O
Olifan
Guest
Von München nach Porec mit dem Crossbike
oder
„Zwei Rentner auf der Suche nach Grenzerfahrungen“
Die Frage nach dem „Warum“ haben wir uns und wurde uns des Öfteren gestellt.
Ist es die Lust auf eine verwegene Aktion und ein unbekanntes Abenteuer?
Ist es die sportliche Herausforderung in Verbindung mit der Begeisterung für ausdauerndes Radfahren?
Ist es die Flucht vor der möglichen „Rentner-Trägheit“ und dem Alltagstrott?
Ist es der Wunsch einmal mehr zu sehen, als nur die vorbei sausenden Landschaften und Orte?
Ist es nichts von allem oder auch alles und noch viel mehr?
Wie auch immer, wir müssen nun endlich in medias res gehen, denn Hans verharrt seit knapp zwei Jahren als Frührentner in Wartestellung. Und seit März bin ich nun endlich in Altersrente. Seit dieser Zeit liegen wir nicht nur unseren Partnerinnen ständig in den Ohren, sondern nerven auch die Umwelt mit der Planung unseres „kühnen“ Vorhabens. Einige haben inzwischen bestimmt an deren Ausführung nicht mehr geglaubt.
Der Juni als Durchführungsmonat wird festgelegt und der Tag der Abfahrt von der Großwetterlage abhängig gemacht. Als der Wetterbericht für den geplanten Weg nach Süden wenigstens drei zusammenhängende Tage gutes Wetter in Aussicht stellt, steht Mittwoch der 17. Juni 2009 als Termin fest.
Für die Gesamtstrecke werden 6 - 7 Tage eingeplant. Nach einigen Tagen Erholung und Entspannung in Porec und Gewichtsaufbau mit istrianischer Küche, soll die Heimreise mit dem Auto stattfinden.
Die Streckenplanung ist, was die Überquerung der Alpen betrifft, klar festgelegt; für die Etappe ab der italienischen Grenze, haben wir zwei Varianten zur Auswahl.
Nun genug der Vorrede, jetzt geht es los!
1. Tag, Der Start in München
Daten zum ersten Tag Mittwoch, 17.06.09
Etappe: München – Fügen
Wetter: sonnig und sehr heiß
Km: 132
Zeit: 8 1/2 Std. incl. Pausen, 6 Std. reine Fahrzeit
Höhenmeter: 932 m Achenpass
Strecke: 25% Schotter - gut befahrbar, 75% Asphalt
Einkehr: Fleck, Gasthaus Papyrer
Highlight: Achensee-Radweg, Abfahrt Achensee – Inntal
Übernachtung: Hotel zur Sonne, 48,-€ incl. HP und Frühstück,
sehr freundlich
Die Tour startet in München bei Hans in der Drygalskiallee. Der Startpunkt ist ein guter Ausgangspunkt für unseren Einstieg auf den Isar-Radweg, der bis zum Sylvensteinspeicher führt.
Um 8.15 Uhr besteigen wir bestens prepariert und hoch motiviert unsere Räder und fahren in Richtung Solln. Nach ca. 2 km entscheidet sich das Hinterrad bzw. der Reifen meines Rades, trotz vorheriger Inspektion die Luft/Lust zu verlieren. Der Reifen ist platt; wir auch, ob des unerwartet, frühzeitigen Abbruchs. Das ist ein Beginn ganz und gar nicht nach unserer Vorstellung!
Wer sein Rad liebt, der schiebt; allerdings zurück und genau die bereits gefahrenen 2 km - bis zum Fahrradhändler. Nach einiger Wartezeit, (der Mechaniker, sonst pünktlich um 9.00 Uhr kommt natürlich ausgerechnet heute 10 Minuten später) wird die Reparatur durchgeführt und ein neuer Schlauch und Mantel installiert. Zusätzlich noch einige kleinere Nachbesserungen, und das Gefährt ist wieder einsatzbereit.
Neustart um 9.30 Uhr
Um diese Zeit wollten wir eigentlich schon in Richtung Wolfratshausen unterwegs sein. Wir beruhigen uns damit, dass ein solcher Defekt nach einigen Kilometern mehr und mitten in der Landschaft noch größere Probleme beschert hätte. Der zweite Startversuch führt uns über Solln und Grünwald, vorbei an der Floßrutsche, auf asphaltierten Straßen und guten Radwegen immer an der Isar entlang in Richtung Süden. Die etwas verwirrende Ausschilderung des Isar-Radweges macht uns manchmal zu schaffen, zumal er nicht immer an der Isar entlang führt und vor Bad Tölz bei den ersten Steigungen bereits die uns noch bevorstehenden Bergetappen ankündigt.
Ab Bad Tölz bis zum Sylvensteinspeicher folgt der Radweg immer leicht ansteigend direkt dem Verlauf der Isar.
Hier führen wir den ersten „Boxenstopp“ im Ort Fleck, im Gasthaus Papyrer durch.
Über den Sylvensteinspeicher, Zufahrt mit kurzen aber heftigen Anstiegen, durch einen Tunnel (nur Rad- und Fußweg) zum Speicher, führt der Weg nun weiter über Landstraßen zum Achenpass.
Ab Achenpass ist der Radweg wieder ausgeschildert, allerdings mit einigen „kleinen“ Erhebungen, welche als Zugabe noch aus holprigem Schotter bestehen und nur schiebend zu bewältigen sind. Nach Überwinden dieser Teilstrecke führt uns der Achensee-Radweg mit herrlichem Blick auf die Traumkulisse der Alpen immer am türkisblauen See entlang.
Geplant war, im Auslauf des Achensees eine Unterkunft zu suchen, da wir aber noch recht gut im Sattel sind, nutzen wir die Abfahrt ins Inntal, um wieder etwas Fahrt aufzunehmen (fun pur!). Unten angekommen biegen wir ins Zillertal ab und fahren auf der Nebenstraße bis Fügen. Dort ist bereits der zweite Versuch eine Übernachtung zu bekommen, im „Hotel Sonne“ erfolgreich. Ankunft im Hotel um 18.00 Uhr.
Räder in den Skiraum, Taschen ins Zimmer, ausziehen, Kleidung und Schuhe auf den Balkon (sehr wirksame biologische Moskito-Sperre) und ab unter die Dusche. Bei Anbruch der Nacht meint Hans unsere Radlschuhe wegen aufkommender Nachtfeuchtigkeit ins Zimmer stellen zu müssen, was uns zu einem betäubenden, erholsamen Tiefschlaf verhilft.
2. Tag, ab Fügen mit Blick auf den Gerlos – Aufstieg
Daten zum zweiten Tag, Donnerstag 18.06.09
Etappe: Fügen - Matrei
Wetter: sonnig und sehr heiß
Km: 102 (122)
Zeit: 9 1/2 Std. incl. Pausen, 7 1/2 Std. reine Fahrzeit
Höhenmeter: 1.628 m Gerlos-Pass (Mautstation)
Höhendifferenz: 1.053 m
Strecke: ausschließlich Asphalt
Einkehr: Wald im Pinzgau
Highlight: Abfahrt nach Krimml und Abfahrt nach Matrei
Übernachtung: Sporthotel Tauern, 45,- € incl. Abendmenue
und Frühstück, sehr freundlich
Nach ruhiger und traumfreier Nacht (dank dem biologischen Betäubungsmittel) erscheinen wir um 7.00 Uhr am Frühstücksraum und stehen vor verschlossener Tür. Die Aussage der Rezeption vom Vorabend „Frühstück von 7 - 9 Uhr“, relativiert sich durch die Tatsache, das dieser erst ab 8 Uhr geöffnet ist. Für die Stunde Wartezeit werden wir mit einem reichhaltigen und schmackhaften Frühstücksbuffet entschädigt, was uns sogar die Tatsache vergessen lässt, von einer englischen Seniorengruppe umzingelt zu sein.
Checkout, Gepäck aufladen, mit frohem Mut und mit leicht schmerzendem Hinterteil auf ein Neues in den Sattel.
Erst geht es über Seitenstraßen, dann nach Überquerung der Zillertal-Bahnlinie auf einen Radweg bis Zell am Ziller. Je näher wir diesem Ort kommen, umso deutlicher sind die Häuser zu erkennen; und weit oben, sehr klein die auf den Berg sich hoch schlängelnden Fahrzeuge.
Langsam kommt ein beklemmendes Gefühl auf, als würde der Berg uns herausfordernd zurufen:
„Kommt nur, lasst euch auf mich ein, ich erwarte euch!“
Dass wir es mit über 1.000 m Höhendifferenz zu tun bekommen würden, hatten wir vorher der Karte bereits entnommen, was dann aber Kurve für Kurve und Meter für Meter auf uns zukommt, übertrifft alle Erwartungen. 12 % Steigung und mehr sind zu bewältigen. Unser Tacho zeigt eine Geschwindigkeit zwischen 6,8 - 7,5 km/h an. Wir hätten auch laufen können, was unser Ehrgeiz aber nicht zulässt. Der Flüssigkeitsbedarf erreicht ungeahnte Dimensionen; Wir wünschten, dass uns die Fans am Straßenrand wie bei der Tour de France in den Bergen mit Wasser übergießen und die Flaschen reichen. Auf Grund unserer sehr mangelhaften Informationspolitik im Vorfeld und der wenig gerührten Werbetrommel für unsere Aktion, sind „unsere Fans“ an diesem Tag leider nicht anwesend.
Nun zur Strecke: Zell am Ziller
bis Gerlos 17 km davon 13 km nur bergauf
Gerlos bis Gerlos Pass 9 km nur bergauf
Gerlos Pass bis Mautstation 3 km nur bergauf
Bist du in Gerlos, denkst du das Schlimmste sei geschafft - weit gefehlt! Der Weg bis zum Pass schraubt sich höher und höher und man bekommt es noch mal mit Steigungen zu tun, die eines Profis (uns beide selbstverständlich eingeschlossen) würdig sind.
Am Pass angekommen, natürlich mit Nachweisfoto, kommt eine schöne (aber leider zu kurze) Abfahrt mit einer nicht erwarteten weiteren Herausforderung, einer beachtlichen Erhebung bis zur Mautstation Krimml auf 1.628 m.
Ganz oben angekommen treffen wir drei Touren-Radler, die noch mehr beladen sind, (was eigentlich unmöglich ist). Auf unsere Frage: „Woher kommt ihr?“ erhalten wir die für uns erschütternde Antwort: „Aus Holland!“ „Respekt!“ - Weitere Fragen ersparen wir uns dann aus Gründen der Ehrfurcht.
