Teil 03:
2. Tag - Schlangen und andere Ungeheuer
Sonntag, der 15.06.2014:
Von der dargebotenen Fahrkunst vieler kroatischer Autofahrer war Marco – sagen wir mal – mäßig begeistert. Er fluchte ziemlich oft. Mal fühlte er sich vom Gegenüber beschnitten, da dieser auf den kurvigen Straßen zu lange auf unserer Fahrbahn fuhr, als er entgegenkam. Mancher fuhr viel zu schnell. Es gab doch einige Turbulenzen auf unserer täglichen Fahrt. Schuld waren natürlich durchgehend die Anderen.
Was mich persönlich immer wieder wundert, obwohl es ja für uns jetzt nicht neu ist, sind z. B. fehlende Fahrbahnmarkierungen. Fährt man bei uns um eine Kurve, die jedoch die Vorfahrtstraße ist, sind gestrichelte Linien zur Abgrenzung der anderen Straße auf der Fahrbahn. In Kroatien wird weitgehend darauf verzichtet. In vielen Situationen merkt man, dass einige damit nicht zurechtkommen. Uns sind z. B. Italiener aufgefallen. Selbst bei ganz normalen Rechts-vor-Links-Situationen befinden sich mancherorts etwas irritierende Linien auf dem Fahrbelag. Auch vergessen die Kroaten oft eine nötige Beschilderung, wenn der zuvor gewiesene Weg sich erneut gabelt. Da hat man eben gleich umsonst ein kleines Rätsel bekommen. Der kroatische Staat erzieht seine Bürger zu mündigen, mitdenkenden, verstehenden Menschen. Wann eine Geschwindigkeitsbeschränkung wieder aufgehoben ist oder warum sie bestand, muss er selbst verstehen. Ein entsprechendes Schild wird vielerorts einfach eingespart.
Irgendwann reifte in uns der Gedanke: Wir müssen dem Hannes aus dem Adriaforum was schicken. Der ist so ein guter Typ und hat uns ja auch schon geholfen. Außerdem kann der dieses Jahr (oder wie er sagen würde: heuer) gar nicht nach Kroatien. Aber was? Nun, mit Zeit kommt Rat, und am Ende lag es eigentlich auf der Hand. Da wir in Vrbnik sind, musste es schon mal eine typische Spezialität sein, also Žlahtina-Wein, aber eine schöne Flasche. Ich wusste, er mag Šurlice. Aber bald stellten wir fest, die schönen, frischen Nudeln, die man in einer Konoba bekommt, gibt es nur tiefgefroren. Also mussten wir auf eine herkömmliche Packung zurückgreifen. Und er war doch so wild auf das Bakarski Baškot, eine Brotspezialität aus Bakar. Dann schrieben wir noch eine Karte und packten gleich noch ein paar Fotos aus dem Urlaub auf eine DVD.
So, heute Morgen stand natürlich erst einmal unser Frühstück auf dem Balkon auf dem Programm. War ja schon Tradition. Ich hatte extra noch mal diese „Peniswürste“ gekauft, die wir 2012 zum Frühstücken aßen, die an den Seiten so aussahen wie eine männliche Vorhaut. Während Marco duschte, bereitete ich es schon mal vor. Ich stellte fest, dass eine einheimische Schönheit jeden Morgen an unserem Balkon entlang joggte. Ja, sah die spitze aus. Dunkler Teint, dunkle Haare, aber immer orangene Sachen an. Und der Zopf wippte immer so schön beim Laufen hin und her. Klar, dass sowas Männer anspricht. Einmal unterhielt sie sich mit einem anderen Einheimischen. War fließend. Irgendwann kam sie dann noch einmal die Straße hinab, um diesmal in einer kleinen Gasse zu verschwinden. Das war wohl immer ihre morgendliche Runde.
Nach dem Frühstück ging’s dann los. In der Nähe von Kras bei Dobrinj sollte ja dieses verlassene Dorf Dolovo mitten im Wald liegen. In den 70’er Jahren sollen hier noch 4 Menschen gewohnt haben, während es vor hundert Jahren über 100 Einwohner zählte. In der Nähe konnte man parken. Den Rest musste man sich durch den Wald schlagen. Na ja, einen kleinen Weg gab es schon.
