3 Jahre ! Der Kosovo feiert Geburtstag ... aber ?

Biker01

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Wollte noch die restlichen Fotos hochladen, geht jetzt irgendwie nicht mehr, weiss nicht warum.

Gruß: Frank
 

claus-juergen

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hallo frank,

vielen dank für die mühen, die du dir beim verfassen der zeilen gemacht hast. vielen dank auch für die bilder. viktor hat dir ja schon den tipp gegeben, wie es mit den fotos besser klappen kann.

es freut mich, einmal etwas über den kosovo von jemandem zu hören, der dieses kleine land auch tatsächlich bereist hat. unser wissen stammt ja meist nur aus dem politikteil renomierter zeitungen. aus den nachrichten des alltags ist dieses land ja mittlerweile verschwunden. wo habt ihr denn gewöhnlich übernachtet? zelt oder unterkunft gesucht? wie war das mit der sprachbarriere? kommt man da mit englisch und deutsch durch? von was leben denn die menschen da?

viele glauben, daß die wenigen, die arbeit haben, im weitesten sinne für die internationalen organisationen tätig sind und von diesem einkommen dann der ganze familienverband leben muß. gibt es betriebe, die expandieren und damit arbeitsplätze schaffen oder nur subsistenzwirtschaft und alte marode ehemalige staatsbetriebe?

habt ihr überhaupt einblick gewinnen können, wie die menschen über die runden kommen bzw. ihr geld verdienen. der von dir angesprochene ausbau der infrastruktur wird wohl von der internationalen gemeinschaft bezahlt werden. die einkommen des jungen staats werden kaum ausreichen, die laufenden kosten zu decken, geschweige denn, das land aufzubauen. wie stehen die menschen zu einer eventuellen vereinigung mit albanien?

fragen über fragen? vielleicht kannst du uns noch ein paar dinge erzählen. Danke!

grüsse

jürgen
 

Biker01

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Hallo Claus-Jürgen.

fragen über fragen? vielleicht kannst du uns noch ein paar dinge erzählen. Danke!

Wir waren ja nur ein paar Tage dort, wir haben sicher keinen umfassenden Eindruck vom Land gewonnen. Ich möchte noch einmal betonen dass mein kleiner Bericht auch nur unsere persönlichen Erfahrungen vor allem in Peg und Prizren wiederspiegelt.
Aber zu einigen Fragen kann ich (glaube ich) doch etwas sagen.

wo habt ihr denn gewöhnlich übernachtet? zelt oder unterkunft gesucht?

Wir haben in Peg im Hotel Dukagjini übernachtet. http://www.hoteldukagjini.com
O.K., es ist das beste Hotel in der ganzen Stadt, aber wir waren schon den halben Tag immer auf der Flucht vor einem schweren Unwetter was uns die ganze Zeit verfolgt hat. Der Himmel hinter uns war schwarz und es donnerte und blitzte schon. Deshalb haben wir dann das erst beste Hotel im Stadtzentrum angesteuert. War auch richtig so, denn kaum waren wir dort, gab es ein sintflutartiges Unwetter.
Das Dukagjini ist ein Edelschuppen, alles vom feinsten. Nach deutscher Kategorie mind.4, eher 5 Sterne. Alles Piksauber, kingsize Bett, bewachte Tiefgarage, Hallenbad etc.
Am Straßenrand beim Portier kostet das Zimmer noch 90€. Eine Treppe hoch beim Hotelmanager sagt der sofort 65€, und wenn man dann noch etwas handelt bekommt man eine super Unterkunft für schmales Geld. Wenn man bedenkt dass die Monatsmiete einer Stadtwohnung hier etwa 50€ kostet und das man im Kosovo für 15000€ ein zweistöckiges Haus bauen kann, dann hat man eine ungefähre Vorstellung der Relationen.

Eigentlich wollten wir ja noch weiter fahren und in der Rugova-Schlucht übernachten. Dort gibt es zahlreiche gemütliche Camps, meist mit Holzhütten. Wir haben nicht nachgefragt, aber ich denke dort kann man sicher (noch) für 10€ oder weniger übernachten.

wie war das mit der sprachbarriere? kommt man da mit englisch und deutsch durch?
Man sagte uns dass etwa 70% der Kosovoalbaner entweder im Ausland arbeiten würden, oder dort schon einmal gearbeitet hätten. Die meisten in der Schweiz, in Deutschland und auch einige in England. Das sieht man auch sofort wenn man in die Stadt Peg hineinfährt. So viele Luxuskarossen fahren in meiner Heimatstadt hier nicht herum. Fette Benze, viele Audi A6 oder A8, sogar Rolls Royce u.ä. Aber die haben alle ein Schweizer, deutsches oder englisches Nummernschild. Das sind die Kosovoalbaner die im Ausland arbeiten und ihr Geld nach Hause schicken. Im Sommer kommen die zum jährlichen "Heimaturlaub" zurück und zeigen was sie haben. Das scheint ein regelrechter Sport zu sein. "Wenn man in´s Ausland geht kommt man reich zurück und zeigt was man hat."
Uns wurde auch sofort - fast regelrecht vorgeworfen dass Deutschland sich ja kaum noch rechnen würde. "Für so geringe Stundenlöhne würde sich das nicht mehr rentieren." Die Schweiz und England sind gerade der "Renner".
Die "Heimkehrerurlauber" bringen aber auch die Kultur aus den Ländern mit und das ist uns besonders aufgefallen, das ergibt eine tolle "multikulti" Atmosphäre.
Also Sprachprobleme hat man deshalb in der Stadt überhaupt keine. (Auf dem Land vermutlich schon) Am besten kann man sich wirklich auf deutsch verständigen. Wenn wir abends unterwegs waren und beispielsweise in einem Restaurant etwas bestellt haben, zuerst auf Englisch, dann wurden wir sofort gefragt ob wir nicht deutsch sprechen könnten.
Wir, mit deutschen Nummernschildern, und dann auch noch mit Motorrädern unterwegs wurden ständig und überall auf deutsch begrüßt und in Gespräche verwickelt. (Manchmal mehr als uns lieb war)

