Teil 04:
3. Tag – Schützenfest und Gänsegeier
Montag, der 16.06.2014:
Wenn Marco duschte, war das Wasser oft kalt. Ich blieb davon meistens verschont, wohl, weil ich früher duschte. Wahrscheinlich versuchte unsere Vermieterin hier ein bisschen Geld zu sparen. Wir teilten es ihr jedoch nicht mit. Ich selbst konnte damit auch gut leben. Ich duschte jeden Morgen und Abend, während des gesamten Urlaubs rund 24 Mal. Bei mir war das Wasser insgesamt 2 Mal kalt. Damit kam ich klar. Auch die Klimaanlage funktionierte nicht. Als wir mal klingelten und nur der Ehemann unserer Vermieterin öffnete und wir versuchten, unser Anliegen vorzubringen (er spricht weder Deutsch noch Englisch), sagte er irgendwas von „Klimo“ und wir dachten, er würde es seiner Frau vielleicht sagen, machten uns aber nicht allzu große Hoffnungen. Gut, hier kann man auch nichts sagen, da im Internet auch keine Klimaanlage erwähnt wird. Aber 2012 funktionierte sie noch. War wahrscheinlich ebenso abgestellt.
Heute war Wandertag. Zuvor wollten wir aber noch das Dinko-Vitezić-Haus in Vrbnik besuchen. Auch haben wir Postkarten an die Lieben zu Hause versandt. Am Abend sollte das erste WM-Spiel unserer deutschen Mannschaft gegen Portugal stattfinden.
Nach unserem Frühstück (nebst Zuschauen beim Joggen der hübschen Einheimischen) machten wir uns also los, entschieden uns aber dazu, lieber zuerst zu Wandern. Nun fuhren wir zum Strand Potovošće. Von dort wollten wir unsere Wanderung beginnen.
Wanderung in das Vogelschutzgebiet Glavina/Mala Luka:
Wir folgten der Route 1 von der Uvala Potovošće bis zur Bucht Vinca;
orange ist das Vogelschutzgebiet
Los geht's...
Richtig schön überm Meer entlang...
Marco hatte leider eine Bemerkung von mir missinterpretiert, weswegen er nichts zu trinken mitnahm. Ich sagte sowas wie, dass ich dann mal 2 Flaschen in den Rucksack mache. Ich verstehe nicht ganz, warum er dann meinte, dass eine von beiden für ihn sei. Jedenfalls packte er keine mehr ein. Das hätte uns eigentlich nach der Tortur, die wir 2012 unter Lubenice auf Cres erlebten, nicht mehr passieren dürfen. Mittlerweile war es auch ziemlich warm geworden, und ich machte mir Sorgen.
Der Potovošće-Strand, für mich der schönste Strand Vrbniks
Wir parkten am Strand, machten uns marschbereit und los ging’s. Der Pfad führte am Felsenufer entlang, direkt über dem Wasser. Dies war sehr schön. Man kann nicht immer nur überall mit dem Auto hinfahren, sondern muss, um ein Gefühl für das Land zu bekommen, auch mal die Wanderschuhe schnüren. Nur dann weiß man, wie es in den betreffenden Gebieten aussieht. Und man merkte schon: Ohne Wanderschuhe wäre es schwer. Dieses Gebiet und speziell die Pfade bestehen eigentlich nur aus spitzem Fels, der aus dem Boden ragt. Mit Wanderschuhen kann man diese spitzen Felsen nutzen. Das Gebiet gestaltete sich als sehr schön. Wir kamen an einigen dieser aus Trockensteinmauern errichteten „Schafshirten-Schlafhäuschen“ vorbei. Irgendwo war auch ein Schaf zu hören, aber bei den vielen Mauern, hinter denen es stehen konnte, hätte eine Suche wohl ewig gedauert. Wir hatten ca. 28 Grad und ich musste regelmäßig trinken. Bei diesen Temperaturen, die sich ja immer gleich anfühlen wie jenseits der 30 Grad, ist es zum Wandern schon beinahe zu warm.