Dolovo Bild 1
Dolovo Bild 2
Also ging’s durch den Dobrinjer Wald. Auf dem Weg rief Marco plötzlich: „Heiko, guck mal!“ Er hatte eine Schlange gesehen. Unsere erste kroatische Schlange. Ich sah sie noch zur Hälfte und muss sagen: ja, so klein war die gar nicht. War echt eine Schlange. Ich schätzte die Gesamtlänge auf ca. 1,5 Meter. Ob es nun eine Hornviper war oder irgend ‘ne andere Gattung, das kann man natürlich nicht genau sagen. Sie kroch an einer kleinen Mauer der ersten Ruinen von Dolovo hinauf und dahinter wieder herunter in den Wald. Als ich noch einmal hinterher schauen wollte, hatte sie sich bereits verkrochen. Dann begegneten wir Mountainbikern. Manchmal wundere ich mich, wo die überall meinen, durchfahren zu müssen. Schon zu Fuß war der Weg nicht gerade breit, und hier und da musste man sich durch Pflanzen hindurch winden.
Dolovo Bild 3
Dann fanden wir die gesuchten Gebäude. Teilweise wurden sie von der Natur zurückerobert. Ca. 4-5 Häuser standen dort, in die man sogar hineingehen konnte. Da hatte ich schon mal ein mulmiges Gefühl. Wenn man in einen dunklen Kellerraum geht, wer weiß, was darin haust? Teilweise stand sogar noch ein Bett oder ein Ofen in den Zimmern, so dass man fast sehen konnte, wie die Leute damals gelebt haben. Das Ganze ist nicht schlecht, hätte ich mir aber – sagen wir mal – noch zwei Häuser mehr vorgestellt. Unverständlich ist sowieso, wie dort mitten im Wald ein Dorf sein konnte. Ohne ordentlichen Zugangsweg. Dass der mittlerweile verrottet ist oder man ihn aus irgendwelchen Gründen nicht mehr sehen kann, kann ich mir nämlich nicht vorstellen. Nachdem wir alles ordentlich abgelichtet hatten, machten wir uns auf den Rückweg. Einen Teil des kleinen Waldwegs ist doch tatsächlich ein Einheimischer mit seinem Auto gefahren. Der stand dort nämlich jetzt neben dem Weg. Ich sagte noch zu Marco:“ Wer hier entlangfährt, der liebt sein Auto nicht.“
Dolovo Bild 4
Jetzt erst einmal baden. Kurzfristig warfen wir unseren Plan um und fuhren Richtung Heilschlammbucht. Ehrlich gesagt, wusste ich gar nicht, wie’s mir dort gefallen wird. Sollte ich mich wirklich mit dem Schlamm einschmieren? Die Ortschaften haben doch nix zu bieten, oder?
Čižići:
Zuerst schauten wir uns die etwas abseits gelegene Kirchenruine Sv. Petra an. Marco gefällt sowas ja immer besonders. Und sie war wirklich ganz hübsch. Auf Platz 1 bei Marco rangiert ja immer noch die Sv. Marak bei Risika, aber diese Sv. Petra war nicht übel. Bald lag ich davor mit dem Rücken im Gras und schaute in den Himmel und träumte. Dann lief ich hinter das Ruinchen und setzte mich ans Wasser. Inmitten der Bucht liegt die kleine Insel Veli Školjić. In Čižići selbst schauten wir uns nur kurz um. Hier hatte ich in meinem Reiseführerbüchlein gelesen, dass im Zentrum ein alter Waschplatz ist, wo früher die Frauen ihre Wäsche wuschen. Den hab‘ ich auf Zelluloid (oder auf der Speicherkarte) festgehalten. Dann ging’s erst mal zur Bucht.
Blick von der Sv. Petra in die Heilschlammbucht
Sv. Petra
Hihi...
In der Ruine
Und Marco...
