AW: Goldies Bootfahrererlebnisse zu YU-Zeiten
Hallo Foris,
heute kommt die 3. Fortsetzung.
Am Morgen wähnten wir uns im Paradies:
Zikadenkonzert, würziger Pinienduft, vermischt mit einem Duft irgendwelcher Kräuter und Blüten. Die Luft konnte man quasi fühlen. Sie war irgendwie wie Samt und Seide.
Jetzt konnten wir auch sehen, wo wir gelandet waren:
Hinter dem Steg, wo wir lagen, war die Bucht sehr seicht. Machte nichts, denn die Könige hatte Wolfgang hochgekippt. Es war eine Sandbucht. Sand auch am Ufer. Kristallklares Wasser, in dem keine Steine oder Seeigel lagen. Kleine Fischschwärme kamen zur "Bootsinspektion". Das, was wir empfanden, läßt sich nicht recht in Worte fassen. Bleibt so nur zu sagen: Es war unbeschreiblich schön.
Obwohl das Wasser lockte, mußten wir vorerst auf ein Bad verzichten. Für Wolfgang war Landgang mit unserem Hund angesagt, für mich Frühstückstisch decken und Kaffee kochen. Mit Bohnenkaffee, auf den wir bis heute nicht verzichten können/wollen, hatten wir uns gut eingedeckt, nachdem wir noch in D erfuhren, daß wir in YU nicht solchen Kaffee, wie gewohnt, bekommen würden.
Zusammen mit meinen Eltern kam Wolfgang zum Boot zurück, bepackt mit leckeren Frühstückssachen. In der Nähe des Urlaubsquartiers meiner Eltern gab es einen kleinen Laden. Meine Mutter ließ es sich daher nicht nehmen, alles für ein leckeres gemeinsames Frühstück zu besorgen. Und so blieb es während der restlichen Urlaubszeit. Wir wurden verwöhnt und genossen das natürlich.
Um die Bucht herum gab es einen Weg. Auf Steghöhe fanden sich dort nach und nach Leute ein, von denen wir, wenigstens aus Distanz, neugierig beäugt wurden. Nun gut: Wir waren das einzigste Touristenboot in der Bucht und wohnten auch noch darauf. So mußten wir uns wohl damit abfinden, daß wir, zudem noch mit Hund an Bord, für manche Leute irgendwie interessant waren.
Frühstück beendet. Jetzt aber endlich ab ins Wasser zum ersten Bad in der Adria. Wurde nichts draus. Lorenzo kam auf den Steg und begrüßte uns herzlich. Seiner Gestik konnten wir entnehmen, daß wir mit zu seinem Haus kommen sollten. Das kam uns, ehrlich gesagt, zu dem Zeitpunkt absolut nicht gelegen. War aber okay, denn selbstverständlich wollten wir, wenn auch erst nach einem ersehnten ersten Bad in der Adria, den netten Leuten, an deren Steg wir liegen durften, einen Besuch abstatten.
Plötzlich war das Gesicht von Lorenzo nicht mehr so freundlich, und er sagte etwas, was wir nicht verstanden. Das war, wie sich später herausstellte, sicher in diesem Falle auch besser so. Er zeigte dabei immer auf unsere YU-Flagge, auf die wir eigentlich richtig stolz waren, weil wir sie tatsächlich in D auftreiben und so eine Gastlandflagge setzen konnten. Es dauerte zwar, aber dann verstanden wir: Unsere YU-Flagge war die von Slowenien! Wie peinlich! Wir machten wohl derart betroffene Gesichter, daß wir Lorenzo leid taten. Er verschwand auf seinem Boot, und wir konnten hören, daß er dort wohl alles umkrempelte. Nach geraumer Zeit tauchte er strahlend mit der richtigen Flagge auf, die er Wolfgang in die Hand drückte. Donnerwetter! War die groß! Machte nichts. Uns war bereits große Gastfreundschaft gewährt worden, also führten wir auch gern eine große Gastlandflagge.
Lorenzo voran ging es hoch zum Haus. Es war ein stilvolles Haus, umsäumt von Pinien und blühenden Oleanderbüschen. Auf der Bank vor dem Haus saß der Opa und flickte ein Netz. Ein Bild der Ruhe und des Friedens. Drehte man sich um, hatte man einen herrlichen Blick auf die gesamte Bucht und in deren Fortsetzung auf das Meer. Traumhaft, einfach traumhaft.