Ein Hirtenhäuschen (Kažuni)
Hier meinte Marco, ihm würde schwindelig beim Hochschauen
Idylle in der Nähe des Strandes Sršćina
Blick nach Novi Vinodolski
Ich liebe diese typischen kroatischen Holzgatter, hier eines in der Nähe der Bucht Vinca
Wir kamen in eine kleine Schlucht, hinter der sich ein sehr hoher Hügel befand. Marco meinte, wenn er da hinauf schaue, würde im schwindelig. Mir gefiel die Landschaft.Die Sorge um die knappen Getränkevorräte wurde ich aber nicht komplett los.Bald kamen wir an eine Abzweigung zum Strand Sršćina. Die ließen wir liegen und marschierten weiter bis zur Bucht Vinca. Dies war ja auch mein eigentliches Ziel. Hier war ein Holzschild mit der Aufschrift „Vinca“ und ein elektrischer Zaun. Den dann folgenden steilen Anstieg am Zaun entlang wollten wir nicht mehr bewältigen und kehrten um. Und dort hinten trafen wir dann doch tatsächlich auf andere menschliche Wesen. Wie wir bald erfuhren, kamen sie vom Camp Glavotok. Es waren Deutsche. Doch irgendwie unwissender als wir. Nun sind wir ja beileibe noch keine Kroatien-Experten, doch die Gruppe aus ca. 4 Leuten fragte uns, ob wir aus Vinca kämen. Erst einmal sprachen sie es „Finka“ aus. Das „V“ spricht man aber im Kroatischen doch weich aus wie ein „W“. Und ein „C“ immer wie „ts“. Man spricht es doch wie „Winza“ aus. Ich persönlich interessiere mich auch ein wenig für die kroatische Sprache. Also, wenn man dorthin öfter in den Urlaub fährt und das Land liebt, gehört das doch ein bissel dazu. Und dann ist das sicher kein Dorf, worauf sie jedoch beharrten. So ganz genau konnten wir gar nicht herausfinden, was dieses Vinca eigentlich ist. Eine Art Bucht, die aber ein Privatgrundstück ist. Dann sahen wir zwei große Vögel am Himmel kreisen. Da sahen wir doch tatsächlich unsere ersten kroatischen Gänsegeier. Einer aus der Gruppe sagte jedoch: „Schaut mal, Adler!“. Ja, hatten die noch nicht gehört, dass dies ein Gänsegeiergebiet ist? Zum ersten Mal waren sie in Kroatien. Ts, ts, solche Greenhorns. Doch sie hatten die gleiche Wanderkarte wie ich, die ich aber leider im Apartment liegen lassen hatte. So konnte ich mich dann davon überzeugen, dass wir schon deutlich im Gebiet des Vogelschutzgebietes waren, woran ich vorher ein wenig zweifelte.
Fast da...
Hier ist es...
Okay, wir gingen zurück und schauten uns nun noch den Strand Sršćina an. An der Seite standen einige Bienenstöcke, denen ich lieber nicht allzu nah kam. Jetzt doch ziemlich erleichtert, nahm ich erst mal ordentliche Schlücke aus meiner Flasche.
Strand Sršćina
Fast zurück...
Als wir zurück am Strand Potovošće waren, hatten wir insgesamt 4 Stunden gebraucht und waren doch ein wenig erschöpft. Am Anfang macht es Spaß, über diese felsigen Spitzen zu marschieren. Am Anfang! Mein linker Knöchel hatte auf dem Rückweg auch angefangen zu schmerzen. Ob die Wanderschuhe Schuld waren? Wir fuhren dann mit dem Auto erst mal nach Hause.
Nun liefen wir in das Altstädtchen und besuchten das Haus des Dinko Vitezić. In ihm befindet sich die teilweise aus dem 15. und 16. Jahrhundert stammende Bibliothek des kroatischen Abgeordneten Dinko Vitezić (1822-1904), der als Kämpfer für die Rechte Kroatiens im Wiener Abgeordnetenhaus bekannt war. Sie umfasst über 15.000 Bücher, darunter zahlreiche Werke in glagolitischer Schrift aus dem 14. und 15. Jahrhundert sowie das erste Vrbniker Messbuch aus dem 15. Jahrhundert und den 1718 in Nürnberg gedruckten "Atlas Scolasticus et Itinerarius". Das einzige weitere Exemplar dieses Atlanten befindet sich in England. Und eine alte Buchdruckmaschine von Johannes Gutenberg befindet sich hier. Die Funktionsweise wurde uns netterweise erklärt. Schon damals wurden damit täglich mehrere Tausend Seiten gedruckt, was einen Schichtwechsel der bedienenden Arbeiter erforderlich machte, da nicht einer allein den ganzen Tag den Hebel hoch und runter drücken könne, wie uns die Dame der Stadtverwaltung, die uns führte, erklärte. Zuvor hatten wir hier ein sehr hübsches Vrbnik-T-Shirt erstanden. Nun führte sie uns sehr nett durch die verschiedenen Räumlichkeiten und erklärte uns Einiges. Trachten gab es hier auch. Anscheinend ist die Tracht für die Männer auf der ganzen Insel einheitlich. Für die Frauen gibt es wohl in jeder Gemeinde eine unterschiedliche.
