Eine Seefahrt die ist (nicht immer) lustig ...

Goldie

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Vor einigen Jahren haben Wolfgang und ich eine richtig große Gruppe befreundeter "Hundeleute" durch unsere Erzählungen und Videos von YU und Kroatien derart für dieses Land begeistert, dass sie zusammen mit uns einen Urlaub im Lanternacamp (liegt bei Novigrad/Istrien) verbrachten. Natürlich hatten wir alle unsere Hunde mit, aber nur einer von uns hatte sein Boot (einen sehr gut motorisierten Daycruiser) dabei. Und das war Dieter. Dieter hatte seinen Bootsführerschein noch nicht lange in der Tasche und keinerlei Adria-Erfahrung.

Obwohl wir Tag für Tag ein richtig volles Programm hatten, und Dieter, wann immer er es wollte, die engste Umgebung per Boot erkundete, nervte er täglich Wolfgang, dass er mit ihm eine Bootstour zu den Inseln Susak und Losinj unternehmen solle, weil er sich das alleine nicht traue. Nach einigen Tagen hat sich Wolfgang (wahrscheinlich sehr gern) breitschlagen lassen und am nächsten Morgen ging es sehr früh los = 3 Männer on Tour (Dieter, sein erwachsener Sohn Jens und Wolfgang).

In der Bucht war es windstill, und das Wasser war glatt, aber ein Blick zum Buchtausgang ließ erkennen, dass es draußen auf dem Meer nicht ruhig war, und schon saß ich irgendwie auf heißen Kohlen, obwohl ich wußte, dass Wolfgang niemals ein Risiko eingehen würde. Und wir konnten ja auch in Kontakt treten, denn Dieter und Jens hatten ihre Handys dabei. Dieters Frau Rosie und ich hatten auch Handys.

In Rovinj sollte es einen Tankstopp geben, dann ohne Umwege an der Küste entlang bis auf Cap Kamenjak-Höhe und auf direktem Weg über den Kwarner zur Insel Susak, von dort zur Insel Losinj mit Tankstopp in Mali Losinj. Und wenn alles gut lief, sollte es noch einen Abstecher zur Insel Cres geben.

Obwohl der Tag auch für mich genügend Abwechselung bot, fuhr ich in Gedanken den Törn, den Wolfgang und ich viele Male gefahren sind, mit und wartete auf den vereinbarten kurzen Anruf von Susak, spätestens aber von Mali Losinj aus.Natürlich hatte ich auch die Zeiten im Kopf, wann sie wo spätestens eintreffen mußten. Als die "Spätestenszeiten" längst überschritten waren kam endlich ein Anruf von Wolfgang:
"Wir sind gut in Losinj gelandet.
Das Meer war mächtig kabbelig und die Kwarner-Überquerung absolut kein Genuß und dauerte lange.
Ich hätte die Wellen anders genommen, aber Dieter war der "Kapitän", war in Action und wollte
Erfahrungen sammeln.
Es war furchtbar diesig, so dass man noch nicht einmal schemenhaft die Inseln Unije und Losinj
erkennen konnte.
Dieters Spielzeugkompaß tanzte und küselte sich, aber Du weißt ja, dass wir auch diese Strecke wie
im Schlaf fahren können.
Auf Susak waren wir nicht, weil die Kwarner-Überfahrt zu lange gedauert hat.
Und ob wir heute noch zurückkommen können, kann ich Dir nicht sagen, denn die Polizei hat Dieters
Boot hier in Mali Losinj an die Kette gelegt.
Tschüss!
Ich melde mich später noch mal."

Könnt Ihr Euch vorstellen, was für ein Gesicht ich wohl nach so einem Anruf gemacht habe? Natürlich bin ich dann gleich zu Dieters Frau Rosie gedüst, um sie zu fragen, ob sie auch einen Anruf dahin bekommen hat, dass ihr Boot in Mali Losinj von der Polizei an die Kette gelegt wurde. Rosie kam mir, zusammen mit Jens Frau Gabi und dem Rest unserer Clique, der einer aufgescheuchten Hühnerschar glich, schon völlig aufgeregt entgegen. Meine Frage hatte sich also erübrigt. Alle wußten es schon, redeten durcheinander, machten sogar den Vorschlag, mit dem Auto nach Losinj zu fahren und Rosie telefonierte (eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen) mit Dieter und Jens und mit Jens und Dieter. Aber nur Rosie redete, und so erfuhren wir auch nichts Genaueres! Ich bekam einen wohl nicht gerade leichten Tobsuchtsanfall:
"Kaum sind die Männer mal allein unterwegs und schon passiert so etwas. Wolfgang und ich haben im Laufe der vielen Jahre etliche tausend Seemeilen auf der Adria hinter uns gebracht, ohne dass so etwas passiert ist und ... und ...!" Danach ging es mir besser, und ich versuchte, Ruhe und Ordnung herzustellen:

Karte hergeholt und gezeigt, wo Mali Losinj liegt, damit die Rederei aufhörte, dort schnell mit dem Auto hinfahren zu wollen. Und natürlich bekam Rosie das strikte Verbot, noch einmal bei Dieter und / oder Jens anzurufen, denn schließlich hatten die beiden zwar ihre Handys, aber keine Ladegeräte mit, und wie sollten sie, wenn durch Rosies Anrufe die Akkus leer waren, sich noch einmal melden oder im Falle einer Notlage während der Rückfahrt Hilfe anfordern können.

