Kapitel 06
Nun mussten wir aber schleunigst zurück zum Pile-Tor, um an der Führung teilnehmen zu können. Ich war der Meinung, dass wir uns am Tor treffen würden, aber einer unserer Mitreisenden winkte uns heran. Der Treffpunkt war die Touristeninformation. Vor dem Pile-Tor hatte ich mir noch ein hübsches Stück Pizza geholt. Is' ja Urlaub. Dann kam eine um die 30 Jahre alte, blonde Frau mit längeren Haaren, die sich uns als unsere Führerin vorstellte. Wir betraten das Altstadttor erneut. Unsere Führerin wirkte sehr unsicher, betonte auch mehrfach, wie aufgeregt sie sei, da sie dies erst zum dritten Mal machte. Sie entschuldigte sich und versprach, dass es besser werden würde. Mehrfach musste sie inmitten ihre Sätze abbrechen, da sie nicht mehr weiter wusste. Ich glaube, manche aus unserer Gruppe waren nicht ganz so begeistert, doch mir selbst macht das nicht so viel aus. Ich frage mich dann, ob ich es denn besser machen würde. Zu den wichtigsten Orten wird man schon kommen. Ich war dann derjenige, der sich am meisten mit ihr unterhielt. Erstens war sie recht nett und zweitens machte sie das vielleicht etwas lockerer, wenn sie merkte, dass jemand sich für das interessierte, was sie sagt und noch zusätzliche Fragen stellte. Vielleicht konnte man sie dadurch ja auch etwas ablenken. Ursprünglich kam sie aus Österreich, wie sie sagte, wohnte aber bereits seit vielen Jahren in Dubrovnik. Manche deutsche Wörter schien sie mittlerweile vergessen zu haben.
Blick in Richtung Pile-Tor
Sie erzählte uns, dass der Stradun früher ein Wasserkanal war, den man erst später aufgeschüttet hatte und betonte, dass man ebenfalls im Osten der Stadtmauer mit dem Aufstieg beginnen konnte. Der Sponza-Palast war ursprünglich wohl als Zollhaus gedacht. Östlich des Revelin-Turms liegen die alten Lazarette. In den Zeiten der Pest wurden Neuankömmlinge hier erst einmal für 30 oder 40 Tage unter Karantäne gesetzt, bevor sie die Stadt endgültig betreten durften. Immer wieder folgten jedoch nervöse Entschuldigungen. So schlecht fand ich es aber durchaus nicht. Die meisten Stellen hatten wir aber zuvor in Eigenregie bereits besucht gehabt. Zu früheren Zeiten schloss man aus Sicherheitsgründen nachts einfach die Stadttore, wie die Dame uns erläuterte. Niemand kam raus, niemand kam rein. Will man alle Sehenswürdigkeiten auf einmal sehen, hat man es schwer.
