die beiden nächsten Tage war schönes, warmes Wetter vorhergesagt, und so reifte in uns der Gedanke, eventuell aus den 11 geplanten Tagen 12 zu machen, um noch ein bissel schönes Wetter mitzunehmen. Im Laufe des Tages wollte ich Ivanka anrufen und eine weitere Nacht erbeten. Da wir wieder gut mit ihr zurecht kamen, hatte sie uns sogar eine Flasche Weißwein geschenkt.
Wenigstens war es heute Morgen trocken. Und so starteten wir nach dem Frühstück gen Osten, aber nur 6 Kilometer, weil der archäologische Park Monkodonja unser auserwähltes Ziel war. Monkodonja war während der Bronzezeit zwischen 1.800 und 1.200 v. Chr. besiedelt. Der Ort besaß sogar so etwas wie eine Akropolis, die von einer 3 Meter hohen Schutzmauer umgeben war. Es gab ein West- und ein Nordtor, was man auch heute noch erkennen kann. Der Ort gliederte sich wohl in drei Teile: Unter-, Haupt- und Oberstadt. Die Frage ist, was wohl für Menschen dort gewohnt haben. Welcher Bevölkerungsgruppe gehörten sie an? Tatsache ist, dass wohl ca. 1.000 Menschen dort gelebt haben, in der Ober- und Unterstadt das normale Volk, in der Hauptstadt in der Nähe der Akropolis das betuchtere Volk.
Auf dem Weg nach Monkodonja
Zuerst kamen wir zur so genannten Kultschlucht. Sie ist 50 Meter tief, und hier sollen wahrscheinlich diverse Riten abgehalten worden sein. Durch das nördliche Stadttor begannen wir unseren Rundgang. Einst hatte es einen hohen Turm, der aus megalithischen Steinquadern gebaut war. Von hier führte ein enger Schacht hinunter zur Unterstadt. Innerhalb der Befestigungsmauern sind leider nur noch Reste der ursprünglichen Siedlung zu sehen, aber man hat von hier einen schönen Blick auf’s Meer, was wir auch immer mehr und mehr erkannten, da der Himmel langsam etwas heller wurde. Von der Akropolis selbst sind noch einige Mauern erhalten; die Ausgräber scheinen diesen Namen jedoch eher erfunden zu haben. Bekannt ist nur, dass es wohl ein mächtiges Gebäude war, welches von Einwohnern der Oberschicht bewohnt war. Wir kamen zur Oberstadt, deren Gebäude sich wohl an die Mauer zur Akropolis angelehnt haben sollen. Hier wohnten eher Handwerker. Man fand hier Abfallmaterialien von Gießarbeiten und Gussformen. Auf dem Gebiet der Unterstadt befinden sich so etwas wie Terrassen. Hier befanden sich Wohnhäuser, Wasserreservoirs und Lagergebäude.
Kultschlucht
Das nördliche Stadttor
Stadtmauer
Ein morgendlicher Blick zum Meer
Reste der "Akropolis"
Das Westtor war wohl der Haupteingang in die Stadt. Von hier führte ein Weg direkt zum Meer. Hier fanden sich Gräber einiger wichtiger Persönlichkeiten der Stadt. In den Häusern fand man Überreste von Öfen, Feuerstätten, Mobiliar und Werkzeuge. Mühlsteine zeugen von einer eigenen Getreideverarbeitung, große Mengen von Tierknochen weisen auf Tierzucht hin. Das Gebiet ist interessant, und ich liebe solche alten Ausgrabungsstätten, doch hatte ich im tiefsten Inneren meiner Seele erhofft, dass noch ein klein wenig mehr auf diesem Hügel zu sehen sei. Es war jedoch schön, sich das alles mal ansehen zu dürfen.
Ausgang zum Meer
Tor mit Steinplatte
Häuserreste
Das westliche Tor
So, nun wechselten wir die Seite und fuhren 40 Kilometer nach Osten bis an den Raša-Kanal. Diese lange, weite Bucht (Raški zaljev) hatte ich bis dato noch nicht gesehen. Das war für mich etwas Besonderes. Nach 55 Minuten waren wir da. Wir fuhren bis nach Rebići in die Bucht Blaz. Das heißt, wir fuhren fast bis dorthin. Die steile Straße hier hinab war doch etwas rustikal, und so liefen wir die letzten 750 Meter. Die Bucht ist schön und eventuell sogar eine ernst zu nehmende Bademöglichkeit, wenn auch einige Unterwasserquellen das Schnorchelvergnügen etwas trüben sollen. Hier liegen viele Boote, und in der Hautsaison kann man sich hier sogar eines leihen. Viele, kleine Holzstege ragen ins Wasser. Die ausladenden Grünflächen legen nahe, dass die Bucht im Sommer auch zum Campen genutzt wird. Bis ins Jahr 2019 gab es wohl sogar eine Bar hier.