Wir waren von alledem derart fasziniert, daß wir es erst recht spät bemerkten, daß die ganze Familie aus dem Haus gekommen war: Die Oma, Lorenzhos Frau Dragica und der Sohn Jadranko. Selbst Pero, der ein eigenes Haus hatte, war mit dabei. Wir waren Fremde, wurden aber derart herzlich begrüßt, wie wir es nur unter wirklich guten Freunden kannten. Ich glaube, ich war so gerührt, daß ich einen Kloß im Hals und Tränen in den Augen hatte.
Alle zusammen gingen wir danach in die große, kühle, gemütliche Wohnküche. Winzige Tassen und eine kuchenähnliche Leckerei standen bereits auf dem Tisch. Es gab Kaffee!!! Ungewöhnlicher Geschmack und zudem noch gezuckert. Ich hoffe, ich kränke niemanden, aber der Kaffee war und wurde bis heute nicht "unser Ding".
Allesamt führten wir eine sehr lebhafte Unterhaltung. Na, neugierig wie das ging? War lustig. Erzähle ich gern:
Jadranko konnte, durch das Spielen mit deutschen Touristen-Kindern, ein paar Brocken Deutsch. Wir hatten vor unserem Urlaub in D ein winziges Büchlein aufgetrieben: "Urlaubs- und Reisesprachführer Serbo-Kroatisch für die Reise nach Jugoslawien", 4. Auflage - März 1965. Half nicht viel, aber immerhin. Zu unserer Verfügung standen noch die Zeichensprache und das Aufmalen eines Gegenstandes, um den es bei unserer Unterhaltung ging. Alles zusammen führte uns irgendwann zum Ziel der gegenseitigen Verständigung.
Unsere Unterhaltung dauerte lange. Es wurde noch etwas zum Trinken gereicht. Ein halbes (!) Glas Wasser. Nun ja, wir wußten es ja bereits: Trinkwasser war knapp. Es roch nicht nach Wasser. Wir tranken trotzdem. Oh! Oh! Ich glaube, ich habe mich noch am nächsten Tag geschüttelt. Es war selbst gebrannter Rakia! Alc-Höhe ??,? % vol ? Später aber hatten wir stets Rakia an Bord, denn er half bei Magenproblemen und eignete sich zudem gut zur Desinfektion von Wunden.
Als wir uns trennten bestand Pero darauf, daß wir auch seine Frau Maritza und seinen Sohn Miljenko kennenlernen sollen. Sein Haus lag tiefer am Hang. Wir folgten ihm leichten Fußes. Nein! Nein! Das lag nicht am Rakia. Es ging ja schließlich bergab.
Auch bei Pero war alles schön und idyllisch. Wir wurden auch hier ganz, ganz herzlich begrüßt. Zur Begrüßung bekamen wir ein großes Glas lilafarbenen Saft. Sah richtig interessant aus. Der war sicher lecker. Schöner Saft! Er entpuppte sich als selbst hergestellter Prosek! Alc-Höhe ??,? % vol ? Wir verabschiedeten uns recht schnell, denn einen Prosek-Nachschlag hätten wir sicher nicht mehr verkraftet. Zum restlichen Weg zum Boot nur soviel: Wir kamen nicht vom schmalen Weg ab!
Da ich gerade bei Getränken bin:
Nicht nur in unserem ersten Urlaub gab es in YU immer und überall ausnahmslos lauwarme, schreiend süße Limonaden zu kaufen. Absolute Spitze: Yugo-Cocta mit Kohlensäure. Beim Trinken hatte man nur ekelhaft süßen lauwarmen Schaum im Mund. Irgendwann lernten wir Maraska Rum kennen. Er duftete köstlich nach Vanille. Ein Schuß davon in die Yugo-Cocta, und im Nu hatte man (damals zumindest) einen richtig guten Drink, bei dem es noch nicht einmal störte, wenn er nicht kalt war. Was es aber von Anfang an immer und überall in YU gut gekühlt gab war Bier (Pivo)! So war Bier damals das einzigste Getränk, welches wirklich gegen Durst half. Bier soll ja auch gut sein für die Nieren. Also taten wir unseren Nieren öfter was Gutes!
Natürlich hatten wir auch einen "Kühlschrank" = nasses Tuch um eine Flasche gewickelt, diese dann im Schatten in den Wind gestellt. Leider funktionierte er selten = kein Wind oder Flasche unbeobachtet gelassen, so daß sie irgendwann in der prallen Sonne stand.