Čižići
Heilschlammbucht (Zaljev Soline):
Blick aus der Heilschlammbucht nach Crikvenica
Wir liefen erst einmal nach vorn, wo sich ein paar Badende mit Schlamm eingeschmiert hatten. Sie holten ihn mit den Händen vom Grund des tieferen Wassers und legten sich am Ufer einen kleinen Vorrat an, indem sie ihn dort deponierten. Einer anderen Urlauberin machte es viel Spaß, durch den Schlamm zu waten. Sie steckte mich mit ihrem Lachen an. Wir entschieden uns, es auch zu wagen, uns einzuschmieren. Gut, eigentlich war vorher schon klar, dass wir das tun würden. Wir taten es unseren Vormachern gleich. Als wir einen ordentlichen Haufen Schlamm angelegt hatten, begannen wir, uns einzureiben. Erst die Beine, dann den Bauch, die Arme, immer höher. Den Rücken musste Marco mir einschmieren und ich den seinen. Und das Gesicht war allein ebenfalls nicht leicht. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass wir dabei so viel Spaß haben würden. Da waren diese drei österreichischen Mädels, die ungeheuren Spaß dabei hatten, den Leuten zuzuschauen, wie sie sich einrieben und dann wie Ungeheuer aussahen. Erst zögerten sie, doch dann fingen auch sie an. Nun waren wir diejenigen, von denen Andere abschauten, wie’s gemacht wird. Es war eine Oase des Lachens und des Einander-Verstehens. Das Gute war auch, hier konnte man ruhig eine hübsche Frau mal ein bissel länger anschauen. Die Leute schauten einander sowieso wegen dem Schlamm an. Alle hatten hier Spaß. So, dann wollten wir natürlich noch witzige Fotos machen. Zuerst ich als schwarzes, schreiendes Ungetüm. Dann Marco mit Siegesfaust und dann mit Gitarrenpose. Diese hatte er von Til Lindemann von Rammstein abgeschaut. Wir mussten uns so wegschmeißen vor Lachen. Ein Mann stand im Hintergrund, beobachtete die Szene und lachte sich halbtot.
Ohne Worte...
Die Gitarrenpose
Im Anschluss konnte man, so vollgeschmiert, wie man war, ja einfach immer weiter ins Meer laufen. Die Bucht ist hier sehr flach und das Wasser wahrscheinlich deshalb weniger salzig. Es war auch etwas wärmer. Man kann ewig weit hineinlaufen, und das Wasser steht einem immer noch erst bis zur Brust. Ab und zu konnte man ja schon mal schwimmen, damit man schon etwas Schlamm loswurde. In der Bucht reicht eine sehr lange Mole bis weit ins Meer hinein. Ich bin sogar noch etwas weiter hinaus, als diese Mole reicht. Marco ist schon früher zurück, weil er Angst hatte, dass sein versteckter Autoschlüssel gefunden wird. Irgendwann war ich wieder weitestgehend schlammfrei. Als ich auf der langen Mole bis zum Ufer zurücklief, habe ich richtig gespürt, wie entspannt ich bin. Mir wurde richtig bewusst: Du kannst Dir hier in Kroatien eine richtig schöne Zeit machen, musst nicht arbeiten – herrlich. Ich habe mich hier richtig wohl gefühlt. Man kann nicht sagen, dass die Bucht schön wäre, aber es ist schön, dort zu sein. Und eine kleine Strandbar gab es auch. Als ich auf meinem Weg vom Umziehen dort vorbeikam, musste ich mir erstmal ein schönes Ožujsko holen. Die Verkäuferin war richtig nett, jedoch erst so um die 20 Jahre alt. Ihr nettes Lächeln fand ich aber toll, und es schien ihr auch nichts auszumachen, dass ich immer zu ihr schaute, wenn sie guckte. Es war wieder ein richtig schöner Tag geworden.
Soline:
In Soline schlenderten wir am Strand entlang. Hier befinden sich diese Holzmaß-Stämme. In früheren Zeiten hat man wohl die Holzstämme immer genauso geschnitten, dass sie zwischen diese zwei Stämme passten, bevor sie auf’s Schiff nach Crikvenica geladen wurden.
Soline
Klimno:
Klimno ist der schönste dieser drei Orte um die Heilschlammbucht herum. Hier war Einiges los in den paar Konobas am Hafen. In einer war so eine Art Selbstdarsteller. Der erzählte ganz laut und sang danach auch, was die übrigen Gäste anscheinend gut zu unterhalten schien. Ein großer Anker liegt hier an der Uferpromende und eine kleine Kirche gibt’s hier auch. Leider war sie verschlossen, denn sie soll ein schönes Altarbild beinhalten. Nun wollten wir noch mal in Risika am Sandstrand vorbeischauen.
Klimno
Strand Sveti Marak:
Hier wollte ich unbedingt vorbei. Diesen Sandstrand mag ich. Oben nahmen wir erst einmal einen kleinen Snack zu uns. Ich aß einen Hot Dog und trank ein kleines Orangina-Getränk. Die Hot Dogs hier sind nicht schlecht. Ein komplett ausgehöhltes Baguette, und darin steckt eine Bockwurst und Senf und Ketchup. Es kann nichts herauslaufen.