Raša-Kanal
Bucht Blaz
Ein schöner Badeplatz
Blick von der anderen Seite
Von der Bucht führt ein kleiner, befestigter Wanderweg, der noch von den Römern stammen soll, weiter bis zu unserem Ziel. Wir wollten uns die verfallene Mühle anschauen. Vom Weg aus sieht man viele Fischfarmen auf dem Wasser. Wenn ich ehrlich bin, war ich mir gar nicht so sicher, ob wir das verfallene Gebäude überhaupt finden würden, doch von der Bucht aus bei den vielen Booten hatte ich das mit Efeu überwucherte und von Feigenbäumen eroberte Gebäude bereits erspäht. Dann waren wir dort und stellten fest, dass es sich um drei Ruinen handelt, die hier hinten ihr stilles Dasein fristen. Einst sollen hier 5 Mühlen gewesen sein, die von einigen Süßwasserquellen gespeist wurden, deren Wasser von sehr guter Qualität ist. Wir schauten uns um.
Befestigter Römerweg
Blick zurück zur Bucht
Mühle und weitere Ruine
Blick von vorn auf das hintere Gebäude
Grüne Idylle
Wenn die Sonne scheint, ist es hier hinten wohl richtig idyllisch, doch war der Himmel immer noch etwas trist. Leider musste ich feststellen, dass einige „Graffiti-Künstler“ sich an der Fassade der Mühle verewigt haben, was ich schade fand. An der Vorderwand befinden sich die Wasserrinnen, an denen wohl einst das Mühlrad angetrieben wurde. Das Wasser wurde im Hintergrund wohl durch ein kleines Wehr aufgestaut, was wohl notwendig war, da das Gefälle von den Quellen hier herab eher gering ist. Der gesamte Quellbereich oberhalb der Ruinen war allerdings ziemlich zugewuchert und hat sicher das Eine oder Andere verdeckt. Ich war froh, dass wir dieses kleine Reich gefunden hatten. Auf dem Rückweg vom grünen Kleinod bis hinüber zum Auto kam die Sonne hervor, und es wurde richtig warm. Auf der Rückfahrt kamen wir an einigen hübschen Kažuni vorbei, deren Anblick uns immer wieder aufs Neue erfreut.
An der Mühle
Das Mühlgebäude
Wassertransport zum ehemaligen Mühlrad
Quellbereich mit Mühle
Auf einen Blick
Staubereich
Kažuni
Bereits auf der Hinfahrt hatten wir schon von weitem den riesigen Kirchturm der St. Blasius Basilika von Vodnjan gesehen, der in der Gegend alles Andere überragt, was bei 62 Meter Höhe ja auch kein Wunder ist. Er ist das größte Sakralgebäude Istriens. Nun wollten wir uns gern die Stadt anschauen. Das von den Italienern „Dignano“ genannte, historische Städtchen liegt auf einer kleinen Anhöhe und verfügt über viele Gebäude im Gotik-, Renaissance- und Barockstil. Wie in einigen anderen der istrischen Städtchen ist die Parksituation keine leichte. Am Parkautomaten konnten wir nicht mit Bargeld zahlen und auch das Fragen einiger Einheimischer förderte keine Lösung zutage. Es funktionierte nur mittels Herunterladen einer App für’s Smartphone, aber auch die weitere Vorgehensweise wollte uns nicht klar werden. Schon hier bestaunten wir eine schöne Wandmalerei an einer Hausfassade, die es hier häufiger zu bestaunen gibt.
Fassadenmalerei
Wir verließen den Parkplatz und fuhren in die Hauptgeschäftsstraße, die mit über einem Kilometer Länge längste städtische Straße Istriens, die in heutigen Zeiten auf den Namen Trgovačka Ulica hört. Die alte Handelsstraße führt direkt zum Stadtplatz Narodni Trg und ist im 17. Jahrhundert entstanden. Hier versuchten wir erneut zu parken. Bei einem Blick auf die Parkuhr sah ich ein Emblem der Park-App Paydo, die ich sogar schon seit längerer Zeit auf meinem Handy installiert hatte. Sollte ich es mal versuchen? Also los. Es war zwar etwas umständlich, aber irgendwann war die Ticketbuchung abgeschlossen, und es zeigte sich, dass man sogar ganz leicht noch Zeit hinzu buchen kann, wenn man merkt, dass die bezahlte Zeit nicht ausreicht. Gar keine schlechte Sache. Die lange Straße sorgte für einen besonderen Anblick; viele alte Häuser, die in früheren Zeiten das Zuhause vieler Handwerksleute und Werkstätten waren, zieren dicht an dicht beide Seiten. Vorbei an der Crkva Gospe od Karmela begannen wir unserer Erkundungstour. Dann wurde die Geschäftsstraße immer enger und enger.