Nun aber endlich zu unserem ersten Bad in der Adria. Es lag jenseits unserer Vorstellungskraft. Warmes, kristallklares Wasser, drauflegen, Arme ausbreiten, und man trieb auf dem Wasser. Man mußte nicht schwimmen, sondern konnte relexen, sich einfach treiben lassen und seinen Gedanken nachhängen.
Auch das Wasserskilaufen war einfach ein "Gedicht". Für uns ein unbändiges Gefühl von Freiheit. Nicht mehr in einen dicken Wasserski-/Taucheranzug zwängen, nicht mehr mit gekürzter Wasserskileine laufen, nicht mehr auf eine relativ kurze Flußwasserskistrecke angewiesen sein. Nicht mehr die Gefahr, daß man beim Wenden auf dem Fluß auf die mit dicken Steinen befestigte Uferböschung rauschte.
Waren wir mit dem Boot unterwegs, hieß es nur: "Willst Du laufen?" Oder: "Ich würde gern laufen." Motoren stopp, Leine raus, Ski raus, kleine Korkschwimmweste (war damals der größte Hit) angezogen, raus aus dem Boot und los ging es. Zig, zig Kilometer lang konnten wir uns nach Herzenslust so richtig gut auspowern.
Unsere "neue Großfamilie" kümmerte sich rührend um uns:
Wir bekamen Sprachunterricht.
Unsere Sprachkenntnisse wurden von Jahr zu Jahr besser, was viele Jahre sehr von Vorteil war. Aber mit zunehmendem Tourismus wurde in YU immer mehr Deutsch gesprochen, so daß zwischenzeitlich leider nicht mehr viel von unseren Sprachkenntnissen übrig geblieben ist.
Wir wurden genauestens über das Adriawetter, Wind, Wellen, woran man Untiefen zeitig genug erkennt, wie Buchten und Anlegestellen in Häfen beschaffen sein müssen, in bzw. an denen man bei jedem Wetter total sicher und schwallfrei liegt usw., usw. unterrichtet. Dieser Unterricht war dermaßen gut, daß wir nicht ein einziges Mal einen Schaden an unseren Booten erlitten.
Wir lernten die heimische Küche und die leckeren Sachen aus dem Meer (Hummer, Fische usw.) kennen.
Ach! Dazu fällt mir ein:
Wir waren wieder zum Essen eingeladen. Es sollte Braten geben. Eine große Fleischplatte kam auf den Tisch. Die Bratenstücke waren paniert, goldgelb und sahen lecker aus. Im Nachhinein betrachtet hätten wir eigentlich merken müssen, daß irgend etwas mit dem Braten nicht stimmte. Denn wir wurden von allen beäugt und auffällig oft gefragt, ob uns der Braten schmeckt. Mußten wir bejahen, denn er schmeckte tatsächlich unwahrscheinlich lecker, wenn auch absolut nicht nach irgendeinem Braten. Nach dem Essen wurden wir aufgeklärt: Es war Haifisch!
Wir wurden richtig süchtig nach Haifisch, mußten aber, auch in all den nachfolgenden Jahren, feststellen, daß leider nicht viele Köche Haifisch nach unserem Geschmack zubereiteten. Den Leckersten gab es stets nur bei Dragica und in einer Konoba auf Pag.
"Unsere Großfamilie" führte uns bei Verwandten und Freunden ein, und zwar nicht nur auf Rab, sondern auch auf Pag. Die Verwandten auf Pag stellten Käse her, runde Käse in vielen Größen. Der Käse war einfach ein Gedicht. Hier kam hinzu: Man durfte ihn nicht in einem Kühlschrank lagern, den wir damals ja sowieso nicht hatten. Er mußte, in einem Leinentuch eingeschlagen, nur einigermaßen kühl aufbewahrt werden. Das klappte.
Unmengen von Pager Käse wurden unsere Vorratshaltung. Bekam man kein Brot usw., gab es (nur zu gern) Käse in Tortenstückgröße auf die eine Faust und eine Tomate auf die andere Faust. An Tomaten war immer ein Rankommen. Und so konnten wir stets satt und zufrieden sein. Außerdem konnte man den selbst geräucherten, leckeren Schinken gut aufbewahren. Glaubt es ruhig: Auch der schmeckte ohne Brot! Trank man genüßlich noch ein Glas Prosek dazu, war es das perfekte Gourmet-Essen. Hatte man noch einen völlig ruhigen Liegeplatz und konnte beim Essen einen herrlichen Sonnenuntergang beobachten, war unsere Welt nicht nur in Ordnung, sondern viel mehr.
Das war´s für heute. Ich muß erst einmal Ordnung in die Erinnerungen bringen.
LG
Monika / Goldie