Die anschließende Abfahrt über die Krimmler Mautstraße, mit herrlichem Blick auf das Tal und die Wasserfälle, könnte man durchaus als Highlight bezeichnen, wenn da nicht die Längsrillen in der Straße wären. Einmal rein geraten, heißt es, Lenker festhalten, Nerven bewahren und keinesfalls versuchen mit einem abrupten Ausweich-Manöver aus dieser Fahrrille (vergleichbar einer Straßenbahnschiene) auszuscheren.
Im Ort Wald im Pinzgau gönnen wir uns dann die verdiente Rast. Bis zu diesem Ort haben wir lediglich 62 km geschafft und dafür ungefähr 5 Std. benötigt, was einem Schnitt von ca. 12 km/h entspricht. Gestärkt begeben wir uns auf den Salzach-Radweg in Richtung Mittersill, der zwar landschaftlich sehr schön ist, jedoch mit einigen extra Kilometern und unvorhergesehenen Steigungen aufwartet. Ab dem Ort Habach entscheiden wir, den Radweg zu verlassen und die verkehrsreiche Straße zu benutzen, was uns relativ schnell nach Mittersill bringt.
In Mittersill angekommen, stehen wir vor der Entscheidung – bleiben und übernachten – oder Felbertauernstraße in Angriff nehmen. Es ist 17.30 Uhr und wir haben bisher gerade mal 85 km geschafft. Da der Tunnel nicht mit dem Rad, sondern nur per Transfer zu machen ist, entscheiden wir uns für eine Alternative und erkundigen uns nach einem Taxiunternehmen in Mittersill, das auch Fahrräder transportieren kann. Das Ergebnis ist positiv. Ein Anruf und nach 30 Minuten Wartezeit holt uns das Taxi ab und bringt uns über die Felbertauerstraße durch den Tunnel auf die andere Seite für € 32,--. Im Nachhinein eine gute Entscheidung, da die Straße mit ihrem hohen Verkehrsaufkommen, den dunklen, tunnelähnlichen Überbauungen und der Steigung auf wiederum über 1.600 m, als nicht ungefährlich bezeichnet werden kann.
Hinter uns liegt der Alpenhauptkamm, vor uns die Abfahrt nach Matrei. Diese letzten 16 km an diesem Tag sind sehr erquickend und erholsam. Bei der pfeilschnellen Abfahrt mit über 60 km/h und vollem Gepäck (Jetzt müssten uns die Frauen sehen, sie wären ganz sicher „begeistert“!) haben wir wenigsten zum Abschluss des Tages ein Gefühl von Vorankommen und Geschwindigkeit. Die Hotelsuche ist bereits nach dem dritten Versuch im „Sporthotel Tauern“ erfolgreich. Hier tobt das Leben, Schulklassen aus Fieberbrunn und Bregenz sind hier zu einem Schulausflug. Nach einem guten Abendessen, einigen kleinen Marillen und netter Unterhaltung mit den Lehrkräften, ziehen wir uns auf das Zimmer zurück, welches mit Balkon, Sauna (tatsächlich Bestandteil des Zimmers), Saunadusche ausgestattet ist und uns einen herrlichen Ausblick in Richtung Glanz mit der Kendlspitze im Hindergrund gewährt.
3. Tag, Abfahrt nach Lienz und weiter.....
Daten zum dritten Tag, Freitag 19.06.09
Etappe: Matrei – Feistritz a.d. Gail
Wetter: sonnig und heiß, teilweise bewölkt
Km: 125
Zeit: 9 Std. incl. Pausen, 5 1/4 Std. reine Fahrzeit
Höhenmeter: 980 Gailbergsattel
Höhendifferenz: 350m
Strecke: 95% Asphalt, 5% Schotter im Gailtal
Einkehr: Kötschach-Mauthen
Highlight: Abfahrt nach Lienz und Kötschach
Übernachtung: Gasthof Alte Post in Feistritz,
37,25 € incl. Frühstück, Essen extra nach Karte,
sehr preiswert und freundlich
Am Morgen teilt uns eine freundliche Stimme aus dem TV auf 3Sat mit: „Wetter bleibt stabil mit leichten Veränderungen am späten Nachmittag aus Richtung Süd-West“. Durch diese Nachricht positiv gestimmt, begeben wir uns zum Frühstück, welches wirklich alles für eine morgendliche Stärkung in großer Auswahl bietet. Ein großes Lob für den Chef des Hotels, der für uns extra einen separaten Platz reserviert hat und uns so davor bewahrt, in der Flut der Schülerwoge, die den Frühstücksraum überschwemmt, zu ertrinken.
Wir starten um 8.30 Uhr von Matrei aus in Richtung Lienz, noch in Erinnerung die Warnung des Hotelchefs, dass wir unbedingt den Radweg nutzen sollen, da die Autostraße mit ihren Überbauungen sehr gefährlich sei; doch irgendwie finden wir den Einstieg nicht und nehmen daraufhin doch die Straße. Wie sich später herausstellt, war dies die bessere Wahl, denn wir haben wenig Verkehr, eine Straße die nur bergab führt und eine Überbauung, die bei unserer Geschwindigkeit in nur 30 Sekunden bewältigt ist. Ab Huben ist der Radweg ausgeschildert und führt durch eine wunderbare Landschaft immer am Fluss Isel entlang. Trotz unseres gewichtigen Gepäcks – das ist Genussradeln!
Bei unserem Eintreffen in Lienz nach 21 km zeigt der Tacho eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 26,5 km/h an, was bis zu diesem Zeitpunkt von uns noch nie erreicht wurde - einen Dank an die stetig bergab führende Strecke. Obwohl wir bei der Durchfahrt der Stadt Lienz auf den Rädern weitaus schneller sind, als alle Autos, reduziert sich hier unser guter Schnitt wieder.
Die Isel trifft hier auf die Drau und somit befinden wir uns auf dem Drau-Radweg. Dieser landschaftlich reizvolle Weg verläuft zwischen der Bahnlinie und dem Fluss.
Die Etappe bis Oberdrauburg bewältigen wir wie im Flug. Immer abseits der Straße durch Wiesen mit herrlichen Duft - eine Strecke für Sinne und Seele.
Im Ort Oberdrauburg (Kärnten) gönnen wir uns eine kurze Pause mit dem obligatorischen Getränk, dem „Radler“.
Hier treffen wir einen Einheimischen, der weder Interesse zeigt noch Verständnis für unsere weitere Planung, die Bewältigung des Gailbergsattels, aufbringt.
Der Gailbergsattel mit seinen Steigungen und Kurven ist sicher anspruchsvoll, aber im Vergleich zum Gerlospass sehr gut zu meistern, da nicht so lang. Wir treten kräftig in die Eisen und erreichen die Passhöhe bereits nach 50 Minuten. Nach einer kurzen Rast geht es bergab nach Kötschach. Die Mühe hat sich gelohnt, diese Abfahrt ist wieder ein Höhepunkt, Autos überholen uns keine und Radarkontrollen gibt es glücklicherweise an diesem Tag auch nicht.
Im Ort angekommen erkundigen wir uns nach einem empfehlenswerten Lokal. Nach einem guten Essen und Aufbesserung des Flüssigkeitshaushaltes begeben wir uns auf die Nachmittag-Etappe. Wir riskieren einen kurzen Blick in Richtung Plöckenpass, ignorieren aber den sichtlich heftigen Aufstieg und nehmen lieber den Gailtal-Radweg in Angriff.
Dieser Weg führt mit kleinen Abzweigungen immer am Fluss Gail entlang, - kurze, gut befahrbare Schotter-Strecken, ansonsten zu 90% Asphalt.
Vorgesehen war, dass wir in diesem Teil nach einer Übernachtungsmöglichkeit Ausschau halten, da wir aber sehr gut vorwärts kommen, verschieben wir diese Entscheidung von einem Ort zum anderen. Als wir Hermagor erreichen, verfehlen wir wieder mal den Radweg und umrunden stattdessen den 55 ha großen Pressegger See auf der Landstraße. Etwas später entdecken wir doch noch den Einstieg, so hat uns der ausgeschilderte Radweg wieder.
Noch haben wir gutes Wetter, da wir der Schlechtwetterfront, die von Westen heranzieht, immer eine „Radlänge“ voraus sind. Nun wird es allerdings immer dunkler. Ab Götschach befassen wir uns dann doch sehr intensiv mit dem Auffinden einer Unterkunft.
Die erste Möglichkeit bietet sich im Ort Vorderberg an. Die Wirtin der nicht gerade ansprechenden Pension, wir vermuten zumindest dass sie es ist, sitzt in männlicher Begleitung qualmend vor der Tür und strahlt ein solch „freundlich, einladendes Wesen“ aus, dass wir fluchtartig das Weite suchen. In der gegenüber liegenden Gaststätte erhalten wir die Information, dass es im nächsten Ort, in Feistritz a.d. Gail einen „Gasthof Alte Post“ gibt.
Angetrieben vom nahenden Schlechtwetter, welches sich mit heftigem Gegenwind ankündigt und die Aussicht auf ein Nachtmahl und –quartier, lassen uns die letzten 7 km trotz ordentlicher Steigung wie von selbst bezwingen.
Unsere Wünsche werden erhört: Es gibt noch ein Zimmer, das schlechte Wetter hat uns nicht eingeholt und die Küche ist ausgezeichnet. Wir können unser Essen sogar noch im Garten des Hotels einnehmen; begleitet von einem Chor, der über eine Stunde lang mittelalterliche, stimmungsvolle Gesänge einstudiert.
Ein letztes Weißbier, zwei kleine Marillen (in bewährter flüssiger Form) ein Pfeifchen und ab ins Bett.
4. Tag, Feistritz, Regen...Regen...Regen...Entspannung
Samstag 20.06.09
Gut erholt und entspannt erwachen wir am 4. Tag im Hotel „Gasthof Alte Post“ und stellen fest; der Himmel hat seine Schleusen geöffnet, es regnet ohne Unterlass. Auch der Wetter-Bericht im TV macht wenig Hoffnung.
Der Blick aus dem Fenster lässt unsere Freude über einen möglichen Start merklich sinken. Was wir allerdings erst jetzt so richtig zur Kenntnis nehmen, ist die Tatsache, dass wir mit unserer gestrigen Etappe bis auf 17 km an die italienische Grenze vorgedrungen sind. Diesen „kleinen Hüpfer“ bis zur Grenze zu bewältigen, wird uns durch die Wettersituation leider vermiest.