Gradski zvonik 1
Gradski zvonik 2
Kathedrale Sv. Vlaha
Sponza-Palast 1
Sponza-Palast 2
Rolandsstatue
Kleiner Onofriobrunnen
Blick in Richtung der Kathedrale
Luža-Platz 1
Luža-Platz 2
Nachdem wir uns verabschiedet hatten, suchte ich am Fischmarkt-Tor nach dem Aufstieg auf die Stadtmauer, fand ihn aber nicht. Also durchquerten wir nochmals den Stradun, um am Pile-Tor mit dem Aufstieg zu beginnen. Da es bereits 18.30 Uhr war und um 19.30 Uhr geschlossen werden sollte, gab es auch Gäste, die umkehrten, als ihnen diese Tatsache präsentiert wurde. Wir jedoch nicht. Die Stadtmauer ist 1.940 m lang. Natürlich ist sie nicht einfach zu bewältigen – und es war auch immer noch warm – doch wenn wir nicht die komplette Mauer schaffen sollten (noch dazu geht es ja auch viele Treppen hinauf und hinab), konnten wir auch bei der Hälfte am Fischmarkt-Tor sagen: „Okay, das reicht uns. Wir gehen hinunter.“ Also zahlten wir den Eintritt und liefen auf der bis zu 6 m breiten und bis 25 m hohen Mauer hinab, zum Meer hin. Das ist übrigens die vorhergesehene Richtung. Sie ist kein Muss, doch geht man in die andere Richtung, stört man viele der entgegen kommenden Urlauber in den teilweise sehr engen Durchgängen. Man schwimmt hier also besser mit dem Strom. Im Südwesten der Mauer steht die Bokar-Festung aus dem 15. Jahrhundert. Von hier konnten wir gut zur Festung Lovrijenac hinüberschauen, die neben der Altstadt auf einem 37 m hohen Felsen zur Verteidigung des westlichen Stadtteils gegen Angriffe vom Meer und vom Land gebaut wurde. Für sie hatten wir leider nicht die notwendige Zeit, so dass auch sie beim nächsten Besuch angeschaut wird. Auf der Mauer sind einige Kioske und kleine gastronomische Betriebe, die natürlich die Erschöpfung des einen oder anderen Urlaubers gern ausnutzen möchten. Doch nicht mit uns. An der Südseite beobachteten wir viele Schiffe und kleinere Boote. Einige der vor uns gehenden Touristen wurden durch uns überholt. Der Besuch der Stadtmauer ist ein Muss hier in Dubrovnik, denn auf diese Weise hat man einfach den besten Überblick über die Gebäude der Altstadt. Als wir nach Durchschreiten der Festung Sv. Ivan schließlich über dem Fischmarkt-Tor ankamen, war es noch früh genug, auch noch die andere Hälfte der Mauer im Norden abzulaufen. Christine stand dies alles tapfer durch, sehnte aber bereits unser Abendessen herbei. Der nördliche Teil der Mauer ist natürlich der schweißtreibendere, da auch höhere. Hier sind noch einige richtig hohe Treppen zu bewältigen. Den besten Ausblick hat man dann von der Festung Minčeta im Nordwesten. Dies ist auch der schönste Turm, folglich tummelten sich die Menschen, um einen schönen Platz für ein Foto zu ergattern.
Auf der Stadtmauer 1
Auf der Stadtmauer 2
Auf der Stadtmauer 3
Diese Plätze sind ja oft heiß begehrt. Wer kennt das nicht? Ein Pärchen posiert für ein Foto auf der Mauer mit der schönen Aussicht im Hintergrund. Diejenigen, die sich danach dort hinsetzen wollten, stehen schon längst bereit. Die nächsten auch. Man nimmt an solchen Plätzen Rücksicht aufeinander und wartet ab, bis man an der Reihe ist. Das wundert mich manchmal. Wieviele Menschen müssten wohl an einem solchen Ort sein, damit das Geschubse und Gemotze losgeht wie z. B. „Sind Sie endlich fertig? Verschwinden Sie. Wir wollen auch mal.“ Aber so etwas habe ich an einem solchen Ort noch nie vernommen. Es läuft immer friedlich ab, egal wo.
Auf der Stadtmauer 4
Auf der Stadtmauer 5
Auf der Stadtmauer 6
Café auf den Klippen
Beim finalen Abstieg zum Pile-Tor wunderte ich mich noch über einen Basketball-Platz inmitten der Mauern und Häuser. Der Platz war auf der einen Korbseite schräg, da es zwischen dem Stein einfach nicht genug Platz gab. Also hatte man einen Korb einfach an der Schrägen angebracht, und so spielten zwei verschiedene Gruppen von Jugendlichen jeweils ihr eigenes Spiel auf einen Korb, so dass es unerheblich war, dass der andere Korb nicht genau gegenüber lag. Das nenne ich „perfekte Raumausnutzung“. Ungefähr um drei vor halb acht waren wir unten; wir hatten also die komplette Stadtmauer in einer Stunde geschafft.