Trgovačka Ulica
Durchgang
Dicht an dicht
Entlang der Handelsstraße
Im kleinen Imbiss Fresh Cucina bestellten wir uns als kleinen Mittagssnack Cheeseburger, aber nicht, ohne uns diesmal vorher die Größe zeigen zu lassen. Endlich mal normale Burger und keine Monsterportionen. Als wir wieder heraus kamen, hatte es zu regnen angefangen, und so blieb uns wohl nichts Anderes übrig, als die Burger im Eingang einer überdachten Gasse zu essen. Dann begann es richtig zu schütten, und das Wasser floss in die Gasse hinein, eroberte immer mehr Pflastersteine, so dass wir es nicht leicht hatten, noch ein trockenes Plätzchen zum Essen zu finden. Ein Einheimischer stellte sich vor den Eingang der Gasse, führte einige Minuten Selbstgespräche und verschwand. Auch als wir aufgegessen hatten, tobte der Regen in unverminderter Stärke. Wir kamen nicht umhin, hier zu warten. Nach 20 Minuten schien es etwas besser zu werden, dann wagten wir uns hinaus.
Auf dem Hauptplatz angelangt, schauten wir uns ungläubig um. Rundherum befinden sich wunderschöne Gebäude wie z. B. der Stadtpalast, das Haus Bembo, der Palast Bradamante mit einer großen Uhr oberhalb der Fassade, das Haus Davanzo und das Haus Benussi. Das Regenwasser auf dem Platz konnte dessen Schönheit nicht vor uns verbergen. Der Platz soll dereinst von der italienischen Familie Dalla Zonca gestaltet worden sein. Die Italiener haben immer wieder Geschmack. Der beeindruckende Palast Bradamante wurde im Laufe der Zeit bereits für viele Zwecke genutzt. So war er schon Loggia, Königliches Gericht, Kaiserliches Kommisariat, Getreidespeicher, Gefängnis, Theater, Stadtarchiv und einiges mehr. Er hat also viel erlebt. Heute beherbergt er eine Galerie und eine Café Bar. Der Regen wurde wieder stärker, und wir flüchteten uns unter die Markise eines kleinen Einkaufsmarktes.
Stadtpalast
Stadtpalast und Palast Bradamante
Die rettenden Markisen
Der Hauptplatz
Vom Platz aus führen interessante Gassen zu allen Seiten. Wir waren von Vodnjan recht begeistert. Vor allem Marco wurde nicht müde zu erwähnen, dass er das von Vodnjan nicht erwartet hätte. Langsam schien der Regen wirklich aufzuhören. Wir entschieden uns für die westliche Richtung und wurden alsbald mit dem Anblick des kleinen Palasts Bettica belohnt. Er wurde nach seinen ehemaligen Besitzern benannt. Die Familie war damals sehr einflussreich. Heute ist ein Museum darin untergebracht, in dem archäologische Fundstücke und Bilder ausgestellt werden. Um eine Ecke biegend, standen wir endlich vor der großen St. Blasius Basilika, in der sich unter anderem eine Mumiensammlung befindet. Da die Körper weder luftdicht verschlossen noch einbalsamiert wurden, ist deren Mumifizierung ein echtes Rätsel für die Wissenschaftler. Angeblich sollen Überreste von 250 Heiligen im Innern aufbewahrt werden. Eine große Zahl. Unter dem Gebäude soll sich eine Basilika aus dem 11. Jahrhundert befinden. Die neue Kirche wurde im 18. Jahrhundert errichtet und war ein Geschenk der Bürger an die Stadt. Zu dieser Zeit sollen alle Bürger 10 % ihrer Produkte für den Bau gespendet haben. Da sie selbstverständlich verschlossen war, konnten wir nicht hineingelangen, hätten aber den Eintrittspreis wahrscheinlich sowieso gespart.
Palast Bettica
Kirchturm der St. Blasius Basilika
Die Basilika
Kirche Sv. Katarine
Einer der sehenswerten Plätze
Im Süden der Altstadt entdeckten wir weitere Gemälde an Häuserfassaden und die kleine Kirche Sv. Katarine. Viele alte Häuser mit bunten Fassaden, schmucke, kleine Plätze, Bogengänge, all das hat Vodnjan zu bieten. Die Stadt hatte uns wahrlich nicht enttäuscht. Ziemlich pünktlich gelangten wir zum Auto, so dass eine Buchung von zusätzlicher Zeit nicht notwendig war.