Suncokret
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Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat Serbien und Kroatien vom Vorwurf des Völkermords freigesprochen. Er wies die Klagen ab, die beide Länder wegen der Massaker im Jugoslawien-Krieg gegeneinander erhoben hatten. Dazu zwei Kommentare:
Frieden kommt sowieso nicht aus Den Haag
Die von Kroatien demonstrierte Unzufriedenheit ist unangebracht und wenig zielführend, kritisiert die liberale Tageszeitung Jutarnji List: "Recht ist nicht Gerechtigkeit", heißt es nun in Kroatien von allen Seiten. … Schuld am unbefriedigten Gerechtigkeitsgefühl ist aber nicht das Urteil, sondern sind die irrealen Erwartungen. ... Das Den Haager Gericht oder sonst irgendeine internationale Instanz werden Kroatien und Serbien niemals den Frieden bringen. Er kann nur von innen heraus kommen. Den Frieden können nur die politischen Führer in Belgrad und Zagreb initiieren. Eine kluge und verantwortungsvolle Politik wäre, wenn man diese Genozid-Nummer, die von vornherein zum Scheitern verurteilt war, endlich in der Schublade verschwinden lässt und sich konkreten Dingen zuwendet und unter anderem die noch offenen Kriegswunden versorgt." (04.02.2015)
Ende der Genozid-Klagen: Historisches Versäumnis
Die wechselseitigen Völkermordklagen von Kroatien und Serbien wurden endlich ad acta gelegt. Sie waren von Beginn an nicht dazu da, um aufzuklären, sondern aufzurechnen. Denn jeder wusste, dass sie rechtlich nicht erfolgreich sein konnten. Deshalb muss man sich eigentlich fragen, weshalb so viele Gelegenheiten verpasst wurden, die Klagen zurückzuziehen und sich mit den Dämonen der eigenen Vergangenheit wirklich zu konfrontieren. In Kroatien wie in Serbien fehlte der Mut dazu. Man wollte lieber nationalistische Gefühle immer wieder aufladen als die Fakten anerkennen. Das historische Versäumnis der Aussöhnung hat tagespolitische Auswirkungen.
Denn es ist nicht zu erwarten, dass der politische Wille in nächster Zeit aufgebracht werden wird, endlich das Erinnern nicht mehr als eine Art Aufrechnungskrieg zu führen. So hat bereits der Freispruch für den kroatischen Exgeneral Ante Gotovina im Jahr 2012 dazu geführt, dass sich das Verhältnis zu Serbien verschlechtert hat.
Vom serbischen Präsidenten Tomislav Nikolic, einem ehemaligen Tschetnik, ist eine ehrlich gemeinte politische Aufarbeitung der Verbrechen in den 1990ern nicht zu erwarten. Und auch in Kroatien geht man auf Abwehr. Der Analyst Davor Gjenero erwartet eine "sture Haltung" und ein "Einfrieren der Beziehungen". Dazu passt, dass Nikolic nicht einmal zur Amtseinführung der neuen Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic nach Zagreb kommen wird. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 4.2.2015)
Frieden kommt sowieso nicht aus Den Haag
Die von Kroatien demonstrierte Unzufriedenheit ist unangebracht und wenig zielführend, kritisiert die liberale Tageszeitung Jutarnji List: "Recht ist nicht Gerechtigkeit", heißt es nun in Kroatien von allen Seiten. … Schuld am unbefriedigten Gerechtigkeitsgefühl ist aber nicht das Urteil, sondern sind die irrealen Erwartungen. ... Das Den Haager Gericht oder sonst irgendeine internationale Instanz werden Kroatien und Serbien niemals den Frieden bringen. Er kann nur von innen heraus kommen. Den Frieden können nur die politischen Führer in Belgrad und Zagreb initiieren. Eine kluge und verantwortungsvolle Politik wäre, wenn man diese Genozid-Nummer, die von vornherein zum Scheitern verurteilt war, endlich in der Schublade verschwinden lässt und sich konkreten Dingen zuwendet und unter anderem die noch offenen Kriegswunden versorgt." (04.02.2015)
Ende der Genozid-Klagen: Historisches Versäumnis
Die wechselseitigen Völkermordklagen von Kroatien und Serbien wurden endlich ad acta gelegt. Sie waren von Beginn an nicht dazu da, um aufzuklären, sondern aufzurechnen. Denn jeder wusste, dass sie rechtlich nicht erfolgreich sein konnten. Deshalb muss man sich eigentlich fragen, weshalb so viele Gelegenheiten verpasst wurden, die Klagen zurückzuziehen und sich mit den Dämonen der eigenen Vergangenheit wirklich zu konfrontieren. In Kroatien wie in Serbien fehlte der Mut dazu. Man wollte lieber nationalistische Gefühle immer wieder aufladen als die Fakten anerkennen. Das historische Versäumnis der Aussöhnung hat tagespolitische Auswirkungen.
Denn es ist nicht zu erwarten, dass der politische Wille in nächster Zeit aufgebracht werden wird, endlich das Erinnern nicht mehr als eine Art Aufrechnungskrieg zu führen. So hat bereits der Freispruch für den kroatischen Exgeneral Ante Gotovina im Jahr 2012 dazu geführt, dass sich das Verhältnis zu Serbien verschlechtert hat.
Vom serbischen Präsidenten Tomislav Nikolic, einem ehemaligen Tschetnik, ist eine ehrlich gemeinte politische Aufarbeitung der Verbrechen in den 1990ern nicht zu erwarten. Und auch in Kroatien geht man auf Abwehr. Der Analyst Davor Gjenero erwartet eine "sture Haltung" und ein "Einfrieren der Beziehungen". Dazu passt, dass Nikolic nicht einmal zur Amtseinführung der neuen Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic nach Zagreb kommen wird. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 4.2.2015)