Trotzdem erstmal Sachen packen und wenigstens ein gutes Frühstück einnehmen. -
Das Wetter wird nicht besser. -
Zimmer ist geräumt und das Gepäck steht zum Aufladen bereit. -
Es regnet noch immer, wir glauben sogar immer stärker.
Jetzt entscheiden wir uns zum Verbleib im Hotel und nehmen Kontakt zur Chefin des Hauses auf, um eine Verlängerung zu erreichen.
Problem: Am Nachmittag und Abend findet im Hotel eine Hochzeitsfeier statt und viele der Gäste übernachten im Hotel. Trotzdem bekommen wir das Zimmer Nr. 13 (wollte sie sicher dem Hochzeitspaar und deren Gästen nicht geben). Ich darf sogar im Büro den Computer nutzen, um mich über die aktuelle Wettersituation zu informieren.
Positiv: Der Wetterbericht sagt für den nächsten Tag Sonne in Richtung Süden an.
Wer schon nichts tut, sollte wenigstens gut essen. Nach einem reichhaltigen Mittagsmahl, begeben wir uns auf eine kleine Bergtour zur örtlichen Kirche und bekommen anschließend im Hotel die Sauna angeschaltet, um diesen „Stresstag“ bis zum Abendessen zu überbrücken.
Ach ja, so ganz untätig waren wir nicht. Die Auszeit haben wir auch noch dazu genutzt, um unsere verschwitzten Radklamotten zu waschen und auf der Heizung zu trocknen; um uns endlich mal wieder einen freundlicheren Duft für den nächsten Tag zu verleihen.
Wir beschließen diesen Ruhetag (die geschundenen Hinterteile werden es uns danken) an der Hausbar mit Gesprächen und erhalten Tipps für die Weiterreise. Hier besonders vom „Dorfunikum“ Wolfgang mit dem Rat: „Nehmt den Alpe-Adria Radweg ab Tarvisio, dann seid ihr in 2 Std. in Udine“. „Hoppla, welcher Radler schafft ca. 90 km in 2 Stunden?“
Nach 2 oder 3 Marillen (plus Schnaps von Haus) begeben wir uns nach diesem „aufreibenden“ Tag zur Nachtruhe.
5. Tag, Feistritz - Alpe/Adria Radweg – Cividale del Friuli
Daten zum fünften Tag, Sonntag 21.06.09
Etappe: Feistritz a.d. Gail – Cividale del Friuli
Wetter: sonnig, anfangs kühl, später heiß
Km: 125
Zeit: 8 Std. incl. Pausen, 5 1/2 Std. reine Fahrzeit
Höhenmeter: 563m Feistritz
Höhendifferenz: 428m bergab
Strecke: 100% Asphalt
Einkehr: Venzone
Highlight: Alpe-Adria Radweg bis Pontebba, Pause in Venzone
Übernachtung: Hotel Roma in Cividale, typ. Stadthotel,
saubere kleine Zimmer
85,-€/Zimmer incl. Frühstück, freundlich
Das plötzlich nicht mehr vorhandene Geräusch von prasselndem Regen lässt uns wach werden. Noch immer hängen einige dicke Wolken am Himmel, aber insgesamt stellt sich die Wettersituation als recht positiv dar. Jetzt ist rasches Fertigmachen angesagt, denn wir brennen förmlich darauf, unsere Tour fortsetzen zu können.
Wir starten um 8.30 Uhr. Die Temperaturen sind kühl aber angenehm. Hans ist verpackt als würde er zu einer Antarktis-Expedition aufbrechen. Außergewöhnlich reizvoll sind seine Überstrümpfe, besonders dann, wenn sie etwas nach unten rutschen und sein markantes Männerbein wenn auch nur ansatzweise freigeben.
Die Strecke von Feistritz nach Tarvisio bewältigen wir sehr schnell auf der Landstraße. Kurz vor dem Ort erkennen wir auf der gegenüberliegenden Straßenseite das Hinweisschild „Alpe-Adria“ Radweg.
Wir staunen über den komfortabel ausgebauten Weg, mit Mittel- und Randstreifen, der uns oberhalb von Tarvisio am alten Bahnhof vorbei in das Fellatal führt. Dieser Abschnitt bis Pontebba ist landschaftlich sehr reizvoll, umgibt uns mit idyllischer Ruhe und lässt eine hohe Reisegeschwindigkeit zu. Nach jeder Kurve, nach jedem kleinen Anstieg eröffnen sich neue, großartige Perspektiven für das Auge.
Wir durchfahren einen kleinen Wasserlauf, der durch den ergiebigen Regen vom Vortag entstanden ist. Der außerordentlich abwechslungsreiche Weg geht durch schmale Täler, vorbei an Wiesen mit einzigartigem Blütenmeer. Wir passieren die hübsch restaurierten Bahnwärterhäuser und machen Blindfahrten durch gut ausgebaute (jedoch leider unbeleuchtete) Tunnels.
Wir bewegen uns auf diesem Traum von einem Radweg immer weiter bergab, und können auf Grund des geringen Kraftaufwands die Umgebung ganz besonders genießen.
Bis uns in Pontebba eine Absperrung ausbremst. Der fantastische Radweg endet leider hier. Wie wir später erfahren, ist die Radroute an verschieden Stellen beschädigt und befindet sich im weiteren Verlauf noch im Ausbau. Es ist die Trassenführung der alten, stillgelegten Eisenbahnstrecke mit unzähligen Tunneldurchfahrten, die etwas oberhalb der Landstraße verläuft. Dass hier noch viele Arbeiten notwendig sind, ehe dieser viel versprechende Weg für Fahrräder und Fußgänger zugänglich gemacht werden kann, ist bei seiner enormen Länge verständlich, denn er soll einmal an der Adria enden.
In Pontebba verlassen wir daraufhin gezwungenermaßen diesen Weg und folgen nun der regulären Straße, die allerdings durch einen breiten, abgeteilten Randstreifen sehr gut mit dem Rad zu befahren ist, ohne dabei für den lokalen Verkehr, der sich sowieso in Grenzen hält, ein Hindernis zu sein. -Inzwischen ist es wieder sehr warm und Hans entledigt sich seiner arktischen Bekleidung, sowie der Stulpen, Applaus spendende Damen sind bei seinem Striptease leider nicht anwesend.- Wir folgen dieser Straße bis zur Abzweigung in Carnia, dort biegen wir auf die Staatstraße 13 ab. Wir sind schon 3 Stunden unterwegs und haben 70 km geschafft; allerdings befinden wir uns noch nicht mal in der Nähe von Udine. Uns kommen die Worte von Wolfgang wieder in den Sinn: „Es geht nur bergab, ihr seid in 2 Stunden in Udine“.
Als wir von zwei sportlichen Radlern (ohne Gepäck) überholt werden, können wir noch nicht ahnen, wie sich diese Begegnung auf den heutigen Tag auswirken wird. Noch während wir die Frage stellen, ob es hier einen Radweg gibt, ist uns klar, dass die beiden Italiener sind. Die Kommunikation gestaltet sich anfangs etwas schwierig. Nach kurzer gemeinsamer Fahrt fragt uns einer, mit der für Italiener typischen, ausdrucksvollen Gestik, ob wir mit ihnen ein „Birra“ trinken wollen. Dieses Angebot ist trotz der Sprachschwierigkeiten sehr gut zu verstehen und die anstehende Mittagspause lässt uns sofort zustimmen. Wir folgen ihnen in den Ort Venzone. Eine sehr schöne alte Stadt geprägt von ihrer historischen Entwicklung und der überstandenen Katastrophe: Am 6. Mai 1976 wurde Venzone nahezu vollständig durch ein Erdbeben zerstört. Das erklärt auch den außerordentlich guten Zustand der Bauten, die später völlig neu, jedoch wieder im herkömmlich historischen Stil errichtet wurden. In der Innenstadt biegen die beiden in eine Toreinfahrt welche in einem Innenhof endet, und den spektakulären Namen „Palazzo Orgnani Martina“ hat. Es befinden sich ein Brunnen und lediglich ein Holztisch mit Bänken darin.
Die Räder werden abgestellt und wir aufgefordert uns zu setzen. Hinter einem Vorhang ist eine große Küche zu erkennen, in der reger Betrieb herrscht. Sofort werden große Glaskrüge mit Bier gereicht. Kurze Zeit später stoßen zwei weitere Radler dazu. Einer mit guten Englischkenntnissen, so dass sich die Verständigung verbessert. Bald steht eine Platte mit Schinken auf Ruccolasalat und massig Weißbrot auf dem Tisch. Die Bierkrüge werden ständig nachgefüllt. Die Stimmung ist genial. Es ist unterhaltsam und wird viel gelacht. Bald darauf stellt ein beleibter Koch Teller auf den Tisch, um kurz danach eine überdimensionale Pfanne herauszuschleppen, gefüllt mit Spaghetti Aglio-Olio.
Toni, hier zu erkennen als Spaghetti Verteiler, erklärt uns die ideale Wegstrecke für unsere Weiterfahrt. Dass wir uns am Hintereingang, bzw. der offenen Küche eines großen Lokals befinden, stellen wir erst später fest. Nach Beendigung des Festmahls wird der Versuch, die Zeche zu zahlen vehement abgelehnt und uns klar gemacht, dass es sich um eine Einladung handelt. Nicht genug damit, Toni entführt uns noch in sein Haus in Gemona und bewirtet uns mit Espresso. Den dazu angebotenen Grappa lehnen wir vorsichtshalber ab.
Die überwältigende Gastfreundschaft und herzliche Aufnahme wird uns noch lange in Erinnerung bleiben. Nach solch einer wohltuenden Gastlichkeit, noch dazu einem völlig Fremden und Ausländer gegenüber, muss man in Deutschland lange suchen und wird sie dann wahrscheinlich nicht mal finden.
Nach diesem außergewöhnlichen Erlebnis fällt es uns schwer, wieder zum „Tagesgeschäft“ zurückzukehren. Über Gemona, Tercento und Faedis, auf der Staatstraße 356, führt uns der Weg durch Weinberge und eine leicht hüglige Landschaft nach Cividale del Friuli. Hier treffen wir, nach zurückgelegten 125 km, gegen 17.00 Uhr ein. Zu diesem Zeitpunkt tobt das Leben in der Innenstadt. Wir haben ausgerechnet einen Tag erwischt, an dem ein Rockfestival stattfindet. Die Suche nach einem Hotel gestaltet sich aus diesem Grund auch etwas schwierig. Wir finden dann aber doch das „Hotel Roma“, zentral gelegen in der Innenstadt.