Hier war also schon zum zweiten Mal schwimmen angesagt heute. Aber es war etwas kühler geworden. Viele Menschen waren nicht mehr im Wasser. Marco begnügte sich mit einem Sonnenbad. Ich dagegen gehe lieber ins Wasser. Braun werde ich sowieso nicht richtig. Nach einer halben Stunde hatte ich jedoch genug und dachte: Nehmen wir uns doch ein bisschen mehr Zeit für den Schlusspunkt des Tages: Dobrinj.
Dobrinj:
Altes Dobrinjer Haus...
Dobrinj ist ein sehr hoch gelegener Ort, von dem aus man auch die Heilschlammbucht sehen kann. Es gibt einen Aussichtspunkt über der Kirche, von dem aus man sieht, wie tief der Wald rings um Dobrinj gelegen ist. Einer Legende nach haben böse Zungen während des Baus des Glockenturms einen Zauberspruch ausgesprochen und den Turm dazu verdammt, immer wieder umzustürzen, was in der Vergangenheit bereits mehrfach geschah. Dobrinj fehlte uns noch in unserer „Sammlung“. Dies war ein recht wichtiger Ort (immerhin eine der 7 Gemeinden auf Krk), den wir bisher noch nicht kannten. Und ebenfalls viel schöner, als ich dachte. Er besitzt viele alte Häuser. Wenn man in den Ort kommt, dauert es nicht lang, und man kommt zum Hauptplatz unter der Kirche und dem Park „Jardin“. Hier befindet sich die Konoba Zora. Hier sitzt man sehr gemütlich. Sehr urig ist auch die Konoba Kennedy, die links vor dem Hauptplatz in einer Gasse liegt.
Kirche zum Hl. Stephanus
Wir durchstöberten den gesamten Ort, bewunderten die hübsche Atmosphäre und genossen die Aussicht am Rande des Ortes. Und diese Bauwerke aus Trockensteinmauern, die „Gumna” genannt werden, gibt es hier. Es heißt, dass die Vorfahren jedes Stück Brot mit mindestens einer Blase an der Hand bezahlten. In diesen Bauwerken wurde nämlich Getreide gedroschen. In ihnen ließ man Ochsen im Kreis laufen.
Blick von Dobrinj auf die Heilschlammbucht
Dann kamen wir die Gasse bei der Konoba Kennedy hinab, die geschlossen hatte, blieben kurz stehen und bewunderten, wie urig man dort sitzen kann. Ein Schild war an der Tür, was darauf hinwies, dass am 01.07.2014 wieder geöffnet werden soll. Wir hatten gar nicht die Nachbarin bemerkt, die in unsere Richtung kam. Sie bot uns an, doch mal die Treppen hochzugehen und zu schauen. Viele Accessoires und Pflanzen standen in der mittleren Etage. Dies sah alles sehr idyllisch aus. Offensichtlich kann man unten drin sitzen und draußen, in der mittleren Etage und auch auf dem Dach. Die Dame wirkte gebildet und sprach recht gut Deutsch und auch Englisch. Sie erklärte uns, dass sie nach dem Rechten sehe, da der Wirt leider an Krebs erkrankt sei. Dies machte uns traurig. Es folgte ein langes Gespräch mit ihr. Wir kamen gar nicht mehr los. Sie sprach mit uns viel über Šurlice, Dobrinj und die Vergangenheit, manchmal auch in einem Mix aus Deutsch und Englisch. Sie redete über „Governours“ und „Dukes“. Na, da kann man nur hoffen, dass der Wirt wieder gesund wird und seinen Wunsch, die Konoba wieder zu öffnen, realisieren kann.
Konoba Kennedy
Als wir dann doch irgendwann loskamen, setzten wir uns am Platz in die Konoba Zora. Am Platz war viel los. Eine recht gutaussehende, selbstbewusst wirkende Frau ließ ihre Töchter auf dem Platz spielen. Ein Mädchen hatte dauernd eine Tröte im Mund, von der es auch ohne Unterlass Gebrauch machte. Fand ich witzig. Ein anderes Mädchen flitzte mit ihrer kleinen Schwester im Kinderwagen so schnell über den Platz, als hätte sie lediglich eine Puppe dabei. Mir schien das etwas gefährlich. Wir aßen Seehechtfilet mit Mangold und Kartoffeln und Ziegenkäse von der Insel Krk.
Hier ist die Konoba Zora...
Später ließen wir den Abend wieder auf unserem Balkon in gewohntem Maße ausklingen.
Fortsetzung folgt...