Teil 3: 5311 km nach Rovinj und zurück (Von Bratislava nach Knin - 30 Fotos)

Eisenbahner

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Liebe Mitreisende!

Im vorigen Teil unseres Reiseberichtes hatten wir uns im Schlafwagen Prag-Split eine deftige Gulaschsuppe gegönnt. Nun erreicht unser Zug Bratislava, slowakische Hauptstadt und nach Berlin und Prag die dritte europäische Hauptstadt, die wir durchfahren. Im Bahnhof sehen wir einen russischen Schlafwagen aus Moskau und slowakische Fahrzeuge:




Aus dem Zugfenster sehen wir einige Straßenzüge der Innenstadt, aber auch die Pressburg. Sie war zeitweise Sitz des Habsburgers Ferdinand I (1503-1564), nämlich in der Zeit, als Türkisch-Ungarn mit Budapest von den Osmanen beherrscht wurde:


Die Schienenfahrzeuge in Ungarn – zumindest die älteren – sehen wieder ein wenig anders aus:






Und die Zeit vergeht doch recht schnell, plötzlich ist man in Budapest angekommen. Der Planmäßige Aufenthalt beträgt hier ca. zwei Stunden, was damit zusammenhängt, dass unser Schlafwagen nun vom Slovan (Prag-Budapest) getrennt und der Zug Adria (Budapest-Split) zusammengestellt wird. Die Bahn hat dabei ein besonderes Bonbon für uns: Die Zusammenstellung des neuen Zuges bedingt sehr häufiges hin- und herrangieren im Vorfeld des Bahnhofs, und da die Schienen hier nicht geschweißt, sondern nur geschraubt sind, hört und fühlt man permanent das klassische Geräusch, das beim Überfahren der aneinanderstoßenden Schienenenden entsteht. Da werden Erinnerungen an die DDR-Reichsbahn wach…
Im Rangierbereich steht auch ein Schlafwagen der serbischen Eisenbahn. Die Beschriftung ist dieselbe wie bei der damaligen jugoslawischen Eisenbahn JZ: Kola za spavanje. Seit meinen Fahrten in den 80er Jahren mit solchen Gefährten von Ljubljana nach Ploce habe ich diese Beschriftung nicht vergessen. Schön, sie hier wieder zu sehen:




Weiterhin wartet eine sechsachsige E-Lok aus Rumänien auf ihren nächsten Einsatz. Die gehäkelten Gardinchen an deren Fenstern sind in unseren Breiten eher unüblich, aber jeder macht sich seinen Arbeitsplatz so gemütlich wie es geht:


Die Zeit bis zur Abfahrt aus Budapest Keleti (Ostbahnhof) reicht aus, um nun einige Details unseres Abteils abzulichten. Der Aschenbecher trägt noch das geprägte CSD-Zeichen der Československé státní dráhy (Tschechoslowakische Staatsbahnen), die von 1918 bis zur Besetzung 1939 existierten und dann wieder von 1945 bis Ende 1992, bis zum Ende also der Tschechoslowakei als Staat. So hält die Bahn mitunter auch historisch anschauliches Lehrmaterial bereit:


Das typische glattlackierte Holzdekor der Inneneinrichtung kennen wir aus den DDR-Reichsbahnwagen noch, und dieser Schlafwagen stammt ja auch aus der Waggonbauindustrie der DDR. Über Geschmack lässt sich ja streiten, ob ein braun lackierter Abfallbehälter sein muss, wissen wir auch nicht so recht, aber sauber ist er!:


Die Leselampe über dem Bett mit dem aparten Schalter aus einer anderen Zeit erinnert mich irgendwie an den Blinker des Robur Garant – LKW, den mein Onkel in der Täterä fuhr und der schon „damals“ qua Design ungläubiges Staunen hervorruf – jedenfalls für uns als Besucher aus dem Westen. Dennoch: Die Lampe leuchtet!:




Das Bedienpanel für Licht und Schaffnerruf überzeugt durch – sagen wir – Stilechtheit, und die Notbremse ist noch von altem Schrot und Korn, inklusive der kyrillischen Beschriftung – Zugeständnis an Verhältnisse, die nun Vergangenheit sind und hier noch einmal in Erinnerung gerufen werden:






Das kleine Gepäcknetz macht seinem Namen noch alle Ehre:


Schließlich ist unser Zug Adria nach Split nun fertigkomponiert, wir stehen am Bahnsteig in der Bahnhofshalle Budapest Keleti. Hinter uns ist nun der Schlafwagen Moskau-Split eingereiht, und wie wir sehen, erhalten die Wagen unseres Zuges gerade frisches Wasser:







Budapest-Kelenföld, 15' Verspätung

Mit etwas Verspätung setzt sich der Zug dann in Bewegung. Budapest-Kelenföld verlassen wir um 18.25 statt um 18.22, und dann erreichen wir bald den Balaton. In abendlich lauer Sommerluft fährt der Zug nun ca. eine Stunde den Plattensee entlang. Vom Zugfenster aus kann man etwas von der entspannten und ruhigen Atmosphäre der kleinen Badeörtchen am See mitbekommen. Die Campingplätze und Unterkünfte liegen oft direkt am Wasser, nur wenige Meter weiter liegt die Schienenstrecke. Viele Urlauber essen nun in den Restaurants draußen zu Abend, für Kinder sieht man öfter kleine, kirmesartige Attraktionen, die aber ohne Musik-Beschallung betrieben werden.

Dann können wir den Sonnenuntergang am Balaton erleben, und schließlich schickt uns die Sonne die letzten Strahlen des Tages, während man am offenen Zugfenster die Grillen zirpen hört:




Als wir die Grenzbahnhöfe Gyekenyes (HU) und Koprivnica (HR) passieren, ist es schließlich dunkel draußen, die Luft etwas kühler geworden. Der Wagen wird nun für die Nacht verschlossen, wir begeben uns zur Ruhe in unser Bett und fahren nun schlafend bereits auf kroatischen Gleisen der Adria entgegen.


Bitte keine ungebetenen Gäste: Zur Nacht wird der Schlafwagen verschlossen

Am folgenden Morgen – es ist der dritte Tag der Anreise nach Rovinj – wachen wir in Knin wieder auf. Wir sind hier bereits in Norddalmatien, in der Gespanschaft Sibenik-Knin. Die Stadt war im Jugoslawienkrieg vorübergehend Hauptstadt der Republik Serbische Krajina. Es ist noch relativ früh am Morgen, der Zug wirft noch längere Schatten am Bahnsteig, der letzte Wagen, einer der ungarischen Eisenbahn, raucht. Der Wagenmeister nimmt sich der Sache an und scheint das Bremsproblem in den Griff zu bekommen. Mit seinem Klanghammer aus Eschenholz prüft er die Sicherheit der Waggons. Dem Schlag auf die Lauffläche eines Rades bzw. dem entsprechenden Klang kann er entnehmen, ob die Bremsen in Ordnung sind oder nicht. Die Karte zeigt den Grund für die besondere Vorsicht bei den Bremsen: Der Zug hatte, aus Richtung Norden kommend, nicht das Gebiet von BiH berührt, sondern den Weg durch das Kapela-Gebirge genommen, vor uns liegt nun also der Abschnitt Knin-Split, auf dem auch noch einige Hügel zu bewältigen sind, mit Steigungen und entsprechendem Gefälle. Knin selbst liegt 214m hoch, und am Ende des Schienenstranges in Split kommen wir dann schließlich bei wenig über 0,0m an.


Am Morgen des dritten Reisetages: Knin


Der Herr mit dem Klanghammer sorgt für unsere Sicherheit


Quelle: Felix Reimann, Topographie des Dinarischen Gebirges, GNU Free Documentation License

In satter Morgenbeleuchtung präsentiert sich den Reisenden über der Stadt die Festung Knin, deren Anfänge in das 9. Jahrhundert zurückreichen und die zu den größten ihrer Art in Kroatien zählt:


Inzwischen ist die Bahnhofskatze auch schon aufgewacht und streckt sich, bevor es auf Eidechsen-Jagd geht oder beim Bahnhofspersonal nach Nahrung gefragt wird:


Wir sind da etwas besser dran, denn der Schlafwagenschaffner – zwei davon wechseln sich jeweils ab – bringt uns das Frühstück. Es gibt – regions- und bahnverwaltungstypisch – heiße Schokolade, Orangensaft und das in Ost-/Südosteuropa unvermeidliche eingeschweißte Croissant. In Westeuropa sieht das Frühstück etwas anders aus, aber man ist zufrieden, wusste, was einen erwartet, will sowieso nicht gleich am Morgen zuschlagen und hat außerdem – eine seit vielen Jahren erprobte Maßnahme – die „ewige Prinzenrolle“ dabei, die schon oft bei gewissen Infrastrukturmängeln ihre guten Dienste tat und auch für wärmere Gefilde geeignet ist. Beim nächsten Ton ist es 7.49 Uhr. Noch ca. 1,5 Stunden bis Split:


So, nach dem kleinen Frühstück kommt der eisenbahntechnische Höhepunkt unserer Reise, die Fahrt durch das hügelige dalmatinische Hinterland hinunter nach Split - voran zwei kräftige sechsachsige Dieselloks mit herrlichem Sound. Doch davon und von Split selbst dann mehr im nächsten Teil, nun grüßt aus dem sonnig-warmen Münsterland, mit Wünschen für einen schönen Sonntag versehen, der

Eisenbahner
 
H

Harry1958

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Auch Teil 3 - wieder genüßlich zu lesen.
Danke, klasse Bericht.

Gruß Harry
 

Heiko705

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Danke, danke!!! Wirklich sehr interessante Berichte!
 

Udo

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Einfach wunderbar, diese Reise!
Und ja, die gute alte Taigatrommel fährt immer noch... (Bilder 4+5)
 

baskafan

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Hallo Eisenbahner
Deine Berichte sind wirklich eine Klasse für sich.
9_rateform.gif


Danke

Hannes
 

hadedeha

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Eisenbahner, es war wieder ein Genuss, Deinen Bericht zu lesen. Vieles erinnert mich an längst vergangene Zeiten, als ich noch als junger Interrail-Hüpfer das Schienennetz Ost- und Südosteuropas unsicher gemacht habe. Danke!

Liebe Grüße
Helga
 
E

ELMA

Guest
Hallo Eisenbahner-
Dein Bericht bereitet Freude - ich lese ihn mit großem Vergnügen.

Danke!

Ein paar Frage seien erlaubt:

Du hast dieses Kärtchen eingefügt, das den Bereich Bihac/Una/Knin zeigt.
comp_karteknin0okk6.jpg


Du hast von Koprivnica bis Knin geschlafen..
Ich weiß, dass die Bahnlinie, die vor dem Krieg von Zagreb über Novi Grad und Bihac nach Knin führte ( s. Karte) , zum Teil zerstört ist und nur noch abschnittsweise in Betrieb ist. ( Ich habe es in meinem Bericht erwähnt.)

Es würde mich interessieren, wie die Streckenführung von Zagreb nach Split jetzt ist - an welchen Orten/Städten führt sie vorbei?
Blieb diese Strecke während des letzten Kriegs unversehrt?
Weißt Du etwas darüber?

Gruß,
Elke
 

Weppi62

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Hallo Eisenbahner,

toller Bericht mal was anderes .Und vor allem die Bilder sehr interesant.

Herzliche Grüße Uschi
 

Suncokret

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Hallo Elma, ich antworte mal teilweise für den Eisenbahner ;- )
Es würde mich interessieren, wie die Streckenführung von Zagreb nach Split jetzt ist - an welchen Orten/Städten führt sie vorbei? Blieb diese Strecke während des letzten Kriegs unversehrt?
Das Stück von Knin bis Split ist hier mit allen Stationen beschrieben, von Ogulin bis Knin dort . Welche Schäden daran während des Krieges entstanden, weiß ich leider nicht. Unversehrt waren die Strecken nicht, siehe die Abschnitte in den verlinkten Artikeln.
 

Eisenbahner

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Danke für die Antwort.
Suncokret hat schon die Infos beigesteuert.