Wie üblich: Räder verstauen, Taschen aufs Zimmer, duschen, anziehen und ab in die Stadt, denn der Hunger nagt bereits wieder.
Nach der Besichtigung des sehr schönen historischen Ortskerns mit seinen altehrwürdigen Gebäuden unter anderem der Brücke „Ponte del Diavolo“, finden wir ein gutes und erstaunlich preiswertes Lokal. Im Hotel erlauben wir uns noch einen kleinen „Absacker“, um dann im Bett zu verschwinden.
6. Tag, Cividale – Porec/Gulici, Finaltag
Daten zum sechsten Tag, Montag 22.06.09
Etappe: Cividale del Friuli - Porec/Gulici
Wetter: ideal, warm, leicht bewölkt, Istrien
teilweise leichter Regen
Km: 159
Zeit: 10 Std. incl. Pausen, 7 Std. 23 Min. reine Fahrzeit
Höhenmeter: 135m Civedale
Höhendifferenz: 135m bergab auf Meereshöhe
Strecke: 99% Asphalt
Einkehr: Dekani, Slowenien
Highlight: Duino bis Triest, Parenzana in Slowenien
Übernachtung: Gulici "Villa Privat"
Geweckt werden wir: von unserer inneren Uhr, der Gewissheit dass, heute die letzte aber auch längste Etappe vor uns liegt und dem Verlangen nach einem guten Kaffee. Dieser übertrifft mit seiner Stärke dann auch alle Erwartungen und ist nur mit viel Milch genießbar. - Der Zweck ist erfüllt - die Geister geweckt. Nun folgt das übliche Ritual; einpacken, auschecken, aufladen und mit Rücksicht auf das lädierte Hinterteil ganz behutsam aufsteigen.
Gegen 8.30 erfolgt der offizielle Start.
Der Weg führt auf der Landstraße durch ein herrliches Rebenanbaugebiet mit imposanten Weingütern. Wie immer geht es leicht bergab, was uns wieder sehr schnell vorwärts kommen lässt. Nach Durchfahrung der Orte Gagliano, Spessa und Brazzano erreichen wir die Stadt Cormons. Den Tipp unserer italienischen Freunde, den Weg über Goriza zu nehmen ignorieren wir, da gemäß der Straßenkarte ein Umweg von gut 25 km zustande gekommen wäre. Dafür entscheiden wir uns in Cormons für einen kleinen, unbeabsichtigten Umweg, der uns gut 5 km kostet. Wir teilen uns die stark befahrenen Staatstraße 305, die direkt von Udine nach Monfalcone führt mit dem morgendlichen Berufsverkehr. Großes Lob an die italienischen Verkehrsteilnehmer, ob PKW oder LKW, alle verhalten sich außerordentlich vorsichtig und rücksichtsvoll Radfahrern gegenüber.
Meerwärts heißt die Devise. Leider ist diese Teilstrecke weder ein optisches Highlight noch ein ideales Radler-Terrain, doch sie führt uns auf direktem Weg zur Adria-Küste, die wir glauben, in Monfalcone erreicht zu haben. Weit gefehlt, vom Meer ist nichts zu sehen, nur sehr viele Industriebauten und nicht einmal ein attraktives Stadtbild. Erst nach weiteren 12 km und einem Aufstieg auf die Felsenküste, können wir erstmals das Meer oberhalb des Hafens von Sistiana sehen. Am Horizont zeichnet sich die Küste vor Muggia ab und vermittelt uns eine Vorstellung welche Strecke noch zu bewältigen ist.
Die Straße windet sich immer oberhalb der Steilküste entlang und hat einen eigenen markierten Randbereich für Radfahrer. Nun wird es richtig maritim. Wir kommen an herrschaftlichen Villen vorbei mit einer einzigartigen Traumlage an der Küste. Nach weiteren 17 km erreichen wir das Ortsschild Triest. Auch hier zeigt sich die Stadt noch von ihrer besten Seite. Es geht vorbei am Rathaus von Triest mit der Piazza dell´Unita. Bis zum Zentrum können wir weiterhin die vorhandenen Radwege benutzen.
Unsere Freude währt nicht lange, denn ab hier ist die Beschilderung eingestellt. Hinweise, welche Straßen benutzt werden dürfen und welche nicht, fehlen gänzlich. Hauptverkehrsstraßen enden überraschend in einer Zufahrt auf die Stadtautobahn. Wahrscheinlich sind die chaotischen Zustände auf die umwälzenden Veränderungen des kompletten Verkehrsnetzes der letzten Jahre zurückzuführen. Busse bei ihrer Zufahrt zu Haltestellen oder beim Verlassen derselben, bremsen uns immer wieder aus und machen uns das Leben schwer. Diese Stadt raubt uns mit ihrem Gestank die Luft und die Schwüle kostet uns nach inzwischen 70 km Fahrtstrecke viel Energie und Nerven.
Die schlimmsten Abschnitte von Triest sind überstanden. Wir nähern uns der slowenischen Grenze. Nach Durchqueren des Tunnels, der bis zur Fertigstellung der Autobahn, Hauptverkehrsweg nach Slowenien war, erreichen wir die Grenze. Ein kurzer Zwischenstopp am Kompass-Shop ist Pflicht, um die für die nächsten Tage notwendige Ration an Pfeifentabak zu erstehen.
Dann über die Grenze und wir sind in Slowenien.
Wie auf Bestellung empfängt uns hier das Hinweisschild auf den Radweg D-8, auch bekannt als ehemalige Eisenbahn-Trasse „Parenzana“. Wo früher alte Dampfloks durchschnauften, führt jetzt ein landschaftlich sehr schöner, gewundener Radweg bis Koper. Es ist jetzt 13.30 Uhr und Zeit für eine Mittagspause. Daher legen wir kurz vor Koper einen Stopp in Dekani ein. Gestärkt verlassen diesen Ort und folgen dem Radweg, erst an der Autobahn, dann am Meer entlang bis Izola. Nach einem kurzen Schotterstück wechselt der Weg auf Asphalt und wird zu einem echten Erlebnis. Selbst zwei inzwischen ziemliche platte Freizeit-Radler, haben noch die Kraft sich daran zu erfreuen.
Auf gut markierten Wegen, durch beleuchtete Tunnels, führt uns die Strecke nach Portoroz. Weiter geht es an den Salinen und dem Flughafen vorbei zur Grenze. Der Berg und der damit verbundene, unvermeidbare Anstieg kommen bedrohlich immer näher.
Zwei alte, kurz vor dem Zusammenbruch stehende Rentner mit ihren bepackten Fahrrädern, können den Zöllnern nur ein müdes Lächeln entlocken, begleitet von einer jovialen Handbewegung, die uns damit den Eintritt in ihr Land gewähren; ohne auch nur einen Blick auf unsere mühevoll rausgekramten Personalausweise riskiert zu haben.
Kroatien wir kommen, doch zunächst kommt der Berg. Wie oft bin ich diese Steigung schon mit dem Auto gefahren. Die wahren Ausmaße dieses Anstiegs zeigen sich erst, wenn man 110 km in den Beinen hat und nicht im Auto sitzt. Ächzend und weiß Gott nicht mehr taufrisch nehmen wir auch diese Hürde und gönnen uns oben an der Tankstelle mit Cafe erstmals eine Rast in Istrien. Es ist 16.00 Uhr und wir wissen, dass uns „nur noch“ ca. 39 km bevorstehen. Da wir uns auf einer Anhöhe befinden, liegt der Schluss nahe, dass es bloß noch abwärts gehen kann. Und so ist es auch, mit kleinen, aber nicht zu unterschätzenden Ausnahmen. Jetzt fallen auch die ersten Tropfen, allerdings nie genug, dass es sich lohnt, die Regenkleidung anzulegen.
Über Umag, vorbei an den Campinganlagen, immer an der Küste entlang, mal bergauf mal bergab, folgen wir der Landstraße nach Novigrad. Die Freude über die schöne Abfahrt in das Mirnatal verfliegt sehr schnell, als anschließend der strapaziöse Anstieg nach Tar folgt. Jetzt sind wir beide richtig ausgelaugt und fertig. (Das ist auch der Grund für die fehlenden Fotos in diesem Teil des Berichts.)
Auf Höhe Tar kann man in der Ferne bereits die Silhouette von Porec erkennen, was uns nochmals motiviert. Die Straße zieht sich kerzengerade dahin, mit Gefällen und Steigungen. Der Blick auf Porec verschwindet kurzfristig und kommt dann wieder. Es tröpfelt leicht, doch der Sprühregen verdampft auf unserer überhitzten Haut.
Es ist soweit, wir sehen das Ortsschild „Porec“ – Das Ziel ist zum Greifen nah!
Nur noch 1 km, dann sind wir da. Wir kommen am Gasthaus Dvi Murve vorbei, welches als Einkehr für den Abend schon auserkoren ist, und mir das Gefühl vermittelt zuhause zu sein. Noch zwei Kurven, dann stehen wir um 18.30 Uhr vor der Tür. Eigentlich wollten wir uns bei unserem Ziel-Einlauf fotografieren lassen, doch unser „Heimholdienst“ und Fotograf ist noch nicht eingetroffen. Das ist uns auch in diesem Moment egal, denn Hauptsache, wir haben die Tour unbeschadet überstanden.
Es ist geschafft!
Die Empfindungen und Gefühle, die uns jetzt bewegen, lassen sich nur schwer beschreiben: Erschöpfung und gleichzeitig Hochstimmung, Stolz auf die vollbrachte Leistung, eine Wehmut und etwas Trauer darüber, dass es schon vorbei ist.
Jetzt genießen wir erstmal die kommenden 8 Tage – vielleicht machen wir ja auch die eine oder andere Rad-Tour in Istrien.
Zusammenfassung der Tour-Daten
31 Stunden reine Fahrtzeit entsprechen im Schnitt 20,9km/h
Gesamtzeit 45 Stunden jeweils von Start bis Ziel
1. Etappe München – Fügen 134km
2. Etappe Fügen – Matrei 102km (plus 20km Taxi)
3. Etappe Matrei – Feistritz 128km
4. Etappe Feistritz – Cividale 125km
5. Etappe Civedale – Porec 160km
Gesamtstrecke 649km
oder
„Zwei Rentner auf der Suche nach Grenzerfahrungen“
Die Frage nach dem „Warum“ haben wir uns und wurde uns des Öfteren gestellt.