In den Gassen
Am Rathaus
Alter Hafen mit Festung Sv. Ivan 1
Alter Hafen mit Festung Sv. Ivan 2
Das Arsenal
Dann schlurften wir wieder zurück zum alten Hafen und zum Stadtteil Ploče. Geht man den Durchgang zum Fischmarkt-Tor unter der Glockenturmloge Luža hindurch, verlässt aber nicht die Stadtmauern, sondern hält sich weiter im Innern, kommt man am Dominikanischen Kloster vorbei. Dieses wurde gerade restauriert, sodass ein Gerüst es teilweise verbarg. Dahinter kommt dann das Ploče-Tor, das wie das Pile-Tor über eine Zugbrücke verfügt. Wie am Pile-Tor sieht man auch hier noch die alten Schließmechanismen, mittels derer die Tore damals verschlossen wurden. Hier hinten befindet sich das Restaurant Horizont. Und ein freier Platz außerhalb des Restaurants mit Blick auf den alten Hafen fand sich für uns auch. Hier war er, der Kellner mit den besten Manieren des Urlaubs. Er rückte den Stuhl für uns zurück, damit wir Platz nehmen konnten. Als ich nach der Bestellung nach einem Aschenbecher fragte, brachte er nicht nur einen, sondern zündete uns auch die Zigarette an. Er hatte eine sehr freundliche Art. Sofort brachte der Kellner einen neuen, sauberen Aschenbecher, als wir geraucht hatten. Als Vorspeise bekam ich Jakobsmuscheln, die besten, die ich je aß, als Hauptspeise nahm Christine die istrischen Fuži mit Trüffeln und ich Tagliatelle mit Garnelen, Miesmuscheln und Oliven. Dazu hatte ich ein herrliches Glas Dingač, ein Genuss.
Jakobsmuscheln
Istrische Fuži mit Trüffeln
Tagliatelle mit Garnelen, Miesmuscheln und Oliven
Und da waren sie wieder: als wir nach der Vorspeise auf den Hauptgang warteten, sich an unserem 5 m von uns entfernten Nebentisch ebenfalls ein Pärchen niedersetzte und Christine die zur Verkürzung der Wartezeit zuvor noch angezündete Zigarette fertig rauchte, standen die asiatisch aussehende, junge Dame und ihr Freund sofort auf, als sie dies sahen und setzten sich eine Reihe weiter nach oben. Das mag jeder sehen, wie er will, aber so muss man sich als Nichtraucher nicht verhalten, auch das ist für mich ein Stück weit Intoleranz. Ich besitze sogar den Anstand und frage mittlerweile etwaige Nachbarn an einem Nebentisch, egal, wie weit er entfernt sein mag, egal ob man rauchen darf oder nicht, ob es sie störe, aber auch Rücksicht muss irgendwo seine Grenzen haben. Nun, so etwas vermiest uns nicht die Laune, egal. Jeder wie er will.