Im Dinko-Vitezić-Haus angekommen...
Gemälde und Schriften...
Der "Atlas Scolasticus et Itinerarius"
Was ich nicht gedacht hätte, ist die Tatsache, dass es bereits auf Krk verschiedene Dialekte gibt. Einheimische erkennen z. B., wenn jemand aus Baška kommt. Die Dame erzählte uns vom Ivanja-Fest in Vrbnik, was in wenigen Tagen stattfinden sollte – wovon wir aber schon wussten – und von einer Klapa-Musikveranstaltung ebenfalls ein paar Tage später. Später eröffnete mir Marco, dass er die Frau attraktiv fand. Nett war sie in der Tat, aber so hübsch fand‘ ich sie jetzt nicht. Ich witzelte noch, dass dies ja sogar die Bürgermeisterin gewesen sein könne (was mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht so war) und Marco sich ja vielleicht „hochschlafen“ würde, auf diese Art und Weise der „First Man“ von Vrbnik werden würde, dies sein Einstieg in die kroatische Politik bedeuten könne, bis er dann in ferner Zukunft einmal Präsident von Kroatien wird.
Glagolitische Schriften
Trachten der Insel Krk
Die Gutenbergsche Buchdruckmaschine
Zurück zu Hause wurde erst einmal geduscht, und dann fuhren wir noch einkaufen. Dann streiften wir uns unsere Deutschland-Shirts über und freuten uns auf das erste Spiel unserer Nationalmannschaft bei dieser WM gegen Portugal. Auf Marco’s Vorschlag hin haben wir schon mal auf unserem Balkon angestoßen. Ein Karlovačko und ein Glas Žlahtina wurden schon mal geleert. Dann machten wir uns auf in die Altstadt. Wir hatten schon vorher gesehen, dass man bei der Konoba Nada die WM schauen konnte, und zwar draußen. Direkt über dem Meer stehen hier einige Tische, wo man , ähnlich wie in einer Bar, im Stehen Drinks zu sich nehmen kann. Das Nada liegt an der anderen Straßenseite. Sir und Pršut werden sogar auch hierhin serviert. Und von dort konnte man auf einer großen Leinwand die WM verfolgen. Allerdings nicht überdacht, und wir dachten, dass das eventuell schlecht wäre, da sich draußen alles ziemlich zugezogen hatte.
So zog es uns in unsere – wie man mittlerweile fast sagen kann – Stammkonoba: die Konoba Vrbnička Žlahtina. Hier gehen wir immer am Liebsten hin. Wir freuten uns sehr, als wir Franjo Toljanić wiedersahen, unsere Lieblingsbedienung. Er begrüßte uns auch erfreut. Hier in der Konoba am Trg Škujica trifft man sich. Es ist das Mekka all derer, die abends in Vrbnik noch ausgehen wollen. Und hier war ein Fernseher draußen aufgestellt. Vor der Konoba ist ja meistens eine große Stoffmarkise geöffnet, die ja bei Regen auch Schutz bieten würde. Allerdings mussten wir zunächst davor Platz nehmen, also relativ weit vom Fernseher entfernt, da ansonsten alle Plätze besetzt waren. Dann hatten wir Glück. 5 m vor dem Fernseher (eigentlich der beste Platz) wurde ein Tisch so langsam leer. Ein Mann saß jetzt nur noch dort. Als ich ihn fragte, ob wir uns denn dazusetzen dürften, sagte er, dass er jetzt sowieso auch gehen wolle. Haha. Hatten wir ein Glück. Wir bestellten gleich jeder ein großes Ožujsko vom Fass und eine Karaffe Žlahtina. Der Platz war voll mit Deutschen. An jedem Tisch sah man entsprechende Trikots.
Franjo ist der lange Typ in schwarz neben dem Baum
Marco bat Franjo umzuschalten, da ein anderes Programm lief. Ich weiß gar nicht genau, was es für Probleme gab. Auf jeden Fall hat Franjo wohl gleich mehrere Pakete bei Sky bestellt, da mit deutschem Ton nicht geschaut werden konnte. Das wäre nun wirklich nicht nötig gewesen. Marco meinte auch, Franjo wäre zu diesem Zeitpunkt nicht gut gelaunt gewesen. Irgendwann hatten sie dann das richtige Programm an. Noch mit kroatischem Ton. Reichte ja vollkommen.