Ist es die Lust auf eine verwegene Aktion und ein unbekanntes Abenteuer?
Ist es die sportliche Herausforderung in Verbindung mit der Begeisterung für ausdauerndes Radfahren?
Ist es die Flucht vor der möglichen „Rentner-Trägheit“ und dem Alltagstrott?
Ist es der Wunsch einmal mehr zu sehen, als nur die vorbei sausenden Landschaften und Orte?
Ist es nichts von allem oder auch alles und noch viel mehr?
Wie auch immer, wir müssen nun endlich in medias res gehen, denn Hans verharrt seit knapp zwei Jahren als Frührentner in Wartestellung. Und seit März bin ich nun endlich in Altersrente. Seit dieser Zeit liegen wir nicht nur unseren Partnerinnen ständig in den Ohren, sondern nerven auch die Umwelt mit der Planung unseres „kühnen“ Vorhabens. Einige haben inzwischen bestimmt an deren Ausführung nicht mehr geglaubt.
Der Juni als Durchführungsmonat wird festgelegt und der Tag der Abfahrt von der Großwetterlage abhängig gemacht. Als der Wetterbericht für den geplanten Weg nach Süden wenigstens drei zusammenhängende Tage gutes Wetter in Aussicht stellt, steht Mittwoch der 17. Juni 2009 als Termin fest.
Für die Gesamtstrecke werden 6 - 7 Tage eingeplant. Nach einigen Tagen Erholung und Entspannung in Porec und Gewichtsaufbau mit istrianischer Küche, soll die Heimreise mit dem Auto stattfinden.
Die Streckenplanung ist, was die Überquerung der Alpen betrifft, klar festgelegt; für die Etappe ab der italienischen Grenze, haben wir zwei Varianten zur Auswahl.
Nun genug der Vorrede, jetzt geht es los!
1. Tag, Der Start in München
Daten zum ersten Tag Mittwoch, 17.06.09
Etappe: München – Fügen
Wetter: sonnig und sehr heiß
Km: 132
Zeit: 8 1/2 Std. incl. Pausen, 6 Std. reine Fahrzeit
Höhenmeter: 932 m Achenpass
Strecke: 25% Schotter - gut befahrbar, 75% Asphalt
Einkehr: Fleck, Gasthaus Papyrer
Highlight: Achensee-Radweg, Abfahrt Achensee – Inntal
Übernachtung: Hotel zur Sonne, 48,-€ incl. HP und Frühstück,
sehr freundlich
Die Tour startet in München bei Hans in der Drygalskiallee. Der Startpunkt ist ein guter Ausgangspunkt für unseren Einstieg auf den Isar-Radweg, der bis zum Sylvensteinspeicher führt.
Um 8.15 Uhr besteigen wir bestens prepariert und hoch motiviert unsere Räder und fahren in Richtung Solln. Nach ca. 2 km entscheidet sich das Hinterrad bzw. der Reifen meines Rades, trotz vorheriger Inspektion die Luft/Lust zu verlieren. Der Reifen ist platt; wir auch, ob des unerwartet, frühzeitigen Abbruchs. Das ist ein Beginn ganz und gar nicht nach unserer Vorstellung!
Wer sein Rad liebt, der schiebt; allerdings zurück und genau die bereits gefahrenen 2 km - bis zum Fahrradhändler. Nach einiger Wartezeit, (der Mechaniker, sonst pünktlich um 9.00 Uhr kommt natürlich ausgerechnet heute 10 Minuten später) wird die Reparatur durchgeführt und ein neuer Schlauch und Mantel installiert. Zusätzlich noch einige kleinere Nachbesserungen, und das Gefährt ist wieder einsatzbereit.
Neustart um 9.30 Uhr
Um diese Zeit wollten wir eigentlich schon in Richtung Wolfratshausen unterwegs sein. Wir beruhigen uns damit, dass ein solcher Defekt nach einigen Kilometern mehr und mitten in der Landschaft noch größere Probleme beschert hätte. Der zweite Startversuch führt uns über Solln und Grünwald, vorbei an der Floßrutsche, auf asphaltierten Straßen und guten Radwegen immer an der Isar entlang in Richtung Süden. Die etwas verwirrende Ausschilderung des Isar-Radweges macht uns manchmal zu schaffen, zumal er nicht immer an der Isar entlang führt und vor Bad Tölz bei den ersten Steigungen bereits die uns noch bevorstehenden Bergetappen ankündigt.
Ab Bad Tölz bis zum Sylvensteinspeicher folgt der Radweg immer leicht ansteigend direkt dem Verlauf der Isar.
Hier führen wir den ersten „Boxenstopp“ im Ort Fleck, im Gasthaus Papyrer durch.
Über den Sylvensteinspeicher, Zufahrt mit kurzen aber heftigen Anstiegen, durch einen Tunnel (nur Rad- und Fußweg) zum Speicher, führt der Weg nun weiter über Landstraßen zum Achenpass.
Ab Achenpass ist der Radweg wieder ausgeschildert, allerdings mit einigen „kleinen“ Erhebungen, welche als Zugabe noch aus holprigem Schotter bestehen und nur schiebend zu bewältigen sind. Nach Überwinden dieser Teilstrecke führt uns der Achensee-Radweg mit herrlichem Blick auf die Traumkulisse der Alpen immer am türkisblauen See entlang.
Geplant war, im Auslauf des Achensees eine Unterkunft zu suchen, da wir aber noch recht gut im Sattel sind, nutzen wir die Abfahrt ins Inntal, um wieder etwas Fahrt aufzunehmen (fun pur!). Unten angekommen biegen wir ins Zillertal ab und fahren auf der Nebenstraße bis Fügen. Dort ist bereits der zweite Versuch eine Übernachtung zu bekommen, im „Hotel Sonne“ erfolgreich. Ankunft im Hotel um 18.00 Uhr.
Räder in den Skiraum, Taschen ins Zimmer, ausziehen, Kleidung und Schuhe auf den Balkon (sehr wirksame biologische Moskito-Sperre) und ab unter die Dusche. Bei Anbruch der Nacht meint Hans unsere Radlschuhe wegen aufkommender Nachtfeuchtigkeit ins Zimmer stellen zu müssen, was uns zu einem betäubenden, erholsamen Tiefschlaf verhilft.
2. Tag, ab Fügen mit Blick auf den Gerlos – Aufstieg
Daten zum zweiten Tag, Donnerstag 18.06.09
Etappe: Fügen - Matrei
Wetter: sonnig und sehr heiß
Km: 102 (122)
Zeit: 9 1/2 Std. incl. Pausen, 7 1/2 Std. reine Fahrzeit
Höhenmeter: 1.628 m Gerlos-Pass (Mautstation)
Höhendifferenz: 1.053 m
Strecke: ausschließlich Asphalt
Einkehr: Wald im Pinzgau
Highlight: Abfahrt nach Krimml und Abfahrt nach Matrei
Übernachtung: Sporthotel Tauern, 45,- € incl. Abendmenue
und Frühstück, sehr freundlich
Nach ruhiger und traumfreier Nacht (dank dem biologischen Betäubungsmittel) erscheinen wir um 7.00 Uhr am Frühstücksraum und stehen vor verschlossener Tür. Die Aussage der Rezeption vom Vorabend „Frühstück von 7 - 9 Uhr“, relativiert sich durch die Tatsache, das dieser erst ab 8 Uhr geöffnet ist. Für die Stunde Wartezeit werden wir mit einem reichhaltigen und schmackhaften Frühstücksbuffet entschädigt, was uns sogar die Tatsache vergessen lässt, von einer englischen Seniorengruppe umzingelt zu sein.
Checkout, Gepäck aufladen, mit frohem Mut und mit leicht schmerzendem Hinterteil auf ein Neues in den Sattel.
Erst geht es über Seitenstraßen, dann nach Überquerung der Zillertal-Bahnlinie auf einen Radweg bis Zell am Ziller. Je näher wir diesem Ort kommen, umso deutlicher sind die Häuser zu erkennen; und weit oben, sehr klein die auf den Berg sich hoch schlängelnden Fahrzeuge.
Langsam kommt ein beklemmendes Gefühl auf, als würde der Berg uns herausfordernd zurufen:
„Kommt nur, lasst euch auf mich ein, ich erwarte euch!“
Dass wir es mit über 1.000 m Höhendifferenz zu tun bekommen würden, hatten wir vorher der Karte bereits entnommen, was dann aber Kurve für Kurve und Meter für Meter auf uns zukommt, übertrifft alle Erwartungen. 12 % Steigung und mehr sind zu bewältigen. Unser Tacho zeigt eine Geschwindigkeit zwischen 6,8 - 7,5 km/h an. Wir hätten auch laufen können, was unser Ehrgeiz aber nicht zulässt. Der Flüssigkeitsbedarf erreicht ungeahnte Dimensionen; Wir wünschten, dass uns die Fans am Straßenrand wie bei der Tour de France in den Bergen mit Wasser übergießen und die Flaschen reichen. Auf Grund unserer sehr mangelhaften Informationspolitik im Vorfeld und der wenig gerührten Werbetrommel für unsere Aktion, sind „unsere Fans“ an diesem Tag leider nicht anwesend.
Nun zur Strecke: Zell am Ziller
bis Gerlos 17 km davon 13 km nur bergauf
Gerlos bis Gerlos Pass 9 km nur bergauf
Gerlos Pass bis Mautstation 3 km nur bergauf
Bist du in Gerlos, denkst du das Schlimmste sei geschafft - weit gefehlt! Der Weg bis zum Pass schraubt sich höher und höher und man bekommt es noch mal mit Steigungen zu tun, die eines Profis (uns beide selbstverständlich eingeschlossen) würdig sind.
Am Pass angekommen, natürlich mit Nachweisfoto, kommt eine schöne (aber leider zu kurze) Abfahrt mit einer nicht erwarteten weiteren Herausforderung, einer beachtlichen Erhebung bis zur Mautstation Krimml auf 1.628 m.
Ganz oben angekommen treffen wir drei Touren-Radler, die noch mehr beladen sind, (was eigentlich unmöglich ist). Auf unsere Frage: „Woher kommt ihr?“ erhalten wir die für uns erschütternde Antwort: „Aus Holland!“ „Respekt!“ - Weitere Fragen ersparen wir uns dann aus Gründen der Ehrfurcht.