Wir wurden herzlichst verabschiedet und mussten nun nicht weit zur Seilbahn – des Cable Cars – laufen. Es war komplett dunkel. Außer uns waren keinerlei Passagiere in dem kleinen Warteraum. Alle 15 Minuten kommt ein Waggon. Christine war ein bisschen mulmig zumute. Ich sagte: „Warum? Ist doch nur eine Seilbahn.“ Doch hat sie vor Seilbahnen immer ein wenig Angst. Pro Person kostet das Vergnügen ca. 130 Kuna. Dafür kann man dann auch hoch und runter fahren. Na, dann gönnten wir uns doch das Vergnügen. Ein etwas merkwürdiges Gefühl war es durchaus, plötzlich im Dunkeln mit der Bahn den Berg hinaufzufahren, aber irgendwie hatte es auch was. Dann tauchte das in hellem Licht erleuchtete Dubrovnik unter uns auf und wurde immer kleiner. Die Fahrt war recht kurz, und so waren wir schon bald oben. Hier sind eine Aussichtsplattform und ein Café. Es war etwas Besonderes, die Stadt von hier oben in nächtlicher Atmosphäre zu sehen, und ich versuchte, dies in verschiedenen Einstellungen auf Foto zu bannen, was ohne hochprofessionelle Kamera natürlich nicht wirklich gelingt. Hier oben war es kühl. Als wir sitzend auf die nächste Bahn warteten, sah ich erst, wie rot meine Oberschenkel geworden waren. Ach du Schreck. Und sie kribbelten auch ganz merkwürdig. Abschließend muss ich sagen, dass die Stadt trotz des Ankommens mehrerer Kreuzfahrtschiffe zwar sehr gut besucht, aber noch erträglich war, was aber in der Hochsaison durchaus anders aussehen kann. Die Bahn kam, und wir stiegen ein. Nun war unser Waggon ziemlich voll, doch trotzdem hatte ich für uns einen Stehplatz ganz vorn ergattert, schließlich wollte ich bei der Fahrt die Stadt betrachten. Auf halber Strecke, wenn der Waggon einen Mast passiert, wackelt er leicht, da die Rollen eine kleine Erhebung im Seil hinter sich bringen müssen. Das war's. Wieder unten.
Dubrovnik bei Nacht
Auf der Zugbrücke des Ploče-Tors, auf der auf unserem Hinweg noch "Wächter" standen, war nun niemand mehr. Im Hafen wollte ich noch kurz um die Festung Sv. Ivan zum Leuchtturm laufen. Dann verließen wir den Hafen durch das Ponte-Tor unterhalb des Arsenals. Vom alten Hafen ist auch die Überfahrt zur vorgelagerten Insel Lokrum möglich. Auch das ein anderes Mal. Wir passierten das sich neben dem Rektorenpalast befindliche Rathaus und bogen ein allerletztes Mal in den Stradun ein, um die Altstadt Richtung Pile-Tor zu verlassen, jedoch nicht, ohne dass ich mich noch mehrmals umdrehen musste, da ich mich nicht so einfach davon trennen konnte. Dubrovnik ist für mich die schönste Stadt Kroatiens.
Nächtliche Atmosphäre 1
Nächtliche Atmosphäre 2
Nächtliche Atmosphäre 3
Sofort sah ich einen Bus mit der Aufschrift "1 b", doch war mir nicht sicher, ob er wirklich zum Hafen Gruž fahren sollte oder in die falsche Richtung. Wahrscheinlich habe ich zu weit gedacht, und als wir gesagt bekamen, dass wir mit den Linien 1a und 1b zurückfahren konnten, war dabei bereits berücksichtigt, dass diese von hier aus stets nur in Richtung des neuen Hafens fahren und gar nicht in anderer Richtung. Der Fahrer erkannte, dass ich Deutscher war. Ich frage mich jedes Mal, woran man das erkennt, doch viele können es. Er war etliche Jahre zuvor in Deutschland gewesen und wollte uns dann Bescheid geben, wenn wir aussteigen mussten. Das lief alles sehr gut. Unser Schiff fand ich auch sofort wieder. Eine ältere Dame saß bis weit in die Nacht neben unserem Schiff und angelte lediglich mit Hilfe einer Schnur mit Haken. Dann erkannte ich, dass noch andere solche Fischer sich hier hinten verteilt hatten. Heute Nacht kam ich auf die Idee, mich mit dem Notebook und dem Wein oben aufs Oberdeck zu setzen. Warum hatte ich das nicht schon vorher so gemacht? Auf diese Weise, mit der mich noch immer umfassenden Atmosphäre des Hafens, arbeitete sich viel leichter und angenehmer an den Fotos.
"Das ist sie", dachte der alte Mann. " Die schönste Stadt an meinem Meer. Mit ihr kann es keine aufnehmen." Das Wasser klatschte gegen die Planken, und seine Augen fielen zu.