Ruhe und Ordnung kehrten dann zwar ein, aber die Urlaubsstimmung war dahin. Wir warteten auf einen klärenden Anruf, wie es um die Rückkehrmöglichkeit stand und warteten und warteten. Wahnsinnig zäh verging so Stunde um Stunde, ohne dass ein Anruf kam. Und mit jeder verflossenen Stunde stieg die Unruhe bei uns allen mehr und mehr an.

Von Wolfgang erfuhr ich nach seiner Rückkehr folgendes:

Dieter, vermutlich in Hochstimmung, weil er den oft sehr gefährlichen Kwarner überquert hatte und wieder ganz dicht am Land war, brauste, trotz Wolfgangs Ermahnungen, langsam zu fahren, in den Hafen von Mali Losinj zur Tankstelle. Nach dem Tankstopp sollte die Fahrt unter der Brücke durch in den Losinjski Kanal und darin entlang bis zur Osor-Brücke gehen. Falls sie dort nicht unter durch paßten, müßten sie halt deren Öffnung abwarten, was ja nicht schlimm wäre, da sie dann immer noch vor Einbruch der Dunkelheit wieder zurück wären. Gut und schön, aber ...

Vollgetankt und mächtig hecklastig fuhr Dieter mit Speed und einer sehr beachtenswerten Heckwelle durch den Hafen, sehr dicht an der dortigen Marina/Werft vorbei, in Richtung Brücke. Wolfgangs Ermahnungen prallten an ihm ab. Scheinbar bemerkte er noch nicht einmal, dass er durch seine Heckwelle die Boote mächtig zum Schaukeln brachte. Tja! Und dann bewahrheitete sich der Spruch: "Wer nicht hören will muß fühlen." Im Anschluß an die Marina/Werft befindet sich die Polizeimole. Von dort ertönte eine Trillerpfeife und sie wurden herangewunken, mußten anlegen, Papiere vorzeigen, Dieters Papiere wurden eingezogen und sein Boot wirklich mit Kette angeschlossen. Kommentar dazu: Die Papiere würden im Büro des Hafenkapitäns hinterlegt. Dieser würde alles Weitere entscheiden. Und das Büro sei ab 17 Uhr, also Stunden später, wieder geöffnet.

Und nun warteten und warteten auch sie, versuchten, ob sie nicht doch, wie auch immer, eher Dieters Papiere zurückbekamen. Wolfgang und Dieter nahmen bei der herrschenden Hitze sogar zwischendurch den recht weiten Fußmarsch zum Büro des Hafenkapitäns auf sich, um zu sehen, ob es wirklich geschlossen war. Dann endlich kurz vor 17 Uhr wurde Dieters Boot seitens der Polizei freigegeben, so dass sie nicht noch einmal den Fußmarsch machen mußten. Nun fuhr Wolfgang das Boot zur Mole des Hafenkapitäns, um Dieter dort abzusetzen. Dieter in Badehose und T-Shirt. Wieder hörte Dieter nicht auf Wolfgang, dass er sich zum Betreten einer Amtsstube eine lange Hose anziehen solle. Dieters Rückkehr dauerte lange. Wie er anschließend zugab, mußte er sich wegen seiner Bekleidung einen richtiggehenden Vortrag anhören. Er gab auch zu, dass er eine Strafe zahlen mußte. Aber über deren Höhe schweigt er sich bis heute aus!

So, nun aber wieder zu uns "Zurückgebliebenen":

Irgendwann nach 17 Uhr kam endlich Wolfgangs Anruf:
"Wir fahren wieder. Mal sehen, ob wir beim Osor unter der Brücke durchkommen, denn die heutige
Öffnungszeit haben wir verpaßt. Ich melde mich später noch einmal. Tschüss!"
Tja! Da saßen wir nun wieder, nicht sehr viel schlauer geworden, und warteten auf einen Anruf.

Bereits bei einsetzender Dämmerung kam ein erneuter Anruf von Wolfgang:
"Wir hatten an der Brücke noch einigermaßen Ebbe, mußten das Toplicht abbauen, haben es aber
geschafft, drunter wegzukommen. Seegang auf dem Kwarner geht einigermaßen. Tschüss! Wir
kommen."