Die anschließende Abfahrt über die Krimmler Mautstraße, mit herrlichem Blick auf das Tal und die Wasserfälle, könnte man durchaus als Highlight bezeichnen, wenn da nicht die Längsrillen in der Straße wären. Einmal rein geraten, heißt es, Lenker festhalten, Nerven bewahren und keinesfalls versuchen mit einem abrupten Ausweich-Manöver aus dieser Fahrrille (vergleichbar einer Straßenbahnschiene) auszuscheren.
Im Ort Wald im Pinzgau gönnen wir uns dann die verdiente Rast. Bis zu diesem Ort haben wir lediglich 62 km geschafft und dafür ungefähr 5 Std. benötigt, was einem Schnitt von ca. 12 km/h entspricht. Gestärkt begeben wir uns auf den Salzach-Radweg in Richtung Mittersill, der zwar landschaftlich sehr schön ist, jedoch mit einigen extra Kilometern und unvorhergesehenen Steigungen aufwartet. Ab dem Ort Habach entscheiden wir, den Radweg zu verlassen und die verkehrsreiche Straße zu benutzen, was uns relativ schnell nach Mittersill bringt.
In Mittersill angekommen, stehen wir vor der Entscheidung – bleiben und übernachten – oder Felbertauernstraße in Angriff nehmen. Es ist 17.30 Uhr und wir haben bisher gerade mal 85 km geschafft. Da der Tunnel nicht mit dem Rad, sondern nur per Transfer zu machen ist, entscheiden wir uns für eine Alternative und erkundigen uns nach einem Taxiunternehmen in Mittersill, das auch Fahrräder transportieren kann. Das Ergebnis ist positiv. Ein Anruf und nach 30 Minuten Wartezeit holt uns das Taxi ab und bringt uns über die Felbertauerstraße durch den Tunnel auf die andere Seite für € 32,--. Im Nachhinein eine gute Entscheidung, da die Straße mit ihrem hohen Verkehrsaufkommen, den dunklen, tunnelähnlichen Überbauungen und der Steigung auf wiederum über 1.600 m, als nicht ungefährlich bezeichnet werden kann.
Hinter uns liegt der Alpenhauptkamm, vor uns die Abfahrt nach Matrei. Diese letzten 16 km an diesem Tag sind sehr erquickend und erholsam. Bei der pfeilschnellen Abfahrt mit über 60 km/h und vollem Gepäck (Jetzt müssten uns die Frauen sehen, sie wären ganz sicher „begeistert“!) haben wir wenigsten zum Abschluss des Tages ein Gefühl von Vorankommen und Geschwindigkeit. Die Hotelsuche ist bereits nach dem dritten Versuch im „Sporthotel Tauern“ erfolgreich. Hier tobt das Leben, Schulklassen aus Fieberbrunn und Bregenz sind hier zu einem Schulausflug. Nach einem guten Abendessen, einigen kleinen Marillen und netter Unterhaltung mit den Lehrkräften, ziehen wir uns auf das Zimmer zurück, welches mit Balkon, Sauna (tatsächlich Bestandteil des Zimmers), Saunadusche ausgestattet ist und uns einen herrlichen Ausblick in Richtung Glanz mit der Kendlspitze im Hindergrund gewährt.
3. Tag, Abfahrt nach Lienz und weiter.....
Daten zum dritten Tag, Freitag 19.06.09
Etappe: Matrei – Feistritz a.d. Gail
Wetter: sonnig und heiß, teilweise bewölkt
Km: 125
Zeit: 9 Std. incl. Pausen, 5 1/4 Std. reine Fahrzeit
Höhenmeter: 980 Gailbergsattel
Höhendifferenz: 350m
Strecke: 95% Asphalt, 5% Schotter im Gailtal
Einkehr: Kötschach-Mauthen
Highlight: Abfahrt nach Lienz und Kötschach
Übernachtung: Gasthof Alte Post in Feistritz,
37,25 € incl. Frühstück, Essen extra nach Karte,
sehr preiswert und freundlich
Am Morgen teilt uns eine freundliche Stimme aus dem TV auf 3Sat mit: „Wetter bleibt stabil mit leichten Veränderungen am späten Nachmittag aus Richtung Süd-West“. Durch diese Nachricht positiv gestimmt, begeben wir uns zum Frühstück, welches wirklich alles für eine morgendliche Stärkung in großer Auswahl bietet. Ein großes Lob für den Chef des Hotels, der für uns extra einen separaten Platz reserviert hat und uns so davor bewahrt, in der Flut der Schülerwoge, die den Frühstücksraum überschwemmt, zu ertrinken.
Wir starten um 8.30 Uhr von Matrei aus in Richtung Lienz, noch in Erinnerung die Warnung des Hotelchefs, dass wir unbedingt den Radweg nutzen sollen, da die Autostraße mit ihren Überbauungen sehr gefährlich sei; doch irgendwie finden wir den Einstieg nicht und nehmen daraufhin doch die Straße. Wie sich später herausstellt, war dies die bessere Wahl, denn wir haben wenig Verkehr, eine Straße die nur bergab führt und eine Überbauung, die bei unserer Geschwindigkeit in nur 30 Sekunden bewältigt ist. Ab Huben ist der Radweg ausgeschildert und führt durch eine wunderbare Landschaft immer am Fluss Isel entlang. Trotz unseres gewichtigen Gepäcks – das ist Genussradeln!
Bei unserem Eintreffen in Lienz nach 21 km zeigt der Tacho eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 26,5 km/h an, was bis zu diesem Zeitpunkt von uns noch nie erreicht wurde - einen Dank an die stetig bergab führende Strecke. Obwohl wir bei der Durchfahrt der Stadt Lienz auf den Rädern weitaus schneller sind, als alle Autos, reduziert sich hier unser guter Schnitt wieder.
Die Isel trifft hier auf die Drau und somit befinden wir uns auf dem Drau-Radweg. Dieser landschaftlich reizvolle Weg verläuft zwischen der Bahnlinie und dem Fluss.
Die Etappe bis Oberdrauburg bewältigen wir wie im Flug. Immer abseits der Straße durch Wiesen mit herrlichen Duft - eine Strecke für Sinne und Seele.
Im Ort Oberdrauburg (Kärnten) gönnen wir uns eine kurze Pause mit dem obligatorischen Getränk, dem „Radler“.
Hier treffen wir einen Einheimischen, der weder Interesse zeigt noch Verständnis für unsere weitere Planung, die Bewältigung des Gailbergsattels, aufbringt.
Der Gailbergsattel mit seinen Steigungen und Kurven ist sicher anspruchsvoll, aber im Vergleich zum Gerlospass sehr gut zu meistern, da nicht so lang. Wir treten kräftig in die Eisen und erreichen die Passhöhe bereits nach 50 Minuten. Nach einer kurzen Rast geht es bergab nach Kötschach. Die Mühe hat sich gelohnt, diese Abfahrt ist wieder ein Höhepunkt, Autos überholen uns keine und Radarkontrollen gibt es glücklicherweise an diesem Tag auch nicht.
Im Ort angekommen erkundigen wir uns nach einem empfehlenswerten Lokal. Nach einem guten Essen und Aufbesserung des Flüssigkeitshaushaltes begeben wir uns auf die Nachmittag-Etappe. Wir riskieren einen kurzen Blick in Richtung Plöckenpass, ignorieren aber den sichtlich heftigen Aufstieg und nehmen lieber den Gailtal-Radweg in Angriff.
Dieser Weg führt mit kleinen Abzweigungen immer am Fluss Gail entlang, - kurze, gut befahrbare Schotter-Strecken, ansonsten zu 90% Asphalt.
Vorgesehen war, dass wir in diesem Teil nach einer Übernachtungsmöglichkeit Ausschau halten, da wir aber sehr gut vorwärts kommen, verschieben wir diese Entscheidung von einem Ort zum anderen. Als wir Hermagor erreichen, verfehlen wir wieder mal den Radweg und umrunden stattdessen den 55 ha großen Pressegger See auf der Landstraße. Etwas später entdecken wir doch noch den Einstieg, so hat uns der ausgeschilderte Radweg wieder.
Noch haben wir gutes Wetter, da wir der Schlechtwetterfront, die von Westen heranzieht, immer eine „Radlänge“ voraus sind. Nun wird es allerdings immer dunkler. Ab Götschach befassen wir uns dann doch sehr intensiv mit dem Auffinden einer Unterkunft.
Die erste Möglichkeit bietet sich im Ort Vorderberg an. Die Wirtin der nicht gerade ansprechenden Pension, wir vermuten zumindest dass sie es ist, sitzt in männlicher Begleitung qualmend vor der Tür und strahlt ein solch „freundlich, einladendes Wesen“ aus, dass wir fluchtartig das Weite suchen. In der gegenüber liegenden Gaststätte erhalten wir die Information, dass es im nächsten Ort, in Feistritz a.d. Gail einen „Gasthof Alte Post“ gibt.
Angetrieben vom nahenden Schlechtwetter, welches sich mit heftigem Gegenwind ankündigt und die Aussicht auf ein Nachtmahl und –quartier, lassen uns die letzten 7 km trotz ordentlicher Steigung wie von selbst bezwingen.
Unsere Wünsche werden erhört: Es gibt noch ein Zimmer, das schlechte Wetter hat uns nicht eingeholt und die Küche ist ausgezeichnet. Wir können unser Essen sogar noch im Garten des Hotels einnehmen; begleitet von einem Chor, der über eine Stunde lang mittelalterliche, stimmungsvolle Gesänge einstudiert.
Ein letztes Weißbier, zwei kleine Marillen (in bewährter flüssiger Form) ein Pfeifchen und ab ins Bett.
4. Tag, Feistritz, Regen...Regen...Regen...Entspannung
Samstag 20.06.09
Gut erholt und entspannt erwachen wir am 4. Tag im Hotel „Gasthof Alte Post“ und stellen fest; der Himmel hat seine Schleusen geöffnet, es regnet ohne Unterlass. Auch der Wetter-Bericht im TV macht wenig Hoffnung.
Der Blick aus dem Fenster lässt unsere Freude über einen möglichen Start merklich sinken. Was wir allerdings erst jetzt so richtig zur Kenntnis nehmen, ist die Tatsache, dass wir mit unserer gestrigen Etappe bis auf 17 km an die italienische Grenze vorgedrungen sind. Diesen „kleinen Hüpfer“ bis zur Grenze zu bewältigen, wird uns durch die Wettersituation leider vermiest.
