Kapitel 18:
13. Tag – Angriff der Mauren
Donnerstag, der 13.09.2018:
Diesen Tag begann ich wieder ganz gemächlich mit morgendlichem Schwimmen und einem gemütlichen Frühstück. Dann fand ich die Muße, mir noch eine weitere kleine Kirche im Westen Lumbardas anzuschauen, die Crkva Špiridi Juna. Sie steht auf einem Hügel am Rande des Ortes. Kein außergewöhnlicher Prachtbau, doch nun hatte ich die Kirchen Lumbardas wohl alle komplett.
Ich lenkte meine kleine Karosse nach Smokvica. Auf diesen Ort freute ich mich besonders, und schnell wurde klar, dass Smokvica von den Gassen, den Gebäuden, den Kirchen, den alten Bauten und dem Gesamteindruck her für mich nach Korčula und Vela Luka der drittimposanteste Ort der Insel für mich ist. Die große Kirche Očišćena Marijina thront in der Ortsmitte. Der Kirchplatz ist schön und hat auch eine sehenswerte Loggia. Alte, enge Gassen beherbergen verlassene Häuser, und Weinfässer, die nicht mehr benötigt werden, liegen an den Wänden. Das war wieder mal ein Ort, in dem es richtig Spaß machte, jede einzelne Gasse zu erkunden. Manche fühlen sich so an, als wäre hier schon lange kein Lebender mehr hindurchgekommen.
Kirche Očišćena Marijina
Loggia
Gebäude in Smokvica
Idyllische Gasse
Altes Fass
Ursprüngliche Atmosphäre
An einer Mauer hoch über dem Ort hatte jemand in großen Lettern sein „Gotovina heroj“ hinterlassen. Gut, man weiß, dass in Kroatien oftmals alte Führer mit zweifelhaftem Ruf bei manchen Bevölkerungsschichten noch einen heroischen Ruf haben. Am Berghang findet man die kleine, mittelalterliche Crkva Sv. Mihovil. Die Ausstrahlung Smokvicas ist einmalig.
Die Atmosphäre Smokvicas
Wenn einem das Auto nicht lieb ist, kann man auch dort einparken
Am Dorfplatz
Dann kam ich am Weingut Toreta vorbei. Ein rotes, altes Weinfass lädt zum Eintritt ein. Ich ging also hinein. Das Innere ist äußerst rustikal. Alte Bottiche und allerlei Gerätschaften, die man zum Weinanbau benötigt, sind hier deponiert. Ja, dachte ich, warum sollte ich nicht hier eine kleine Weinprobe machen? Das Weingut Toreta ist schließlich bekannt, und so schlecht kann der Wein eigentlich nicht sein. Die freundliche Dame im Innern ließ mich auch bald einige rote und weiße Kreationen des Hauses probieren. Ich bot ihr an, dafür zu zahlen. „That you're not angry, if I buy nothing“, sagte ich, denn ich mag es nicht, mich durch einige Weine zu probieren, dann zu gehen und als jemand dazustehen, der lediglich umsonst etwas Wein abbekommen möchte. Da ist es mir lieber, einen Obolus zu zahlen, denn zu verschenken hat man den Rebensaft ja schließlich auch nicht. Die Dame winkte aber lächelnd ab und sagte: „Oh, I won't be angry.“ Dann kaufte ich sogar doch eine Flasche des Plavac Malis, um ihn mit nach Haus' zu nehmen, der schmeckte nämlich gar nicht mal schlecht.
Weingut Toreta
Winetasting
Plavac Mali
Nun ging's in den Süden nach Prižba. Schön ist, dass der Ort zwei kleine Halbinselchen hat, die ins Meer hineinragen; ansonsten ist er aber eher eine lockere Ansammlung von Ferienhäusern, die sich der Küste entlangzieht. Keine besonderen Sehenswürdigkeiten. An der größeren Halbinsel befindet sich das kleine Zentrum, wenn man das überhaupt so bezeichnen kann. Hier ist es wenigstens noch ein bisschen nett. Ich betrat die kleine Halbinsel und entdeckte sogar eine kleine Kirche. Der Strand hier ist recht nett. Das muss man sagen. Ein kleines Päuschen konnte nicht schaden, und so setzte ich mich an eine kleine Bar und aß einen Schokoladeneisbecher. Von der Kirche kam das Mittagsgeläut herüber, und so fand ich hier ein wenig Entspannung.