? von was leben denn die menschen da?

viele glauben, daß die wenigen, die arbeit haben, im weitesten sinne für die internationalen organisationen tätig sind und von diesem einkommen dann der ganze familienverband leben muß. gibt es betriebe, die expandieren und damit arbeitsplätze schaffen oder nur subsistenzwirtschaft und alte marode ehemalige staatsbetriebe?

habt ihr überhaupt einblick gewinnen können, wie die menschen über die runden kommen bzw. ihr geld verdienen.

Also das kann ich nicht wirklich fundiert beurteilen. Aber mein Nachbar (und Freund) ist ja auch Kosovoalbaner. (Ihn wollten wir ja eigentlich auf seinem Heimaturlaub besuchen) Er hat mir schon viel über das Land erzählt.

Wie schon oben beschrieben arbeitet über die Hälfte der Kosovoalbaner im Ausland. Die schicken das Geld in die Heimat. Das Geld kommt also definitiv aus dem Ausland. Jede Familie muss also am besten mind. einen Arbeiter im Ausland beschäftigt haben damit es rund läuft. Familien die das nicht hinkriegen leben unter sehr ärmlichen Bedingungen. Das hat übrigens nichts mit dem Stand oder der Ausbildung zu tun. Z.B. ist ein Verwandter von meinem Nachbarn sogar Lehrer, aber lebt unter sehr unwürdigen Bedingungen.

? von was leben denn die menschen da?

gibt es betriebe, die expandieren und damit arbeitsplätze schaffen oder nur subsistenzwirtschaft und alte marode ehemalige staatsbetriebe?

Die (noch vorhandene) Korruption ist das Hauptproblem, z.B. bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Mein Nachbar z.B. hat sich in der Nähe von Istog einen kleinen Betrieb aufgebaut. (Die stellen Straßenschilder auf und malen die weißen Linien auf frisch asphaltierte Starßen.) Er hat mir immer wieder erzählt, dass er nicht die öffentlichen Aufträge bekommt, obwohl er das günstigste Angebot abgab, weil die entsprechenden Stellen erst einmal ordentlich "geschmiert" werden müssen. Dafür fehlen ihm die Mittel. Ich glaube genau da hängt es.

Kleine Anekdote am Rande: Das Kosovo ist so unglaublich schlecht bzw. nicht Beschildert, ohne Navi wäre ich hier völlig aufgeschmissen gewesen. Ein kleiner Feldweg kann durchaus der Weg zu einer internationalen Grenze sein. Aber da steht nix, gar nix. Noch nicht einmal was auf den Teer gekritzelt - nix. Als wir wieder zu Hause waren fragte ich meinen Nachbarn, er hätte doch schließlich eine Schilderfabrik im Kosovo - "Warum gibt es dort kieine Schilder ?"
Er lachte und sagte dass er in diesem Jahr schon über 800 Schilder aufgestellt hätte, aber die meisten würden geklaut, weil die hochwertigen Schilder beim Aluschrott hohe Preise erzielen würden. Es wäre ihnen sogar schon passiert, dass sie mit einer Arbeitskolonne am Straßenrand Schilder aufgestellt hätten und in 1km Abstand wäre ihnen die "Schilderklaukolonne" gefolgt und die hätten die Schilder samt Beton einfach wieder aus dem Boden gezogen. Er musste den Schaden aus seiner Tasche bezahlen.

Eines wäre mir noch wichtig zu erwähnen:
In diesem (ursprünglichen) Thread wurde ja schon öfters ein Vergleich Kosovo/Albanien angestellt. Wir waren ja dieses Jahr vor allem im Hinterland, in den Bergen Albaniens unterwegs, an der Küste sieht das etwas anders (moderner) aus.
Das Kosovo hat m.E. schon einen deutlichen technologischen und wirtschaftlichen Vorsprung im Vergleich zu Albanien. Im Kosovo fahren alte Traktoren auf dem Acker während man in Albanien auch noch häufig Ochsenpflüge sehen kann. Auch der Lebensstandad scheint hier deutlich höher.
Zitat eines Kosovoalbaners in Pec: "Wenn wir mal richtig günstig Urlaub machen wollen, dann fahren wir nach Albanien".

Gruß: Frank
 

claus-juergen

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hallo frank,

recht herzlichen dank für die präzise beantwortunng meiner fragen. meine einschätzung über den kosovo hat sich dadurch etwas geändert. vielleicht ist das land durchaus mal eine urlaubsreise wert. man müsste nur voher recherchieren, welche sehenswürdigkeiten es da gibt.

grüsse

jürgen
 

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hallo frank,

meine einschätzung über den kosovo hat sich dadurch etwas geändert. vielleicht ist das land durchaus mal eine urlaubsreise wert. man müsste nur voher recherchieren, welche sehenswürdigkeiten es da gibt.

grüsse

jürgen

Dito, nach dieser Schilderung haben wir den Kosovo auch mal für die Zukunft auf dem Schirm.

Insbesondere in Grenznähe zu Montenegro und Albanien gibt es spektakuläre Gebirgslandschaften (Prokletije Gebirge), diese wilden und ursprünglichen Berge reizen mich schon länger.

Vielen Dank für das Teilen der Eindrücke Eurer Reise.

Grüsse Kate
 
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