Ein älteres Paar fragte uns, ob sie denn noch Platz nehmen dürften. Ich fragte: “Sie sind doch Bayern, oder?“ Der Bayer: “Ja.“ Ich: “Okay!“ Der Bayer: “Was wäre denn jetzt nicht okay gewesen?“ Ich:“ Nein, nein, so meinte ich das nicht. Wir können nur den bayrischen vom österreichischen Dialekt manchmal nicht so ganz unterscheiden.“ In der Folge diskutierte ich viel mit ihm. Er war 62 Jahre alt. Auch seine Frau habe ich noch vor Augen. Die beiden wohnten in der Nähe dieses gebogenen Hafenwalls in Vrbnik. Sie sagten, sie hätten es sehr kurz bis zum Wasser, könnten aber von dort nicht hinein. Da konnte ich mir sehr gut vorstellen, wo sie wohnen würden. Bei ihnen war wahrscheinlich im Apartment auch so Einiges defekt, wie er mir erzählte. Wir diskutierten viel über diese typischen Fußballdinge. Ist Götze nicht eher auf einer anderen Position besser aufgehoben? – usw.. Derweil lief das Spiel für Deutschland richtig toll. Eben war das frühe 1-0 durch einen Elfmeter gefallen, und das schien unsere Jungs zu beflügeln. Marco hatte unterdessen eine Unterhaltung mit denen am Nebentisch begonnen. Zur Halbzeit stand es dann bereits 3-0. Dieser Müller ist aber auch unglaublich. Mein bayrischer Gesprächspartner trank keinen Alkohol und wollte auch keine Ausnahme machen.
Es war eine Riesenstimmung am Platz. Müller machte noch das 4-0, und das Pärchen an unserem Tisch begab sich nach Hause. Marco willigte ein, noch ein bissel Wein und Kruškovac zu bestellen. Bald hatte er dann schon etwas tiefer ins Glas geschaut und schlief auf seinem Stuhl ein, was natürlich amüsant für den Einen oder Anderen war. Die Leute am Nebentisch versuchten, ihn aufzuwecken, doch scheiterten genauso wie Franjo. Mittlerweile hatte es wirklich zu regnen angefangen. Da die Markise nur aus Stoff bestand, regnete es an einigen Stellen durch, wodurch sich auf manchen Tischen Pfützen ergaben. Franjo fragte mich, ob wir nicht lieber an einen anderen Tisch wollten, aber da nur das andere Tischende nass war, wollte ich sitzen bleiben. Mangels Gesprächspartnern gesellte ich mich nun ein wenig zu den Tischnachbarn. Sie erzählten mir, dass ein Verwandter von ihnen im gleichen Haus wohnen würde wie wir. Sie waren der festen Überzeugung, Marco käme aus Gelsenkirchen. Was der ihnen mal wieder erzählt hatte im beschwipsten Zustand. Marco war doch lediglich Schalke-Fan. Später fand er das alles sehr peinlich. Als er wieder zu sich kam, drehte er erst einmal eine Runde auf dem Platz und lief ganz außen am Zaun entlang. Die Nachbarn forderten mich auf, ihm doch zu helfen, doch als ich erfuhr, dass man dort hinten weder hinaus noch irgendwo runterfallen konnte, blieb ich sitzen. Als er dann wieder an den Tisch kam, konnte er wieder mit den Tischnachbarn reden. Ich überredete Franjo noch dazu, dass wir das „Žlahtina Toljanić“ – Weinglas mitnehmen durften, obwohl ich gar nicht sicher weiß, ob er es verstanden hat. Marco nahm unbewusst noch ein Karlovačko– Bierglas mit.
Zu Hause angekommen, vermisste Marco dann sein Handy. Wir mussten noch mal zurück. Standen panikerfüllt bei Franjo in der Konoba und erklärten ihm die Sache. Zuvor hatte ich schon versucht, auf Marco’s Handy anzurufen. Komischerweise ging ein Kroate dran. Was hatte das zu bedeuten? Franjo wusste keinen Rat. Auch er rief noch mal Marco von meinem Handy an. Brachte irgendwie nix. Tja, da gingen wir also zurück nach Hause. Und wo war’s Handy? In Marco’s Auto!
Auch nachher habe ich noch nicht verstanden, warum da ein Kroate dran ging. Eventuell weil ich Marco’s Nummer ohne die 049 vorn gespeichert hab‘. Nur komischerweise konnte ich meinem Bruder schreiben, obwohl die Nummer auch ohne die Ländervorwahl gespeichert war. Egal.
Fortsetzung folgt...