Halbinsel in Prižba
Nahe des kleinen Zentrums
Bootsidylle in Prižba
Weg auf der Halbinsel
Kleiner Ortsstrand
Ich wollte mir Prigradica anschauen, was an der gegenüber liegenden Inselseite im Norden liegt. Ich parkte am Ortseingang auf einer erhöhten Rampe, die zum Wassern von Booten benutzt wird. Ein Kran stand gleich daneben. Ich würde da jetzt sicher nicht stören, hoffte ich. Und wenn dennoch jemand käme und die Rampe brauchen würde, dann war ich ja schließlich nicht weit weg. Das Bistro Prigradica daneben war recht gut gefüllt. Einige nahmen noch ihr Mittagessen ein. Ich war gleich hocherfreut, denn Prigradica machte einen ähnlich hübschen Eindruck wie Brna und Zavalatica, ist also ein kleiner Küstenort in einer relativ runden Bucht. Die Mole am Ortseingang ist lang; von hier kann man den Ort gut überblicken. Heute war es ein wenig bewölkt am Himmel. Die Sonne zögerte und versteckte sich lieber hinter Wolken. Ich umwanderte den charmanten Hafen, und kleine Boote wackelten im Wasser um die Wette. Im Buchtinnern zweigt ein kleiner Kanal ab und endet in einem kleinen Minihafen, was idyllisch aussieht. Es gibt viele typisch dalmatinische Steinhäuser. Nun legte die Sonne ihre Scheu ab und kam hinter den Wolken hervor. Im richtigen Licht wirkt ein solcher Ort dann gleich nochmal freundlicher. Prigradica ist durchaus eine kleine Perle.
Das hübsche Prigradica
Panorama
Der hübsche Küstenort
Altes Seil
Der kleine Hafen im Hafen
Boote in Prigradica
Ich fand, das nun Zeit zum Baden war. In der Nähe des Ortes Račišće befindet sich die Kiesbucht Vaja. Genau dort wollte ich hin. Nach Račišće gelangt man aber leider nur auf einer Straße von Korčula aus, weswegen ich erst mal komplett in den Osten musste. Auf diese Art und Weise kommt man aber mal am kleinen Žrnovska Banja vorbei, was eine hübsche, kleine Bucht aufweist. Über Kneža geht‘s schließlich nach Račišće, welches ein ganz herrlicher, kleiner Küstenort ist. Mittlerweile hatte die Sonne wohl wieder etwas der Mut verlassen.
Blick auf Račišće
Über einige Feldwege kämpfte ich mich zur Bucht und parkte. Die Bucht Vaja ist recht spektakulär. Sie liegt inmitten höherer Hügel, und man muss zu ihr hinab kraxeln. Sie ist nicht sehr groß und eher rustikal; ein wildes Stück Natur. Die Kieselsteine sind eher groß. Mit mir waren vielleicht ca. 20 Menschen hier. Beim Schnorcheln stellte ich fest, dass der Untergrund recht schnell sehr tief ins Meer abfällt. Das Fischvorkommen war abwechslungsreich, so dass man beim Schnorcheln auch einiges zu sehen bekam. Ich war recht angetan. Es gibt sogar eine kleine Strandbar, die aber bereits geschlossen hatte. Die Sonne kam wieder raus, und ich fühlte mich hier sehr wohl.