Trotzdem erstmal Sachen packen und wenigstens ein gutes Frühstück einnehmen. -
Das Wetter wird nicht besser. -
Zimmer ist geräumt und das Gepäck steht zum Aufladen bereit. -
Es regnet noch immer, wir glauben sogar immer stärker.
Jetzt entscheiden wir uns zum Verbleib im Hotel und nehmen Kontakt zur Chefin des Hauses auf, um eine Verlängerung zu erreichen.
Problem: Am Nachmittag und Abend findet im Hotel eine Hochzeitsfeier statt und viele der Gäste übernachten im Hotel. Trotzdem bekommen wir das Zimmer Nr. 13 (wollte sie sicher dem Hochzeitspaar und deren Gästen nicht geben). Ich darf sogar im Büro den Computer nutzen, um mich über die aktuelle Wettersituation zu informieren.
Positiv: Der Wetterbericht sagt für den nächsten Tag Sonne in Richtung Süden an.
Wer schon nichts tut, sollte wenigstens gut essen. Nach einem reichhaltigen Mittagsmahl, begeben wir uns auf eine kleine Bergtour zur örtlichen Kirche und bekommen anschließend im Hotel die Sauna angeschaltet, um diesen „Stresstag“ bis zum Abendessen zu überbrücken.
Ach ja, so ganz untätig waren wir nicht. Die Auszeit haben wir auch noch dazu genutzt, um unsere verschwitzten Radklamotten zu waschen und auf der Heizung zu trocknen; um uns endlich mal wieder einen freundlicheren Duft für den nächsten Tag zu verleihen.
Wir beschließen diesen Ruhetag (die geschundenen Hinterteile werden es uns danken) an der Hausbar mit Gesprächen und erhalten Tipps für die Weiterreise. Hier besonders vom „Dorfunikum“ Wolfgang mit dem Rat: „Nehmt den Alpe-Adria Radweg ab Tarvisio, dann seid ihr in 2 Std. in Udine“. „Hoppla, welcher Radler schafft ca. 90 km in 2 Stunden?“
Nach 2 oder 3 Marillen (plus Schnaps von Haus) begeben wir uns nach diesem „aufreibenden“ Tag zur Nachtruhe.
5. Tag, Feistritz - Alpe/Adria Radweg – Cividale del Friuli
Daten zum fünften Tag, Sonntag 21.06.09
Etappe: Feistritz a.d. Gail – Cividale del Friuli
Wetter: sonnig, anfangs kühl, später heiß
Km: 125
Zeit: 8 Std. incl. Pausen, 5 1/2 Std. reine Fahrzeit
Höhenmeter: 563m Feistritz
Höhendifferenz: 428m bergab
Strecke: 100% Asphalt
Einkehr: Venzone
Highlight: Alpe-Adria Radweg bis Pontebba, Pause in Venzone
Übernachtung: Hotel Roma in Cividale, typ. Stadthotel,
saubere kleine Zimmer
85,-€/Zimmer incl. Frühstück, freundlich
Das plötzlich nicht mehr vorhandene Geräusch von prasselndem Regen lässt uns wach werden. Noch immer hängen einige dicke Wolken am Himmel, aber insgesamt stellt sich die Wettersituation als recht positiv dar. Jetzt ist rasches Fertigmachen angesagt, denn wir brennen förmlich darauf, unsere Tour fortsetzen zu können.
Wir starten um 8.30 Uhr. Die Temperaturen sind kühl aber angenehm. Hans ist verpackt als würde er zu einer Antarktis-Expedition aufbrechen. Außergewöhnlich reizvoll sind seine Überstrümpfe, besonders dann, wenn sie etwas nach unten rutschen und sein markantes Männerbein wenn auch nur ansatzweise freigeben.
Die Strecke von Feistritz nach Tarvisio bewältigen wir sehr schnell auf der Landstraße. Kurz vor dem Ort erkennen wir auf der gegenüberliegenden Straßenseite das Hinweisschild „Alpe-Adria“ Radweg.
Wir staunen über den komfortabel ausgebauten Weg, mit Mittel- und Randstreifen, der uns oberhalb von Tarvisio am alten Bahnhof vorbei in das Fellatal führt. Dieser Abschnitt bis Pontebba ist landschaftlich sehr reizvoll, umgibt uns mit idyllischer Ruhe und lässt eine hohe Reisegeschwindigkeit zu. Nach jeder Kurve, nach jedem kleinen Anstieg eröffnen sich neue, großartige Perspektiven für das Auge.
Wir durchfahren einen kleinen Wasserlauf, der durch den ergiebigen Regen vom Vortag entstanden ist. Der außerordentlich abwechslungsreiche Weg geht durch schmale Täler, vorbei an Wiesen mit einzigartigem Blütenmeer. Wir passieren die hübsch restaurierten Bahnwärterhäuser und machen Blindfahrten durch gut ausgebaute (jedoch leider unbeleuchtete) Tunnels.
Wir bewegen uns auf diesem Traum von einem Radweg immer weiter bergab, und können auf Grund des geringen Kraftaufwands die Umgebung ganz besonders genießen.
Bis uns in Pontebba eine Absperrung ausbremst. Der fantastische Radweg endet leider hier. Wie wir später erfahren, ist die Radroute an verschieden Stellen beschädigt und befindet sich im weiteren Verlauf noch im Ausbau. Es ist die Trassenführung der alten, stillgelegten Eisenbahnstrecke mit unzähligen Tunneldurchfahrten, die etwas oberhalb der Landstraße verläuft. Dass hier noch viele Arbeiten notwendig sind, ehe dieser viel versprechende Weg für Fahrräder und Fußgänger zugänglich gemacht werden kann, ist bei seiner enormen Länge verständlich, denn er soll einmal an der Adria enden.
In Pontebba verlassen wir daraufhin gezwungenermaßen diesen Weg und folgen nun der regulären Straße, die allerdings durch einen breiten, abgeteilten Randstreifen sehr gut mit dem Rad zu befahren ist, ohne dabei für den lokalen Verkehr, der sich sowieso in Grenzen hält, ein Hindernis zu sein. -Inzwischen ist es wieder sehr warm und Hans entledigt sich seiner arktischen Bekleidung, sowie der Stulpen, Applaus spendende Damen sind bei seinem Striptease leider nicht anwesend.- Wir folgen dieser Straße bis zur Abzweigung in Carnia, dort biegen wir auf die Staatstraße 13 ab. Wir sind schon 3 Stunden unterwegs und haben 70 km geschafft; allerdings befinden wir uns noch nicht mal in der Nähe von Udine. Uns kommen die Worte von Wolfgang wieder in den Sinn: „Es geht nur bergab, ihr seid in 2 Stunden in Udine“.
Als wir von zwei sportlichen Radlern (ohne Gepäck) überholt werden, können wir noch nicht ahnen, wie sich diese Begegnung auf den heutigen Tag auswirken wird. Noch während wir die Frage stellen, ob es hier einen Radweg gibt, ist uns klar, dass die beiden Italiener sind. Die Kommunikation gestaltet sich anfangs etwas schwierig. Nach kurzer gemeinsamer Fahrt fragt uns einer, mit der für Italiener typischen, ausdrucksvollen Gestik, ob wir mit ihnen ein „Birra“ trinken wollen. Dieses Angebot ist trotz der Sprachschwierigkeiten sehr gut zu verstehen und die anstehende Mittagspause lässt uns sofort zustimmen. Wir folgen ihnen in den Ort Venzone. Eine sehr schöne alte Stadt geprägt von ihrer historischen Entwicklung und der überstandenen Katastrophe: Am 6. Mai 1976 wurde Venzone nahezu vollständig durch ein Erdbeben zerstört. Das erklärt auch den außerordentlich guten Zustand der Bauten, die später völlig neu, jedoch wieder im herkömmlich historischen Stil errichtet wurden. In der Innenstadt biegen die beiden in eine Toreinfahrt welche in einem Innenhof endet, und den spektakulären Namen „Palazzo Orgnani Martina“ hat. Es befinden sich ein Brunnen und lediglich ein Holztisch mit Bänken darin.
Die Räder werden abgestellt und wir aufgefordert uns zu setzen. Hinter einem Vorhang ist eine große Küche zu erkennen, in der reger Betrieb herrscht. Sofort werden große Glaskrüge mit Bier gereicht. Kurze Zeit später stoßen zwei weitere Radler dazu. Einer mit guten Englischkenntnissen, so dass sich die Verständigung verbessert. Bald steht eine Platte mit Schinken auf Ruccolasalat und massig Weißbrot auf dem Tisch. Die Bierkrüge werden ständig nachgefüllt. Die Stimmung ist genial. Es ist unterhaltsam und wird viel gelacht. Bald darauf stellt ein beleibter Koch Teller auf den Tisch, um kurz danach eine überdimensionale Pfanne herauszuschleppen, gefüllt mit Spaghetti Aglio-Olio.
Toni, hier zu erkennen als Spaghetti Verteiler, erklärt uns die ideale Wegstrecke für unsere Weiterfahrt. Dass wir uns am Hintereingang, bzw. der offenen Küche eines großen Lokals befinden, stellen wir erst später fest. Nach Beendigung des Festmahls wird der Versuch, die Zeche zu zahlen vehement abgelehnt und uns klar gemacht, dass es sich um eine Einladung handelt. Nicht genug damit, Toni entführt uns noch in sein Haus in Gemona und bewirtet uns mit Espresso. Den dazu angebotenen Grappa lehnen wir vorsichtshalber ab.
Die überwältigende Gastfreundschaft und herzliche Aufnahme wird uns noch lange in Erinnerung bleiben. Nach solch einer wohltuenden Gastlichkeit, noch dazu einem völlig Fremden und Ausländer gegenüber, muss man in Deutschland lange suchen und wird sie dann wahrscheinlich nicht mal finden.
Nach diesem außergewöhnlichen Erlebnis fällt es uns schwer, wieder zum „Tagesgeschäft“ zurückzukehren. Über Gemona, Tercento und Faedis, auf der Staatstraße 356, führt uns der Weg durch Weinberge und eine leicht hüglige Landschaft nach Cividale del Friuli. Hier treffen wir, nach zurückgelegten 125 km, gegen 17.00 Uhr ein. Zu diesem Zeitpunkt tobt das Leben in der Innenstadt. Wir haben ausgerechnet einen Tag erwischt, an dem ein Rockfestival stattfindet. Die Suche nach einem Hotel gestaltet sich aus diesem Grund auch etwas schwierig. Wir finden dann aber doch das „Hotel Roma“, zentral gelegen in der Innenstadt.