Natürlich lag noch ein recht weiter Weg vor ihnen, überwiegend zu fahren bei Dunkelheit. Aber unsere Stimmung stieg. Und jetzt stand uns auch nichts mehr auf dem Magen. Hunger machte sich bemerkbar. Also ging es, mit Fernglas bewaffnet, ab ins Terrassenrestaurant, von dort aus wir die Bucht überschauen konnten. Immer, wenn Positionslampen von Süden her am Buchtanfang auftauchten, kam richtig Leben in uns: Fernglas vor die Augen und alle durcheinander reden: "Das können sie nicht sein. Die kriechen ja dahin. Das ist ein Fischerboot usw., usw.!"
Natürlich erregten wir hierdurch die Aufmerksamkeit der übrigen Gäste. Die Menschentraube um uns herum wurde immer größer. Die Band spielte gut, aber kaum einer der Gäste schenkte ihr seine Aufmerksamkeit. Es war für sie ganz offensichtlich interessanter, die Rückkehr unserer Männer mitzubekommen.

Irgendwann nach 23 Uhr war es soweit:
"Ja! Ja! Das sind sie! Das sind sie wirklich!"
Wir stürmten runter zum Bootssteg und mit uns die ganze Menschentraube. Ein Auflauf wie bei einem Staatsempfang. Nur unsere "Seemänner" sahen nicht wie Staatsmänner aus. Wolfgang, Haare zerzaust und mit einer dicken Salzkruste überzogen, stehend am Steuer, Dieter und Jens, in ihre Wetterjacken gemummelt, kauerten in den hinteren Sitzen. Als sie auf dem Steg standen wurden sie nicht nur von uns frömlich überfallen, sondern ausnahmslos auch von all den wildfremden Menschen ebenfalls umarmt usw.! Alle kamen auch wieder mit zurück in das Terrassenrestaurant und es wurde geschnattert, geschnattert und nochmals geschnattert. Bei der Gelegenheit erfuhren wir auch, dass Wolfgang irgendwann während der Kwarnerüberquerung von Dieters unsicherer und wegen der eingesetzten Dunkelheit nun sehr langsamen Fahrweise die Faxen dicke hatte und das Steuer übernahm mit der Anweisung, dass sich Dieter und Jens nach hinten setzen und ihn in Ruhe und konzentriert fahren lassen sollten.

Erst gaben Dieter und Jens kleinlaut zu, dass sie mächtige Angst hatten und befürchteten, wenn überhaupt, irgendwo an Land zu kommen, keinesfalls aber in der Nacht noch nach Lanterna. Das Kleinlaute hielt nicht lange an. Sie tauten zusehends auf!!! Wie und was sie dann nach und nach, ihre Törnerlebnisse betreffend, von sich gaben, überlasse ich der Phantasie eines jeden Lesers dieser wahren Geschichte.

LG
Monika

Hier ein Teil unserer großen Gruppe befreundeter "Hundeleute", die im Lanternacamp dabei waren. Auf der Fotorückseite entdeckt: Es war im Juli 1998.

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ELMA

Guest
Wie und was sie dann nach und nach, ihre Törnerlebnisse betreffend, von sich gaben, überlasse ich der Phantasie eines jeden Lesers dieser wahren Geschichte.

Das versuche ich mir gerade vorzustellen und kann mir dabei das Lachen nicht verkneifen!!
Wieder einmal unterhaltsam und spannend erzählt!! Danke Goldie!

Und nicht zu unterschätzen sind auch die Erfahrungen, die für jeden potentiellen Bootsneuling äußerst lehrreich sind! :gut:

Gruß,
Elke
 

weka

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Wenn ich so nach dem Lesen an die vielen, leidenschaftlich geführten Diskussionen über die Vorteile eines deutschen Schiffsführerscheines gegenüber dem billigen Kroatenführerschein denke, kommt mir schon ein Schmunzeln über die Lippen.:roll:

Warum?

Das überlasse ich auch der Phantasie der Leser.

Gruß Werner
 

tosca

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Tolle Geschichte Monika!!!

macht großen Spaß, Deine Erzählweise :lol: - was mich ja aber echt wundert ist, daß Wolfgang nicht eher eingegriffen hat :x - dem als erfahrenen Skipper muss das ja in den Fingern gejuckt haben, so wie ich ihn einschätze ;-)
 

Goldie

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Tosca,
Du schätzt Wolfgang richtig ein. Ein paar entsprechend passende Worte sind auch unterwegs gefallen, aber eben solche unter Freunden. Und Dieter wollte und sollte Erfahrungen sammeln.
LG
Monika
 
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