Einigermaßen kann man die Strecke hier verfolgen: http://www.openrailwaymap.org/

Die Verbindung Zagreb-Split wird ausschließlich über kroatisches Territorium betrieben, wenngleich manchmal auch hart an der Grenze zu BiH.
Dies wird v.a. politische Gründe haben, es hat allerdings auch die praktische Konsequenz, dass man als (Schlafwagen-)Reisender - hier von Ungarn kommend - komplett in Ruhe gelassen wird ab Koprivnica (kroatische Grenze) mit einer relativ langen Nacht. Nach einem Schengen-Beitritt würde man gar nicht mehr gestört, auf der gesamten Fahrt.

Aus Berichten in Eisenbahnforen weiß ich, dass die Eisenbahnfahrten nach BiH bzw. auch z.B. nach Bar durch Serbien und Montenegro ein weiteres, echtes Abenteuer sind (u.a. höchste Eisenbahnbrücke Europas), allerdings die Grenzkontrollen oft rücksichtslos erfolgen, egal zu welcher Tages- und Nachtzeit. Nicht wenige fühlten sich an finstere DDR-Zeiten erinnert.
Dies entfällt auf der Strecke nach Split also, die kroatischen Grenzer habe ich immer als angemessen in ihrem Auftreten erlebt.
So hat der Krieg - leider - einige traditionelle Verbindungen beeinflusst. Bei meinen früheren Fahrten Ljubljana - Prijedor - Doboj - Sarajevo - Mostar - Ploce ist mir nicht bewusst gewesen, durch verschiedene Teilstaaten zu fahren, noch weniger ahnte man überhaupt, dass damals neue Topzüge (Olimpik Ekspres z.B.) Jahre später zerschossen irgendwo herumstehen würden ...

Gruß vom
Eisenbahner
 

Kata

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Hallo, ich habe deinen Teil 3 jetzt erst gelesen - wieder wunderschön, Du bringst die Stimmung richtig gut rüber. Und Hochachtung von Deinem Hintergrundwissen (Stichwort Klanghammer ...) bezüglich Technik und Ausstattung und historische Hintergrundinformationen. Es ist ein Genuss Deine Berichte zu lesen! Jetzt mach ich mich gleich über Teil 4 her! :)

lG Kata
 

danny1984

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Hallo,

vielleicht noch eine kurze Unterscheidung zu Elmas Frage:

Die Una-Bahn war zu Zeiten Jugoslawiens die Hauptstrecke von Zagreb nach Split und führte über Sunja, Novi Grad, Bihac und Martin Brod nach Knin (-Split), also durch das heutige Bosnien-Herzegowina.
Diese Strecke ist heute in der Bedeutungslosigkeit versunken. Meines Wissens nach gab es hier seit dem Krieg keine überregionalen Züge mehr. Die Gleise liegen wohl noch und werden höchstens auf kurzen Abschnitten noch spärlich befahren, sind aber wohl auch zum Großteil ohne Verkehr.

Die heutige Bahnstrecke Zagreb-Split ("Lika-Bahn") ist eine völlig andere als die Una-Bahn. Sie führt von Zagreb über Karlovac, Ogulin nach Knin (-Split).
Diese Strecke war zu Zeiten Jugoslawiens die mit der untergeordneten Bedeutung, das Gros des Verkehrs lief über die oben beschriebene und heute tote Una-Bahn.
Die heutige Lika-Bahn wurde aufwendig saniert, um auch hier höhere Geschwindigkeiten erreichen zu können. Dass die Lika-Bahn ggü. der Una-Bahn für die Verbindung Zagreb-Split vorgezogen wurde, dürfte politische Gründe haben- eine heutige Fahrt auf der Lika-Bahn (über Karlovac, Ogulin nach Knin) berührt wie richtig geschrieben das Territorium Bosniens nicht, sondern verläuft komplett über kroatischen Boden.

Hier sind beide Strecken gut erkennbar:

http://www.bueker.net/trainspotting...a/croatia---slovenia---bosnia-hercegovina.gif

Man erkennt den dunkelgrünen Strich für die Una-Bahn zwischen Bihac und Knin, was "freight only", also "nur Gütertransport" bedeutet - doch auch diesen gibt es hier m.W. nach nicht mehr.
 
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