Hier geht's hinab
Die Bucht Vaja
Der kleine Strand
Am Kiesstrand
Am Ende des Nachmittags schaute ich mir dann Račišće selbst an, welches sich für mich als schönster dieser kleine Küstenorte auf der Insel erwies. Die Bucht hat eine außerordentlich schöne Form, und die Architektur ist sehenswert. Im Westen startete ich meinen Rundgang und erkundete den pittoresken Ort bis zu seinem Ende. An der Mole stehen einige Bänke, die zum Verweilen einladen. Palmen und alte Steinhäuser komplettieren das Ambiente. In der Ortsmitte kam ich an einer Boule-Bahn vorbei. Das einzigste Mal in meinem Leben, dass ich das Spiel ausprobierte, war in der Nähe von Split 2015, als wir eine „Jeep-Safari“ auf den Berg Kozjak bei Split unternahmen und ich gegen unseren Fahrer gnadenlos unterlag.
Račišće
Das idyllische Kleinod
Hafenparadies
Es gibt sogar einige kleine, verwinkelte Gassen in Račišće, die zum Erkunden animieren. Die Konobas des Ortes waren gut besucht. Eine davon befindet sich direkt vor der kleinen Rosettenkirche der hl. Madonna und verdeckt fast die hübsche Loggia. Dann kam ich zur Pfarrkirche des hl. Nikolaus. Hier war eine große Hochzeit im Gange, und kleine Kinder der Gäste spielten an einer Wand der Kirche Fußball. Eine Statue von Papst Johannes Paul, des Zweiten, befindet sich auf dem dazugehörigen Friedhof. Ich war von Račišće restlos überzeugt.
Rosettenkirche der hl. Madonna
Pfarrkirche des hl. Nikolaus
Ein Boot wird angelassen
Am Abend fand ich mich wieder im herrlichen Korčula ein. Schließlich sollte heute die Aufführung des Moreška-Säbeltanzes stattfinden, der ich selbstverständlich beiwohnen wollte. Deswegen zog ich das Abendessen vor und aß direkt auf dem Trg Antuna i Stjepana Radića oberhalb des Stadttors beim Rathaus. Hier befindet sich „Marcos Bar“, wo man inmitten des Altstadttreibens speisen und nebenbei die Atmosphäre in sich aufsaugen kann. Ich bestellte ein „Korčula Pale Ale“. Dies ist ein dunkles Bier, die ich normalerweise nicht besonders mag. Aber hier haben sie nur sowas. Es schmeckte auch, aber allein das kleine Bier kostete 40 Kuna. Man muss wissen, dass man hier in der Altstadt natürlich die Lage mit bezahlt. Als Vorspeise nahm ich das herrliche Bruschetta und entschied mich anschließend für ein Filet vom Roten Schnapper mit Grillgemüse und ein Glas Rotwein. Es schmeckte vorzüglich, aber auch der Preis war vorzüglich. Insgesamt 350 Kuna.
Bruschetta
Roter Schnapper mit Grillgemüse
Da noch Zeit war, ging ich in den kleinen Weinshop, in dem ich einige Tage zuvor bereits nach einem Honiglikör gesucht habe. Der Verkäuferin erklärte ich mein Begehr, die daraufhin verdeutlichte, dass sie natürlich sowas dahaben. Also konnte ich eine kleine Flasche erstehen, die ich anschließend zum Auto brachte. Dann hieß es anstellen. Der Moreška-Säbeltanz findet neben der Treppe zum Veliki Revelin-Turm statt. Hier ist ein kleines ummauertes Atrium. Der Andrang war stark. Die Aufführungen sind immer donnerstags gegen 21.00 Uhr.
Die Morešken, stilisierte Kämpfe zweier auseinandergesetzter Armeen, waren zur Zeit der Renaissance sehr populär, besonders im Mittelmeerbereich. Aufgetreten wurde in Elite-Gesellschaftskreisen, auf Königshöfen, öffentlichen Festen und zum Karneval. Obwohl nicht nachweisbar ist, wann der Moreška nach Korčula kam, weiß man, dass der Tanz zum ersten Mal in Dokumenten aus dem 17. Jahrhundert erwähnt wurde.