Wie üblich: Räder verstauen, Taschen aufs Zimmer, duschen, anziehen und ab in die Stadt, denn der Hunger nagt bereits wieder.
Nach der Besichtigung des sehr schönen historischen Ortskerns mit seinen altehrwürdigen Gebäuden unter anderem der Brücke „Ponte del Diavolo“, finden wir ein gutes und erstaunlich preiswertes Lokal. Im Hotel erlauben wir uns noch einen kleinen „Absacker“, um dann im Bett zu verschwinden.
6. Tag, Cividale – Porec/Gulici, Finaltag
Daten zum sechsten Tag, Montag 22.06.09
Etappe: Cividale del Friuli - Porec/Gulici
Wetter: ideal, warm, leicht bewölkt, Istrien
teilweise leichter Regen
Km: 159
Zeit: 10 Std. incl. Pausen, 7 Std. 23 Min. reine Fahrzeit
Höhenmeter: 135m Civedale
Höhendifferenz: 135m bergab auf Meereshöhe
Strecke: 99% Asphalt
Einkehr: Dekani, Slowenien
Highlight: Duino bis Triest, Parenzana in Slowenien
Übernachtung: Gulici "Villa Privat"
Geweckt werden wir: von unserer inneren Uhr, der Gewissheit dass, heute die letzte aber auch längste Etappe vor uns liegt und dem Verlangen nach einem guten Kaffee. Dieser übertrifft mit seiner Stärke dann auch alle Erwartungen und ist nur mit viel Milch genießbar. - Der Zweck ist erfüllt - die Geister geweckt. Nun folgt das übliche Ritual; einpacken, auschecken, aufladen und mit Rücksicht auf das lädierte Hinterteil ganz behutsam aufsteigen.
Gegen 8.30 erfolgt der offizielle Start.
Der Weg führt auf der Landstraße durch ein herrliches Rebenanbaugebiet mit imposanten Weingütern. Wie immer geht es leicht bergab, was uns wieder sehr schnell vorwärts kommen lässt. Nach Durchfahrung der Orte Gagliano, Spessa und Brazzano erreichen wir die Stadt Cormons. Den Tipp unserer italienischen Freunde, den Weg über Goriza zu nehmen ignorieren wir, da gemäß der Straßenkarte ein Umweg von gut 25 km zustande gekommen wäre. Dafür entscheiden wir uns in Cormons für einen kleinen, unbeabsichtigten Umweg, der uns gut 5 km kostet. Wir teilen uns die stark befahrenen Staatstraße 305, die direkt von Udine nach Monfalcone führt mit dem morgendlichen Berufsverkehr. Großes Lob an die italienischen Verkehrsteilnehmer, ob PKW oder LKW, alle verhalten sich außerordentlich vorsichtig und rücksichtsvoll Radfahrern gegenüber.
Meerwärts heißt die Devise. Leider ist diese Teilstrecke weder ein optisches Highlight noch ein ideales Radler-Terrain, doch sie führt uns auf direktem Weg zur Adria-Küste, die wir glauben, in Monfalcone erreicht zu haben. Weit gefehlt, vom Meer ist nichts zu sehen, nur sehr viele Industriebauten und nicht einmal ein attraktives Stadtbild. Erst nach weiteren 12 km und einem Aufstieg auf die Felsenküste, können wir erstmals das Meer oberhalb des Hafens von Sistiana sehen. Am Horizont zeichnet sich die Küste vor Muggia ab und vermittelt uns eine Vorstellung welche Strecke noch zu bewältigen ist.
Die Straße windet sich immer oberhalb der Steilküste entlang und hat einen eigenen markierten Randbereich für Radfahrer. Nun wird es richtig maritim. Wir kommen an herrschaftlichen Villen vorbei mit einer einzigartigen Traumlage an der Küste. Nach weiteren 17 km erreichen wir das Ortsschild Triest. Auch hier zeigt sich die Stadt noch von ihrer besten Seite. Es geht vorbei am Rathaus von Triest mit der Piazza dell´Unita. Bis zum Zentrum können wir weiterhin die vorhandenen Radwege benutzen.
Unsere Freude währt nicht lange, denn ab hier ist die Beschilderung eingestellt. Hinweise, welche Straßen benutzt werden dürfen und welche nicht, fehlen gänzlich. Hauptverkehrsstraßen enden überraschend in einer Zufahrt auf die Stadtautobahn. Wahrscheinlich sind die chaotischen Zustände auf die umwälzenden Veränderungen des kompletten Verkehrsnetzes der letzten Jahre zurückzuführen. Busse bei ihrer Zufahrt zu Haltestellen oder beim Verlassen derselben, bremsen uns immer wieder aus und machen uns das Leben schwer. Diese Stadt raubt uns mit ihrem Gestank die Luft und die Schwüle kostet uns nach inzwischen 70 km Fahrtstrecke viel Energie und Nerven.
Die schlimmsten Abschnitte von Triest sind überstanden. Wir nähern uns der slowenischen Grenze. Nach Durchqueren des Tunnels, der bis zur Fertigstellung der Autobahn, Hauptverkehrsweg nach Slowenien war, erreichen wir die Grenze. Ein kurzer Zwischenstopp am Kompass-Shop ist Pflicht, um die für die nächsten Tage notwendige Ration an Pfeifentabak zu erstehen.
Dann über die Grenze und wir sind in Slowenien.
Wie auf Bestellung empfängt uns hier das Hinweisschild auf den Radweg D-8, auch bekannt als ehemalige Eisenbahn-Trasse „Parenzana“. Wo früher alte Dampfloks durchschnauften, führt jetzt ein landschaftlich sehr schöner, gewundener Radweg bis Koper. Es ist jetzt 13.30 Uhr und Zeit für eine Mittagspause. Daher legen wir kurz vor Koper einen Stopp in Dekani ein. Gestärkt verlassen diesen Ort und folgen dem Radweg, erst an der Autobahn, dann am Meer entlang bis Izola. Nach einem kurzen Schotterstück wechselt der Weg auf Asphalt und wird zu einem echten Erlebnis. Selbst zwei inzwischen ziemliche platte Freizeit-Radler, haben noch die Kraft sich daran zu erfreuen.
Auf gut markierten Wegen, durch beleuchtete Tunnels, führt uns die Strecke nach Portoroz. Weiter geht es an den Salinen und dem Flughafen vorbei zur Grenze. Der Berg und der damit verbundene, unvermeidbare Anstieg kommen bedrohlich immer näher.
Zwei alte, kurz vor dem Zusammenbruch stehende Rentner mit ihren bepackten Fahrrädern, können den Zöllnern nur ein müdes Lächeln entlocken, begleitet von einer jovialen Handbewegung, die uns damit den Eintritt in ihr Land gewähren; ohne auch nur einen Blick auf unsere mühevoll rausgekramten Personalausweise riskiert zu haben.
Kroatien wir kommen, doch zunächst kommt der Berg. Wie oft bin ich diese Steigung schon mit dem Auto gefahren. Die wahren Ausmaße dieses Anstiegs zeigen sich erst, wenn man 110 km in den Beinen hat und nicht im Auto sitzt. Ächzend und weiß Gott nicht mehr taufrisch nehmen wir auch diese Hürde und gönnen uns oben an der Tankstelle mit Cafe erstmals eine Rast in Istrien. Es ist 16.00 Uhr und wir wissen, dass uns „nur noch“ ca. 39 km bevorstehen. Da wir uns auf einer Anhöhe befinden, liegt der Schluss nahe, dass es bloß noch abwärts gehen kann. Und so ist es auch, mit kleinen, aber nicht zu unterschätzenden Ausnahmen. Jetzt fallen auch die ersten Tropfen, allerdings nie genug, dass es sich lohnt, die Regenkleidung anzulegen.
Über Umag, vorbei an den Campinganlagen, immer an der Küste entlang, mal bergauf mal bergab, folgen wir der Landstraße nach Novigrad. Die Freude über die schöne Abfahrt in das Mirnatal verfliegt sehr schnell, als anschließend der strapaziöse Anstieg nach Tar folgt. Jetzt sind wir beide richtig ausgelaugt und fertig. (Das ist auch der Grund für die fehlenden Fotos in diesem Teil des Berichts.)
Auf Höhe Tar kann man in der Ferne bereits die Silhouette von Porec erkennen, was uns nochmals motiviert. Die Straße zieht sich kerzengerade dahin, mit Gefällen und Steigungen. Der Blick auf Porec verschwindet kurzfristig und kommt dann wieder. Es tröpfelt leicht, doch der Sprühregen verdampft auf unserer überhitzten Haut.
Es ist soweit, wir sehen das Ortsschild „Porec“ – Das Ziel ist zum Greifen nah!
Nur noch 1 km, dann sind wir da. Wir kommen am Gasthaus Dvi Murve vorbei, welches als Einkehr für den Abend schon auserkoren ist, und mir das Gefühl vermittelt zuhause zu sein. Noch zwei Kurven, dann stehen wir um 18.30 Uhr vor der Tür. Eigentlich wollten wir uns bei unserem Ziel-Einlauf fotografieren lassen, doch unser „Heimholdienst“ und Fotograf ist noch nicht eingetroffen. Das ist uns auch in diesem Moment egal, denn Hauptsache, wir haben die Tour unbeschadet überstanden.
Es ist geschafft!
Die Empfindungen und Gefühle, die uns jetzt bewegen, lassen sich nur schwer beschreiben: Erschöpfung und gleichzeitig Hochstimmung, Stolz auf die vollbrachte Leistung, eine Wehmut und etwas Trauer darüber, dass es schon vorbei ist.
Jetzt genießen wir erstmal die kommenden 8 Tage – vielleicht machen wir ja auch die eine oder andere Rad-Tour in Istrien.
Zusammenfassung der Tour-Daten
31 Stunden reine Fahrtzeit entsprechen im Schnitt 20,9km/h
Gesamtzeit 45 Stunden jeweils von Start bis Ziel
1. Etappe München – Fügen 134km
2. Etappe Fügen – Matrei 102km (plus 20km Taxi)
3. Etappe Matrei – Feistritz 128km
4. Etappe Feistritz – Cividale 125km
5. Etappe Civedale – Porec 160km
Gesamtstrecke 649km