Der Moreška ist ein dynamischer Kriegstanz mit Säbeln, der ursprünglich aus Spanien kam. Er stellt den Kampf zwischen Moslems und Katholiken dar. Text, Musik und Tanzelemente geben sich die Klinke in die Hand, es ist eine Art Theateraufführung. Er beginnt mit einem Dialog zwischen den verfeindeten Königen und der Verlobten der Einheimischen, die vom König der maurischen Eindringlinge entführt wurde. Der Dialog spitzt sich zu, die Könige fordern sich heraus und der Kampf um die Holde beginnt. Der Dialog ist alt und original aus Korčula. Heutzutage wird der Moreška nur noch hier auf der Insel vorgeführt. Das gefangene Mädchen ist die Bula, der Anführer der Mauren, der schwarze König ist Moro, der rote König trägt den eher unpassenden Namen Osman.
Der schwarze König tritt ein und zieht das erbeutete Mädchen in Ketten hinter sich her. Er versucht, sie zu überreden, doch die Bula erwidert, dass sie doch den roten König liebe, fleht, dass er sie doch gehen lassen möge. Von Verspottungen steigert man sich zum Kampf. Die verfeindeten Armeen stehen sich gegenüber, der Kampf eskaliert. Insgesamt werden sieben verschiedene Tänze gezeigt; am Ende werden die Eindringlinge niedergerungen, und der rote König befreit seine Bula. Der Moreška ist ein Symbol für den Freiheitskampf Korčulas im Laufe der Jahrhunderte.
Lass mich, Moro!
Es dauerte eine ganze Weile, bis alle Zuschauer ihre Plätze gefunden hatten. Am Ende mussten noch Extra-Stühle herbeigeholt werden für die gut und gerne 500 Zuschauer. Ich saß in der ersten Reihe. Man begann mit einigen kroatischen Liedern, die von einigen Musikern gespielt wurden. Für die Tanzaufführung befand sich aber ein Orchester auf einer höheren Plattform, die für uns nicht so gut einsehbar war. Dann begann das Drama: „Lass mich, Moro! All Dein Bitten ist vergeblich. Meine Schönheit, meine Tugend liebt ein Anderer, und auch ich liebe diesen Anderen!“ Ich hatte den deutschen Text in der Hand und konnte so der Dramaturgie etwas folgen, doch bald legte ich den Text beiseite und schaute nur zu. Es war ja schließlich auch so klar, worum es ging. Ich muss sagen, die Spielenden gaben sich große Mühe; es wirkte relativ echt. Meine Stuhlnachbarn waren ebenfalls Deutsche, mit denen ich ab und an scherzte und lachte.
Die Auseinandersetzung eskaliert
Der Kampf beginnt
Im darauf entstehenden Kampf sprühten die Funken, als die Kontrahenten mit den Säbeln aufeinander einschlugen. Die Waffen waren sicher entsprechend präpariert. Ich habe das Ganze als recht beeindruckend empfunden. Die Tänzer schwitzten, verausgabten sich sehr. Einer hatte sogar eine blutende Schnittwunde an der Wange, machte aber alsbald weiter. Ich weiß nicht mehr, wer irgendwann mal gesagt hatte, dass der Kampf ja stets das Gleiche wäre. Diesen Kommentar habe ich wohl irgendwo im Internet gelesen. Ich habe es absolut nicht so empfunden. Die Schritte, die Szenen, die Art und Weise der Attacken und der Paraden änderten sich laufend. Nach einer Stunde war der „Spuk“ vorbei, doch ich habe es wirklich genossen. Für 100 Kuna hatte man doch Einiges geboten bekommen. Dann waren die Feinde besiegt. Man verneigte sich und erntete großen Jubel.
Der Feind ist niedergerungen
Ich beeilte mich, um an den Ausgang zu kommen. Bei dieser Besucherzahl würde es sicher ewig dauern, bis die Letzten den Platz verlassen konnten. Spät kam ich in Lumbarda an. Mit vielerlei Eindrücken im Kopf endete der Tag auf meiner Terrasse.
(Besuchte Orte: Smokvica, Prižba, Prigradica, Račišće)